Die S-Bahnen in Rhein-Main waren 2022 besonders unpünktlich. Im Rahmen seiner 10-Minuten-Garantie hat der RMV kräftig Entschädigungen gezahlt. Und bald kommt das Deutschlandticket.
Wiesbaden/Mainz. Wenige Monate vor dem Start des bundesweit gültigen Deutschlandtickets für den Öffentlichen Nahverkehr gibt es im Rhein-Main-Gebiet weiter Probleme und Ausfälle auf vielen Linien. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) gab Anfang Februar die schlechteste Pünktlichkeitsstatistik der vergangenen Jahre bekannt. Demnach waren die S-Bahnen 2022 nur auf 87,8 Prozent ihrer Fahrten pünktlich unterwegs. 2021 hatte dieser Wert noch bei rund 92 Prozent gelegen, im ersten Pandemie-Jahr 2020 waren es rund 94 Prozent. Vor der Corona-Pandemie hatte der RMV ein Pünktlichkeitsziel von 96 Prozent ausgegeben. Offiziell gelten Züge als verspätet, die mindestens sechs Minuten nach der geplanten Ankunftszeit einen Bahnhof erreichen.
Die gestiegene Zahl verspäteter Verbindungen wirkt sich auch auf die Summe der Erstattungen im Rahmen der vom RMV gegebenen 10-Minuten-Garantie aus. Demnach wurden im vergangenen Jahr rund 470.000 Erstattungsanträge gestellt und rund eine Million Euro ausgezahlt. Im Jahr 2021 waren es rund 430.000 Anträge und etwa 900.000 Euro Entschädigungen. „Zu beachten ist, dass während der Gültigkeit des 9-Euro-Tickets für drei Monate die RMV-10-Minuten-Garantie pausierte“, erklärt ein RMV-Sprecher. Trotzdem wurden 2022 rund 100.000 Euro mehr ausgezahlt als noch im Vorjahr.
Vor Corona deutlich mehr Erstattungsanträge
Voraussetzung für eine Erstattung im Rahmen der 10-Minuten-Garantie ist, dass Start und Ziel der reklamierten Fahrt innerhalb des RMV-Gebiets liegen und die Ankunft am Ziel mindestens elf Minuten später als geplant war. Pendler, die aus anderen Tarifgebieten, etwa in Rheinhessen, Mittelhessen oder der südhessischen Bergstraße beispielsweise nach Frankfurt fahren, gehen leer aus. Die aktuelle Zahl der Erstattungen liegt noch deutlich unter der aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. Im Jahr 2019 wurden etwa 1,4 Millionen Anträge gestellt und rund drei Millionen Euro ausgezahlt, 2020 waren es etwa 1,4 Millionen Euro bei rund 650.000 Anträgen.
Der Großteil der Anträge stammt von Inhabern einer Zeitkarte. Die meisten Rückerstattungen werden laut RMV in zentral gelegenen Mobilitätszentralen und Vertriebsstellen wie zum Beispiel in Frankfurt an der Haupt- und Konstablerwache, am Hauptbahnhof oder in Hanau ausgezahlt.
Ausgelastetes Schienennetz und veraltete Infrastruktur
Die vom RMV erfasste Pünktlichkeitsquote von 87,8 Prozent in 2022 gilt für die S-Bahnen im gesamten Tarifraum. Zu den Regionalbahn- und Busverbindungen führt der Verkehrsverbund keine gesonderte Statistik. „Die Pünktlichkeitsvorgabe definiert zwischen den einzelnen Verkehrsverträgen zwischen 2.59 Minuten und 5.59 Minuten“, erklärt ein Sprecher. Der RMV und die Deutsche Bahn verweisen mit Blick auf die schlechten Pünktlichkeitswerte auf das hoch ausgelastete Schienennetz und eine veraltete Infrastruktur. Etwa 60 bis 70 Prozent des Eisenbahnverkehrs in Deutschland fahren laut RMV durchs Rhein-Main-Gebiet.
Im Winter hatte eine Krankheitswelle beim Personal für zahlreiche weitere Zugausfälle gesorgt. Besonders negativ schneiden bei der Pünktlichkeit im RMV-Gebiet Verbindungen ab, die über den Mainzer Hauptbahnhof fahren. Das spiegelt sich auch bei den Verspätungen im Fernverkehr wider: Nach einer Analyse des „Spiegel“ auf der Grundlage von Daten des Internetportals Zugfinder.de waren im Jahr 2022 nur 48 Prozent der Fernverkehrszüge in Mainz pünktlich, die durchschnittliche Verspätung betrug 14 Minuten.
Wir müssen bauen, weil wir ansonsten gar nicht mehr fahren können, da uns die gesamte Infrastruktur unterm Hintern wegbröckelt.
Mehr als 800 Baustellen für Infrastruktur- und Instandhaltungsmaßnahmen gebe es in diesem Jahr im RMV-Gebiet, hatte Geschäftsführer Knut Ringat kürzlich im Interview mit der VRM erklärt. Das seien im Schnitt zwei bis drei Bau- und Reparatur-Maßnahmen pro Tag, die zu Fahrplanänderungen führten. Für den Zustand des Netzes fand Ringat deutliche Worte: „Wir müssen bauen, weil wir ansonsten gar nicht mehr fahren können, da uns die gesamte Infrastruktur unterm Hintern wegbröckelt“, sagte er. Erst am Ende des Jahrzehnts rechnet der RMV-Chef mit einer Entspannung der Situation.
Das neue bundesweit im Regional- und Fernverkehr nutzbare Deutschlandticket gilt ab Mai. Auch beim RMV laufen dafür bereits die Vorbereitungen. Welche Erstattungs- und Entschädigungsregelungen es dafür gibt, steht noch nicht fest. „Das bedarf einer finalen bundesweiten (rechtlichen) Klärung“, heißt es vom RMV.