Die Aktion "Echo hilft!" unterstützt das geplante "Kinderhotel Beerfurth". Je nach Corona-Verordnung können 18 Kinder plus zwei erwachsene Begleitpersonen darin Platz finden.
Von Sabine Richter
Lokalredakteurin Odenwälder Echo
Dort, wo die Kinder einen Halbkreis bilden, soll einmal die Jurte stehen. Rechts: Antje Rümenapf, Leiterin der Grundschule Beerfurth, auf deren Gelände das Projekt geplant ist. Foto: Dirk Zengel
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BEERFURTH - Was Lehrer jetzt, in Zeiten der Pandemie, mit ihren Schülern erleben, rüttelt auf: "Schon kurz nach Ostern riefen die ersten Eltern bei mir an und sagten, sie könnten nicht mehr." Lockdown, Homeschooling, Beruf - gerade Alleinerziehende kamen nervlich an ihre Grenzen, weiß Antje Rümenapf. Die Leiterin der Grundschule in Beerfurth erlebte "immer häufiger Vorfälle und Szenen, die mit weinenden und gänzlich aufgelösten Eltern und Kindern enden. Übergriffe, Wutanfälle, Selbstverletzungen bis hin zu depressiven Haltungen als Folge von Überforderung und lange verdrängten Frustrationen nehmen stetig zu."
Weil Antje Rümenapf, ihr Kollegium und auch der Förderverein der Grundschule diesen Problemen nicht tatenlos zuschauen, sondern ihnen mit einem außerordentlichen Projekt entgegentreten möchten, sollen dafür nun Spenden gesammelt werden. Die Schule wurde daher auch als Empfänger der diesjährigen Weihnachtsaktion "Echo hilft!" ausgewählt.
Geschaffen werden soll von dem Geld das "Kinderhotel Beerfurth". Gedacht ist dabei nicht etwa an einen Hausbau, vielmehr wird eine Jurte aufgestellt, ein rundes Wohnzelt, wie es von den Reiternomaden in der Mongolei genutzt wird. "Die größten Jurten haben einen Durchmesser von neun Metern", sagt Antje Rümenapf. Sie bestehen wie die Originale aus einem Holzgerüst, sind allerdings mit Kunststoff bedeckt und nicht mit Lederhäuten. Ausgekleidet werden sie, wie ihre Steppen-Äquivalente, mit Teppichen und Tüchern, auch an eine Heizmöglichkeit ist gedacht. Sollte das Geld für ein solch großes Modell reichen, könnten je nach Corona-Abstandsverordnung etwa 18 Kinder plus zwei erwachsene Begleitpersonen darin Platz finden und einige Tage dort verbleiben. Was im ersten Augenblick nach Freizeit und Urlaub klingt, soll natürlich auch Spaß und viele soziale Erfahrungen bieten, denn all das können Kinder heutzutage selbst auf dem Land kaum noch eigenständig und ohne Erwachsene erleben. Vor allem aber wird die Jurte ein Schonraum für eine Auszeit vom akuten Alltagsstress sein. Eltern sollen ihren Nachwuchs ohne schlechtes Gewissen für ein paar Tage in der Jurte gut von einer Fachkraft betreut wissen. Gleichzeitig haben die Kinder mal Pause von ihren - nicht selten überforderten - Eltern sowie von den möglicherweise unguten Begleiterscheinungen des Corona-Alltags.
HELFEN SIE MIT!
"Echo hilft!" unterstützt den Förderverein der Grundschule Beerfurth, der eine Jurte für besondere pädagogische Arbeit bauen will. Der Förderverein hat ein "Echo hilft!"-Spendenkonto bei der Volksbank Darmstadt.
Quittungen über die Spenden stellt der jeweilige Verein aus. Bitte vermerken Sie bei Bedarf deshalb im Verwendungszweck Ihre Adresse.
Die Spenden beziehungsweise Spender werden veröffentlicht. Wenn Sie das nicht möchten, vermerken Sie das bitte im Verwendungszweck der Überweisung mit dem Hinweis "anonym". (red)
"Die Jurte macht Natur erlebbar und holt Jungen und Mädchen daheim vom Computer weg", benennt Antje Rümenapf einen der großen Vorzüge dieses geplanten Kinderhotels: "Denn angesichts des Medienmissbrauchs in manchen Familien wollen wir nicht tatenlos zusehen, wie die Kinder kaputtgehen." Wenn die Schulleiterin die Lage in der Gesellschaft betrachtet, deren Probleme in Zeiten der Pandemie wie unter einem Brennglas sichtbar wurden, sieht sie einen akuten Mangel an sozialer Nähe und sagt: "Wir müssen wieder mehr auf Vielfalt setzen, auf Solidarität und Menschlichkeit."
Genutzt werden darf das Kinderhotel deshalb von allen Kindern im Odenwaldkreis, nicht nur von jenen mit häuslichen Problemen. Sanitäre Einrichtungen finden die künftigen Gäste in der Grundschule, auf deren Schulwiese die Jurte sehr wahrscheinlich auch stehen wird. Gekocht wird ebenfalls in der Schule, wo es eine Schülerküche gibt, aber Antje Rümenapf denkt auch an Lagerfeuer und das gute alte Stockbrot.
Da die Grundschule in Beerfurth ohnehin sehr auf Naturpädagogik setzt, schmiegt sich das Jurten-Leben bestens in die grüne Umgebung ein.
Erleben werden die Kinder während ihrer Zeit dort das Element Wasser, denn sie waten in der Gersprenz und besuchen den nahen Fischteich, dessen Pächter über Fische berichtet und Angelvorführungen präsentiert. Außerdem gibt es natürlich das Freibad. Auch erleben die Jungen und Mädchen den Wald und die Erde am Hasenbuckel und damit auch die dort lebenden Tiere. Im Ort selbst gibt es für weitere Exkursionen die Lebkuchenbäcker, die Schokoladenfabrik und den Gäulchesmacher.
Es geht um die Wiederentdeckung der kleinen Dinge, die eigentlich doch ganz groß sind. Und um das Schöpfen neuen Mutes in Zeiten des permanenten Ausnahmezustands. "Einen unverkrampften, angstfreien Alltag haben wir im Moment nicht mehr", sagt Antje Rümenapf. Aber eine Auszeit in der Jurte kann Kinder das alles eine Weile vergessen lassen.