Der Bund will Kontrollen in Lebensmittel-Betrieben neu regeln. Kritiker befürchten eine Reduzierung der Überwachung. Wie wird sich Hessen angesichts des Wilke-Wurstskandals...
WIESBADEN/BERLIN. Angesichts des Wilke-Fleischskandals fordert die Verbraucherorganisation Foodwatch Hessen auf, sich gegen eine geplante Neuregelung der Kontrollen in Lebensmittelbetrieben zu stellen. Am 18. September werden die Länder im Bundesrat über einen Entwurf von Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) abstimmen. Dieser sieht vor, die Mindestzahl der Routinekontrollen zu senken, um Kapazitäten für Kontrollen in Problem-Betrieben zu schaffen. Für Foodwatch ist das Augenwischerei: "Wir brauchen Routinekontrollen, um überhaupt zu merken, was in den Unternehmen schief läuft", sagte Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker.
Vor rund einem Jahr hatte die nordhessische Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH & Co. KG einen Lebensmittelskandal ausgelöst. In Wilke-Wurst waren mehrfach Listerien-Keime nachgewiesen worden. 37 Krankheitsfälle, darunter drei Todesfälle, werden mit Produkten der Firma in Verbindung gebracht. In die Kritik gerieten auch die Lebensmittelkontrolleure: Hessens Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne) und der Landkreis Waldeck-Frankenberg räumten Fehler ein und kündigten Verbesserungen im Kontrollsystem an.
Weniger Mindest-Kontrollen?
Doch die Pläne des Bundes würden für ein Unternehmen mit einer Risiko-Einstufung wie Wilke weniger Mindest-Kontrollen bedeuten, kritisiert Foodwatch: vier statt zwölf pro Jahr - zumindest solange ein Betrieb unauffällig ist. "Regelmäßige Kontrollen sind ein ganz wichtiger Pfeiler für die Lebensmittelsicherheit", sagte Rücker. Wenn man die Zahl der Routinekontrollen reduziere, die Lebensmittelkontrolleure in der Vergangenheit ohnehin oft nicht einhalten konnten, steige damit nicht automatisch die Zahl der anlassbezogenen Kontrollen bei auffällig gewordenen Betrieben. "Wenn das Pflichtprogramm reduziert wird, wird der Druck zunehmen, dass Ämter Stellen abbauen."
Das hessische Umweltministerium bestätigte, dass die Mindestvorgabe der Routinekontrollen unter den bisherigen Kontrollzahlen liegen. Allerdings hätten diese bisher nur Empfehlungscharakter gehabt. "Die Bundesregelung sieht eine erstmals zwingende Mindestzahl von Regelkontrollen vor", sagte eine Sprecherin. Frei werdendes Personal solle dazu genutzt werden, Betriebe, die sich nicht an die Spielregeln halten, verstärkt zu kontrollieren - notfalls täglich. "Darauf muss unser Hauptaugenmerk liegen. Die Kontrolldichte insgesamt darf nicht sinken, sondern muss gezielt auf schwierige Betriebe ausgerichtet werden."
Task Force "Lebensmittelsicherheit"
Wie sich Ministerin Hinz und das Land Hessen am 18. September bei der Abstimmung im Bundesrat positionieren, bleibt aber unklar. Dazu schweigt das Umweltministerium und verweist stattdessen auf die eigenen Reformen nach dem Wilke-Skandal: So sei die Lebensmittelkontrolle der Behörden vor Ort durch eine Landeskontrolle ergänzt worden. Jederzeit könne zusätzlich die Task Force "Lebensmittelsicherheit" des Landes hinzugezogen werden. Außerdem könnten die von den Veterinären der Städte und Kreise vorgenommene Risikoeinstufung der Betriebe sowie die Kontrollfrequenz durch die Regierungspräsidien eingesehen und überprüft werden.
Foodwatch sieht Hessen im Bundesrat nach den Erfahrungen mit Wilke in der Pflicht: "Ich glaube, dass nicht nur Hinz, sondern auch Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) in der Verantwortung sind, dass sich ein Fall wie Wilke nicht noch mal ereignet", sagte Rücker.
Von dpa