Stromtrasse in Reichelsheim: CDU RWG-Parlamentsvorsteher verhilft SPD-Antrag zur Mehrheit
Von Kirsten Sundermann
SPD-Parlamentarier Siegfried Freihaut zeigt ein Erdkabel, mit dem der Strom von den Windkraftanlagen auf dem Kahlberg durch Reichelsheimer Gebiet geleitet werden soll. Foto: Kirsten Sundermann
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REICHELSHEIM - Bei der Reichelsheimer Gemeindevertretersitzung ist es zu einem offenen Schlagabtausch zwischen Parlamentsvorsteher Jürgen Göttmann und der CDU-RWG-Fraktion gekommen, der er selbst angehört. Entzündet hatte sich der Streit an Göttmanns Abstimmungsverhalten bei der Frage, ob die EnBW Windprojekte GmbH die Erlaubnis erhält, eine Kabeltrasse zum Transport des auf dem Kahlberg produzierten Windstroms durchs Reichelsheimer Gebiet zum Umspannwerk im Ortsteil Fronhofen zu führen.
Von den 18 Vertretern der CDU-RWG-Fraktion waren nur 16 anwesend. Da Landwirt Matthias Eitenmüller als ein von der geplanten Trassenführung Betroffener den Raum während der Abstimmung verlassen musste, und sich Thomas Hartmann der Stimme enthielt, kam der SPD-Antrag, der auf die Zustimmung zur Trasse zielte, dank Göttmanns Unterstützung mit 14:13 Stimmen durch. Die zahlreich erschienenen Zuhörer, die meisten davon vermutlich regional aktive Gegner von Windkraftanlagen, reagierten mit Buh-Rufen.
Über die von der EnBW angefragte Möglichkeit einer Trassenführung durch Reichelsheimer Gemarkung war bereits Ende November im Parlament heftig gestritten worden. Damals hatte die CDU-RWG das Ansinnen des Stromversorgers mit ihrer Mehrheit abgelehnt. Und damit auch auf das Angebot der EnBW verzichtet, der Gemeinde für ihr Entgegenkommen mindestens 20 Jahre lang eine Zuwendung von 20 000 Euro per anno zu zahlen.
SPD-Parlamentarier Siegfried Freihaut zeigt ein Erdkabel, mit dem der Strom von den Windkraftanlagen auf dem Kahlberg durch Reichelsheimer Gebiet geleitet werden soll. Foto: Kirsten Sundermann Foto: Kirsten Sundermann
Zur Umspannanlage neben der B 38 bei Reichelsheim soll die Stromtrasse von den Windrädern am Kahlberg aus führen. Foto: Guido Schiek Foto: Guido Schiek
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Obwohl die Angelegenheit damit eigentlich erledigt war, hatte die SPD eine erneute Beratung beantragt. Grund: Inzwischen war bekannt geworden, dass es zu Reichelsheim aus Gründen der Aufnahmekapazitäten der Umspannwerke der Region keine Alternative gibt und dass die Kommunalaufsicht keine Bedenken gegen den Abschluss eines Vertrags hat.
Schon als Göttmann diesen Punkt aufrief, war zu erkennen, dass der Gemeindevertretervorsitzende seine Einstellung überdacht hatte. „Es wird heute nicht über die Windkraftanlagen abgestimmt, sondern lediglich über die Kabelführung“, sagte er und unterstrich das Recht und die Pflicht jedes Abgeordneten, seinem Gewissen zu folgen und dazu auch mal eine Meinung zu ändern: „Hier geht es um das Gemeinwohl.“ Auch Kirsten Krämer (SPD) ging auf die Unabhängigkeit der Gemeindevertreter ein – selbst wenn diese riskierten, durch ihre Entscheidungen zum Objekt von Beschimpfungen und Drohungen im Internet zu werden. Da es keine Alternative gebe und die Gemeinde die Trasse nicht verhindern könne, warum sollte sie dann auf das Geld verzichten, das es ermögliche, zukunftsweisende und soziale Projekte zu realisieren?, fragte sie.
Fraktionskollege Siegfried Freihaut erläuterte erneut die von seiner Fraktion befürwortete Variante. Diese sieht vor, die Trassen entlang bestehender Waldwege in einem 60 Zentimeter breiten Graben in einer Tiefe von 0,8 bis 1,2 Meter zu verlegen. Zum Einsatz kämen dabei drei normale 20-kV-Erdkabel mit einem Durchmesser von fünf bis sechs Zentimetern; ein Stückchen Kabel hatte er zu Demonstrationszwecken dabei. Die Flächen würden nach Beendigung der Arbeiten wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückversetzt.
Obwohl alle Parlamentarier und der Gemeindevorstand von der EnBW zwischenzeitlich zu einem klärenden Gespräch eingeladen waren und viele auch daran teilnahmen, fühlte sich die CDU-RWG-Fraktion noch nicht ausreichend informiert. Auch dem Angebot der EnBW, in dem Vertragsentwurf schriftlich den Zusatz zu verankern, dass keine weiteren Windkraftprojekte auf Grenzgebiet zur Reichelsheimer Gemarkung realisiert würden, mochte sie nicht trauen.
CDU-RWG-Fraktion bittet um Unterbrechung der Sitzung
Fraktionsvorsitzender Heinz Kaffenberger beantragte daher, die Entscheidung über die Zulassung der Trasse zu vertagen. Da Göttmann aber auch in diesem Fall mit der SPD gegen eine Vertagung stimmte, entstand eine Patt-Situation zu Ungunsten dieses Antrags. Die CDU-RWG-Fraktion bat um eine Sitzungsunterbrechung, um sich nochmals intern beraten zu können. Die Fronten zwischen der Mehrheitsfraktion und „ihrem“ Parlamentsvorsitzenden waren zu diesem Zeitpunkt jedoch schon spürbar verhärtet.