53 000 TONNEN KOHLENDIOXID WENIGER
Die Nutzung von Restwärme macht die Erzeugung von Wärme aus fossilen Energieträgern wie Erdöl oder Erdgas verzichtbar. Auf diese Weise könnten nach Berechnungen des Energiereferats in Frankfurt über 53 000 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Noch keine Antwort gibt es auf die Frage, was passiert, wenn ein Unternehmen, dessen Abwärme zu Heizzwecken genutzt wird, den Betrieb einstellt. Frankfurts Umweltdezernentin Rosemarie Heilig schlägt eine staatliche „Hermes-Bürgschaft für den Klimaschutz“ vor, um die Wärmenutzer und deren Investitionen abzusichern.
FRANKFURT - Mit dem Handy heizen: Diese Idee verfolgt das Energiereferat der Stadt Frankfurt. Und es hat noch ganz andere Einfälle, um verborgene Energiequellen zu erschließen. „Abwärme“ ist das Zauberwort.
Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) will Wärme nutzen, die bei der Produktion in Betrieben oder der Nutzung moderner Geräte anfällt, üblicherweise dann aber einfach in die Luft geblasen wird. „Damit tun wir was Gutes für das Klima und unseren Geldbeutel“, sagt sie bei der Vorstellung einer Studie, die das Potenzial der Abwärme-Nutzung für die Stadt Frankfurt erfasst hat.
Nach Berechnungen des Berliner Ingenieurbüros Eco.s könnten gut 16 Prozent der Frankfurter Haushalte durch die Nutzung von Abwärme mit Heizenergie versorgt werden: 64 000 Wohnungen. Um es noch deutlicher zu machen: „Wir könnten ganz Offenbach damit beheizen“, sagt Paul Fay vom Frankfurter Energiereferat.
Datensilos verbrauchen ungeheuer viel Energie
Hier kommen jetzt die Handys ins Spiel. Wer mit seinem Smartphone, oder mit einem anderen Computer, ein Buch bestellt, ein Video aufruft, eine Frage an Google stellt, nach dem Wetter schaut oder Mails versendet, beschäftigt damit ein Rechenzentrum, das die gewünschte Internetverbindung zu den Datenspeichern in der „Cloud“ herstellt.
„Sieben der acht größten deutschen Rechenzentren stehen in Frankfurt“, sagt Béla Waldhauser, der das Telehouse im Gallus betreibt. Rund 40 dieser Datensilos gibt es insgesamt in der Mainmetropole. Und allen ist eines gemeinsam: Sie verbrauchen ungeheure Mengen an Energie. Diese Energie treibt die Server an und bringt deren Platinen zum Glühen – es entsteht Wärme. Dieses Abfallprodukt lässt sich nun nutzen, um Gebäude, Büros oder Wohnungen zu beheizen. Die Energie, die aus Nutzung der Abwärme der Frankfurter Rechenzentren gewonnen werden kann, veranschlagt die Stadt auf 50 Megawatt.
Telehouse hat die Stadt bereits gewonnen: Mit der Abwärme des Unternehmens auf dem früheren Telenorma-Gelände sollen künftig 1500 Wohnungen beheizt werden, die in unmittelbarer Nähe entstehen.
Das Potenzial der großen Industrieparks beziffert die Stadt auf 40 Megawatt. Nach den Worten Fays könnten Häuser und Wohnungen der geplanten Siedlungsprojekte in der Nachbarschaft des Industrieparks Höchst im Westen der Stadt bequem mit Wärme versorgt werden. Neubauten eignen sich grundsätzlich am besten dafür, weil Heizungsanlagen optimal auf die Versorgung abgestimmt werden können.
Das größte Potenzial steckt im Untergrund
Das größte Potenzial sehen Energiereferat und Ingenieurbüro allerdings im Untergrund: Die Abwasserleitungen sind nach ihrer Darstellung ein hervorragender Energielieferant und für 100 Megawatt gut. Waschmaschinen, Geschirrspüler, Duschen und viele technische Anwendungen bringen die Wassertemperatur in den Kanälen im Durchschnitt auf mehr als zwölf Grad. Mithilfe einer Wärmepumpe ist es ein Leichtes, daraus 30 oder auch 65 Grad zu machen, die für den Betrieb einer Fußbodenheizung oder die Abgabe an Nahwärmenetze nötig sind.
In Frankfurt gibt es bereits drei große Gebäude, die ihre Heizenergie aus dem Abwasser zapfen: das von Martin Hegger entworfene schnittige Aktivhaus am Westhafen (der vor zwei Jahren gestorbene Hegger lehrte bis 2014 an der TU Darmstadt energieeffizientes Bauen), der elegante Axis-Wohnturm des Frankfurter Büros Meixner Schlüter Wendt im Europaviertel, der mit seinem Hundewaschplatz im Keller Schlagzeilen machte, und die Hochschule Sankt Georgen in Oberrad. Auch betriebswirtschaftlich rechne sich das ökologisch wertvolle Konzept, sagt Wolfram Stodtmeister, Inhaber von Eco.s. Die Investitionen sind überschaubar, und die Energie aus zweiter Hand ist kostenlos.
Umweltdezernentin Heilig sucht nun nach Abnehmern und Lieferanten von Abwärme; das können auch Bäckereien und andere Gewerbebetriebe sein. Ziel der Stadt Frankfurt ist es, bis 2050 Strom und Wärme ausschließlich aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Wenn die Berechnungen der Firma Eco.s stimmen, könnten bis dahin knapp 60 Prozent des Bedarfs der Haushalte für Heizung und Warmwasserbereitung allein durch die Nutzung der Abwärme gedeckt werden.