Der umstrittene Politiker hatte seinen Abgang angekündigt - jetzt will er nichts mehr davon wissen. Seine Zukunft macht er vom Bürgerentscheid abhängig.
WIESBADEN/FRANKFURT. Rückzieher vom angekündigten Rückzug: Der massiv in der Kritik stehende Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) will nun doch bis zum regulären Ende seiner Amtszeit im Jahr 2024 seinen Posten behalten - sofern die Frankfurter Bürger nicht vorher für seine Abwahl stimmen. Das teilte er am Montag mit. Damit widerruft er frühere Erklärungen, in denen er noch klar angekündigt hatte, im Januar 2023 aus dem Amt zu scheiden.
Nach diversen Skandalen sowie massiver Kritik auch aus der eigenen Partei hatte Feldmann im Juli seinen Abgang in Aussicht gestellt. Zurücktreten will er aber nicht, stattdessen hatte er dafür zunächst noch zwei mögliche Verfahren genannt; schließlich hatte er mitgeteilt, dass er sich von den Stadtverordneten werde abwählen lassen. Die Abwahl werde er zum 31. Januar 2023 annehmen. „Diese Erklärung wird er nicht widerrufen“, hieß es noch bis vor kurzem auf der Internetseite des OB unter der Überschrift „Transparentes Stadtoberhaupt“. Doch nun hat er genau das getan, er hat seine Erklärung widerrufen – denn genau diese kurze Text-Passsage ist gelöscht.
Feldmann will „seine Pflichten bis zum Ende der Amtszeit erfüllen“
Immer noch zu lesen ist auf der Homepage ein mit sich selbst geführtes „Interview“, in dem Feldmann zu den zahlreichen Vorwürfen gegen ihn Stellung bezieht. Darunter hat der OB jetzt aber einen sogenannten „Fairness-Pakt“ veröffentlicht, den er den Fraktionen und Abgeordneten im Stadtparlament anbietet, und „den er für sich als verbindlich erachtet“, wie es in der Einleitung heißt. Die fünf Punkte darin sind jeweils mit dem Stichwort „Respekt“ eingeleitet - etwa vor der Privatsphäre aller Beteiligten oder vor dem gemeinsamen öffentlichen Auftrag -, vor allem der letzte Abschnitt hat es in sich. Aus „Respekt vor der Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger“ erklärt Feldmann: „Durch das von den Stadtverordneten angestrengte Verfahren liegt die Entscheidung über den Amtsverbleib ab sofort ausschließlich in den Händen der Frankfurterinnen und Frankfurter.“ Er werde „seine Pflichten bis zum Ende der Amtszeit erfüllen“, sollten sich die Bürger „für einen Verbleib des Oberbürgermeisters aussprechen“. „Ein anderes Prozedere ließe sich aus einem solchen direkt-demokratischen Ergebnis nicht rechtfertigen“, schreibt er.
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Ganz offensichtlich spekuliert der OB darauf, dass die Hürden, dass er per direkter Demokratie aus dem Amt befördert wird, sehr hoch liegen. Denn „für“ Feldmann sprechen sich die Frankfurter auch aus, wenn nicht genug gegen ihn stimmen. Um ihn aus dem Amt zu wählen, braucht es bei dem Bürgerentscheid am 6. November – Grundlage für das von den Stadtverordneten eingeleitete Abwahlverfahren – nicht nur eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Es müssen dabei auch mindestens 30 Prozent der insgesamt 510.000 Wahlberechtigten gegen Feldmann votieren. Zum Vergleich: Bei der vergangenen OB-Wahl 2018 lag die Wahlbeteiligung generell bei nur 37,6 Prozent.
Feldmann-Gegner starten Kampagne für Abwahl
Kein Wunder also, dass die Abwahl-Befürworter im Frankfurter Römer in den nächsten Wochen massiv auf die Mobilisierung der Feldmann-Gegner setzen. Ebenfalls am Montag starteten die Koalitionsparteien Grüne, SPD, FDP und Volt sowie die größte Oppositionspartei CDU ihre Werbekampagne für die Abwahl. Demnach wurden 250.000 Flyer und 12.000 Plakate gedruckt, hinzu kommen Infostände und Aufrufe in den sozialen Medien. CDU-Chef Uwe Becker sprach mit Blick auf die parteiübergreifende Kampagne von einem „einmaligen Vorgang in der Geschichte der Stadt“. SPD-Chef Mike Josef sagte, die SPD setze auf einen fairen Umgang: „Wir wollen keine Schlammschlacht.“
Für zusätzliche Mobilisierung in der heißen „Wahlkampf“-Phase dürfte der Prozess gegen Feldmann sorgen, der am 18. Oktober startet. Im Zuge der Affäre um die Arbeiterwohlfahrt ist er wegen Vorteilsannahme angeklagt. Das Amt des Oberbürgermeisters sei mit der Anklage in einem Strafverfahren unvereinbar, sagte SPD-Chef Josef nochmals. Gegen Feldmann gab es zudem massive Vorwürfe rund um den Europapokalsieg der Frankfurter Eintracht im Mai, als sich der OB bei der Feier blamierte. Zuvor hatte er sich beim Rückflug sexistisch über Stewardessen geäußert. Auch diese Vorfälle schlagen nach wie vor Wellen, am Montagabend legte Eintracht-Vorstandssprecher Axel Hellmann in seiner Kritik öffentlich nach.
Viel zusätzlicher Zündstoff also vor der Abstimmung über die Zukunft des Oberbürgermeisters. Der Ausgang am Sonntag, 6. November ist ungewiss – klarer sind hingegen die zu erwartenden Kosten des Bürgerentscheids: rund 1,6 Millionen Euro.
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