Dienstag,
12.11.2019 - 00:00
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In Frankfurt gibt es seit fünf Jahren ein bundesweit einmaliges Netzwerk für Suizidprävention
Von Katja Sturm
FRANKFURT - Am vergangenen Sonntag jährte sich zum zehnten Mal der Todestag von Robert Enke. Der ehemalige Fußball-Nationaltorwart hatte am 10. November 2009 mit nur 32 Jahren seinem Leben an einem Bahnübergang in Niedersachsen ein Ende gesetzt. Um seiner zu gedenken, aber auch um für die Krankheit Depression, an der er litt, zu sensibilisieren, gab es am vergangenen Wochenende bei allen Spielen, von der Kreis- bis zur Bundesliga, Schweigeminuten.
Der Suizid Enkes gehört zu den wenigen Selbsttötungsfällen, über die in der breiten Öffentlichkeit berichtet wurde. Die Medien sind gebeten, zurückhaltend und sensibel mit dem Thema umzugehen, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren, aber auch um Nachahmungen zu vermeiden. Andererseits gilt es, darüber aufzuklären, wie man Menschen helfen kann, die sich in Gedanken mit einem Freitod beschäftigen oder diesen schon einmal herbeizuführen versucht haben.
In Frankfurt hat sich vor fünf Jahren ein bundesweit einmaliges Netzwerk für Suizidprävention gebildet, kurz Frans genannt. Initiator war damals der Psychiater Thomas Götz, der den Gründungstag auf seinen Geburtstag, den 12. Juni, legte. Fast 80 Organisationen sind mittlerweile eingebunden, gestartet war man einst mit 40 Mitgliedern und vier Arbeitskreisen, die die Daten und Fakten in den Mittelpunkt stellten. Diese sind aufwühlend: Etwa 10 000 Suizide werden in Deutschland pro Jahr vollzogen, etwa 90 davon in Frankfurt. Die Zahl der Versuche ist laut Götz zehnmal so hoch.
Psychische Erkrankungen vom Stigma befreien
Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation besagen, dass jede suizidale Handlung zwischen sechs und 23 weitere Personen betrifft. Fast jeder ist in seinem Umfeld zumindest schon mal mit jemandem in Kontakt gewesen, der einen Angehörigen oder Freund auf diese Weise verloren hat.
Frans strebt eigenen Angaben nach an, die Quote an Suiziden und Suizidversuchen durch Aufklärung und andere Präventionsmaßnahmen zu senken, aber auch den Hinterbliebenen bei der Trauerarbeit zu helfen. Dazu sollen das Thema und Ursachen wie psychische Erkrankungen von ihrem Stigma befreit und besser erforscht werden. Die Vertreter des Netzwerks bewegen sich im öffentlichen Raum, verteilen Flyer mit Wegweisern zu Beratungsstellen, halten Vorträge in Stadtbüchereien, laden zu Lesungen ins Theater oder bieten Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen und Workshops an.
Schirmherr der Initiative ist Walter Kohl, Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Der heute 56-Jährige, dessen Mutter Hannelore 2001 mit Tabletten Suizid beging, war 2015 als Talkgast zu einer Frans-Veranstaltung geladen und gab sich dort nicht nur als Angehöriger, sondern auch als Betroffener zu erkennen. Von dem gemeinsamen Engagement für eine Enttabuisierung des Themas in der Gesellschaft zeigte er sich so überzeugt, dass er die Aufgabe des prominenten Förderers übernahm und 2018 half, einen Förderverein zu dessen besserer Finanzierung zu gründen.
Das bisher von Frans Erreichte lässt sich schwer formulieren. Das Thema sei „besprechbarer“ geworden, die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Parteien, mit Behörden und Ämtern, habe sich verbessert. Und es lasse sich auch eine leichte Reduktion, zuletzt eine Stagnation der Suizidfälle in der Stadt verzeichnen.
Für die Zukunft haben die Frans-Vertreter noch viel vor. So soll vor allem die Forschungsarbeit intensiviert werden. Das wichtigste Signal aber sei, so die Psychologin Inga Beig, dass Frans für jeden ansprechbar ist.