Fall Susanna: Ali B. war polizeibekannt aber nicht in Haft -...

aus Der Fall Susanna

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In dieser Flüchtlingsunterkunft lebte Ali B. mit seiner Familie. Foto: Sascha Kopp

Viele Fragen gibt es rund um den wegen des Mordes an der 14-jährigen Susanna dringend tatverdächtigen Ali B. - und auch einige Antworten, die wir hier zusammengestellt haben.

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MAINZ / WIESBADEN. Warum sah die Polizei vor der mutmaßlichen Vergewaltigung und Tötung von Susanna F. keinen Haftgrund für Ali B., obwohl er mehrfach polizeilich in Erscheinung trat? Der Name Ali B. taucht in den Akten von Wiesbadener Polizei und Staatsanwaltschaft mehrfach auf: Erstmals trat der 20-jährige Iraker im April 2017 in Erscheinung, als er an einer Schlägerei beteiligt gewesen sein soll. Eine Tatbeteiligung war nicht nachweisbar. Wie auch im Februar 2018, als ein Mann von drei Personen geschlagen wurde. Am 24. März rempelte Ali B. eine Stadtpolizistin an und spuckte und schlug um sich. Am 27. April bedrohte er gemeinsam mit einer anderen Person einen Mann mit einem Messer und raubte ihn aus. Beide Verfahren sind bei der Staatsanwaltschaft anhängig. Am 19. April führte er bei einer Kontrolle ein verbotenes Einhandmesser mit sich. Zudem wurde am 17. Mai bei der Polizei die Vergewaltigung eines 11-jährigen Flüchtlingsmädchens angezeigt. Es soll ein Ali gewesen sein, der sich bereits im März an dem Kind vergangen habe, so Hinweisgeber. In der Unterkunft lebten zu diesem Zeitpunkt jedoch vier Alis. Ein konkreter Tatverdacht gegen B. ergab sich nicht.

Warum ist seit der Vermisstenmeldung von Susanna F. und den intensiven Suchmaßnahmen soviel Zeit vergangen? Die Polizei ist bei Vermisstenfällen Minderjähriger grundsätzlich zurückhaltend, denn es ist nicht selten, dass Teenager vorübergehend abtauchen. Allein das Kommissariat 1 der Kriminalinspektion Mainz hat im Jahr 2017 insgesamt 858 Vermisstenfälle erfasst, unter diesen befanden sich 699 Jugendliche. Oft sind private oder Schulprobleme, ein schwieriger Freundeskreis oder Familienstreitigkeiten der Grund, dass Jugendliche kurzzeitig verschwunden sind. Ähnliches war auch im Fall Susanna eine Option. Laut Ermittlern sei Susanna zuvor immer wieder abgetaucht, zudem seit Februar nicht regelmäßig zum Schulunterricht erschienen. Auch befand sie sich wegen psychischer Probleme in ärztlicher Behandlung.

Warum wurde der Leichnam des Mädchens erst nach tagelanger Suche gefunden? Die Wiesbadener Polizei hat direkt, nachdem der Fall Susanna von den Mainzern übergeben wurde, mit Suchmaßnahmen per Hubschrauber, Spürhunden und Suchteams begonnen. Das Gelände im Bereich des Wiesbadener Stadtteils Erbenheim wurde zwischen Montag und Mittwoch intensiver durchkämmt, ist allerdings sehr unübersichtlich, teils bewaldet. Zudem war die Leiche vergraben und bedeckt. Einige frische Erdbewegungen, die die Ermittler auch aus der Luft feststellten und überprüften, entpuppten sich zudem als Fehlschlag.

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Warum fällt das plötzliche Verschwinden einer achtköpfigen Familie aus einem Flüchtlingsheim nicht auf? Asylbewerber können sich, wie andere Bürger auch, an ihrem Wohnort frei bewegen, ein- und ausgehen. Es gibt in den Flüchtlingsunterkünften in der Regel Aufenthaltsräume und Personen – darunter viele Ehrenamtliche –, die sich um die Menschen kümmern, sie im Alltag unterstützen, aber keine An- und Abmeldungen.

Woher hatte die achtköpfige Familie das Geld für Flugtickets in den Irak? Das ist nicht genau bekannt. Offiziell hat die Familie lediglich Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten; auch bereits für Juni. Der Umfang der finanziellen Unterstützung variiert zwischen 76 und 216 Euro, unter anderem abhängig von Alter oder der Tatsache, ob Personen in oder außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung leben.