Nach dem Sensationsfund der Urzeit-Zähne in Eppelsheim: Nun beginnt Suche nach Skelett-Teilen
Nach dem Sensationsfund der zehn Millionen Jahre alten Zähne in Eppelsheim werden die Fundstücke nun näher untersucht. „Umfassende Untersuchungen der Fundobjekte sind derzeit in Vorbereitung. Erst diese werden die derzeit offenen Fragen zu klären helfen.“ Und die Grabungen gehen weiter: Vielleicht finden die Archäologen ja auch ein oder mehrere Skelett-Teile.
Von Bernd Funke
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EPPELSHEIM - Ob tatsächlich, wie der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling halb scherzhaft mutmaßt, die Geschichte der Menschheit umgeschrieben werden muss? Zumindest gibt ein aufsehenerregender Fund in den „Dinotheriensanden“ beim rheinhessischen Eppelsheim - wie berichtet - der Wissenschaft Rätsel auf.
7,95 Millimeter breit, 8,5 Millimeter hoch – dass das Forschungsteam um Bastian Lischewsky, Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums Mainz, im September vergangenen Jahres in acht Metern Tiefe überhaupt zunächst auf einen rechten oberen Backenzahn, dann auf einen linken oberen Eckzahn eines Menschenaffen gestoßen ist, ist bereits mehr als erstaunlich. Die eigentliche Sensation allerdings ist das Alter: Fast 10 Millionen Jahre! Und damit sind sie, wie der Projektleiter der Forschungsarbeiten in Eppelsheim und stellvertretende Direktor des Naturhistorischen Museums, Dr. Herbert Lutz, erklärt, deutlich älter als die bislang bekannten Vormenschen (Hominini) aus Afrika.
Älter als "Ardi" und "Lucy"
„Ardi“, die zwischen 1994 und 1996 im Nordosten Äthiopiens gefundene Affendame bringt es gerade einmal auf 4,4 Millionen Jahre und gilt bisher als älteste bekannte Vorfahrin des Menschen. Noch „jünger“ ist „Lucy“, deren Alter auf zwischen 2,9 und 3,8 Millionen Jahre geschätzt wird. Als ihre Überreste 1974 ebenfalls in Äthiopien gefunden wurden, galt sie als „Mutter der Menschheit“.
Archäologen bei Ausgrabungen in den Dinotheriensanden von Eppelsheim. Foto: Naturhistorisches Museum Mainz/dpa
Der Fund aus den Sedimenten des Ur-Rheins stellt nun „Ardi“ und „Lucy“ in den Schatten. Die Eppelheimer Menschenaffen-Zähne zeigen verblüffende Ähnlichkeiten in Struktur und Form zu den Zähnen der beiden äthiopischen Funde. Zu ähnlichen Funden aus Europa oder Asien wollen sie so gar nicht passen. „Beeindruckende Objekte“, urteilt der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Konrad Wolf. Bis die Zähne gefunden wurden, waren überwiegend in Handarbeit 1.300 Kubikmeter Sediment abgebaut , 6.800 Fossilreste geborgen und dokumentiert, 25 Publikationen verfasst worden.
Thomas Engel, Mitarbeiter des Naturhistorischen Museums, weiß zwar nach ersten Untersuchungen der hervorragend erhaltenen Zähne (sogar Zuwachsstreifen des Schmelzes sind zu erkennen), dass sie zu einem etwa dreijährigen Menschenaffen gehört haben – aber die richtige Erforschung soll jetzt erst beginnen. Lutz: „Umfassende Untersuchungen der Fundobjekte sind derzeit in Vorbereitung. Erst diese werden die derzeit offenen Fragen zu klären helfen.“ Ein Team von Spezialisten soll zusammengestellt werden, um unterschiedliche Aspekte des Fundes zu bearbeiten. Denn: „Es haben sich große Lücken in Fossilberichten aufgetan – und damit erhebliche Wissenslücken.“
Eigentlich sollte die Grabung abgeschlossen werden
Lutz fragt sich, wo die restlichen 24 Zähne des Eppelsheimer Menschenaffen geblieben sind, wo der Rest des Oberkiefers oder sogar der ganze Schädel. Flussauf (vor 10 Millionen Jahre lag Eppelsheim am Ur-Rhein) könnten schwerere Skelett-Teile, die nicht so leicht vom Wasser transportiert werden konnten, liegen. Eigentlich sollte die Grabung abgeschlossen werden, doch nun geht es in Zusammenarbeit mit der Direktion Landesarchäologie der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) weiter. Auch deren Direktor, Dr. Dr. Axel von Berg, der 1997 den 170.000 Jahre alten „Ochtendunger Neandertaler“ gefunden hat, ist dabei gefragt. Und das Technische Hilfswerk Wörrstadt. Das nämlich sorgt mit Pumpen dafür, dass die Wissenschaftler nicht im Grundwasser „ertrinken“.
Es ist nicht das erste Mal, dass die „Dinotheriensande“ von Eppelsheim im Fokus der Wissenschaft stehen, denn hier liegen die am längsten bekannten und bedeutendsten Fundstellen fossiler Säugetiere in Europa. Ein Umstand, den die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse, bewundernd registriert. Zu den 25 erstmals in Eppelsheim entdeckten Arten zählt auch der weltweit erste Fossilfund eines Menschenaffen. 1820 wurde der Oberschenkel einer Gibbon-ähnlichen Art gefunden. Die 1935 entdeckten Eckzähne des „Rhenopithecus eppelsheimensis“ verewigten den Namen des Ortes in der Wissenschaftswelt.
Unterwegs mit Ur-Huftieren und Säbelzahnkatzen
Als der Eppelsheimer Menschenaffe sich vor rund 10 Millionen Jahren in den Wäldern bei Eppelsheim tummelte (schon damals gab es mit beispielsweise Ahorn und Buche eine ähnliche Vegetation wie heute), war er von einer Tierwelt umgeben, die heute exotisch klingt. Da lebten zum Beispiel Hauerelefanten und Rüsseltiere, Ur-Huftiere, Schweine und Säbelzahnkatzen.
Die beiden Sensationsfunde sind noch bis zum Sonntag im Naturhistorischen Museum Mainz zu sehen. Ab Ende Oktober sollen sie in der laufenden Landesausstellung „vorZeiten“ im Landesmuseum Mainz präsentiert werden und danach zusammen mit einer Rekonstruktion zurück in das Naturhistorische Museum kommen. Als eine der Hauptattraktionen einer neuen Dauerausstellung, die gerade vorbereitet wird.