Ein gut gefülltes Haus trug den Reichelsheimer Gremien die Idee ein, die potenzielle Nutzung der Landschaft um die Gemeinde mit Windrädern in einer Bürgerversammlung in der Reichenberghalle zur Diskussion zu stellen. Foto: Kirsten Sundermann
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REICHELSHEIM - Wie sehr das Thema Windkraft im Odenwald zurzeit elektrisiert, zeigte am Donnerstagabend eine Bürgerversammlung in Reichelsheim. Der Vorsitzende der Gemeindevertretung, Jürgen Göttmann, hatte sie auf Wunsch der SPD terminiert und damit unter anderem auf das konkrete Bauvorhaben auf dem Kahlberg beim Nachbarort Weschnitz und die starke Belegung der Umgebung mit Anlagen reagiert, die der Entwurf zum Regionalplan vorsieht. Es kamen rund 200 Interessenten aus dem gesamten Odenwaldkreis, die meisten davon Gegner von Windrädern im Mittelgebirge. Ein großes Banner im Eingangsbereich unterstrich ihre Forderung.
Den Fragen der Bürger stellten sich Landrat Frank Matiaske und Bürgermeister Stefan Lopinsky. Vom ebenfalls eingeladenen Darmstädter Regierungspräsidium fehlte jeglicher Repräsentant. Dafür hatte die Behörde die Mitteilung geschickt, dass zu dem derzeit heftig diskutierten Beteiligungsverfahrens des Sachlichen Teilplans erneuerbare Energien (TPEE) mittlerweile rund 20 000 Stellungnahmen eingegangen sind. Die Auswertung all dieser Erklärungen werde nicht vor Ende des Jahres abgeschlossen sein.
Power-Point-Präsentation von Landrat Matiaske
Landrat Matiaske erläuterte die Situation mit einer Power-Point-Präsentation. Wie vielfach berichtet, beschloss die Bundesrepublik als Konsequenz aus der Fukushima-Atomkatastrophe die Energiewende. Landesbezogen schlägt sich dies in der Zielvorgabe des Landesentwicklungsplans nieder, zwei Prozent der Fläche Hessens für den Bau von Windrädern zur Verfügung zu stellen.
ÄUSSERE EINFLÜSSE
Mögliche äußere Einflüsse auf die Ambitionen zum Bau weiterer Windräder im Odenwald brachte bei der Reichelsheimer Einwohnerversammlung Bürgermeister Stefan Lopinksy zur Sprache. Er erwartet, dass sich das zunächst gewaltige Interesse von Investoren am Bau von Windkraftanlagen bald verlieren wird, da die Einspeise-Vergütungen sinken.
Bereits zum 1. Januar 2017 wurden sie um zehn Prozent zurückgenommen, statt neun Cent gibt es seitdem nur noch 8,1 Cent pro Kilowattstunde. Zum 1. Januar 2018 ist eine erneute Verringerung auf 4,7 bis 5,6 Cent vorgesehen. Darüber hinaus müssen sich Stromanbieter dann regelrecht darum bewerben, ihren Strom anbieten zu dürfen. Der preisgünstigste Anbieter bekommt den Zuschlag. (sun)
Vom Odenwaldkreis verlangt die Regionalplanung deshalb, 21 Standorte mit vier Prozent seiner Fläche bereitzustellen. Als Matiaske daran seine Gegnerschaft zum Ausbau der Windkraft in großem Umfang erklärte, erhielt er dafür viel Beifall. Er könne von seinem Haus in Dorf-Erbach auf die Windräder am Geisberg sehen, so Matiaske. Und da beobachte er, dass diese oft still stehen. Aber: Die Energiewende sei nun einmal offiziell beschlossen, und alle hätten sie gewollt. Nun sei er auch verpflichtet, die sich daraus ergebenden Auflagen und Gesetze umzusetzen und zu respektieren.
Immerhin habe der Kreis versucht gegenzusteuern, weshalb er nun für den Diskussionsprozess über einen – allerdings ungenehmigten – eigenen Flächennutzungsplan (FNP) verfüge, der acht Plätze mit einem Verbrauch von 1,61 Prozent der Kreisfläche vorsehe.
In der Diskussion wollten die meisten Anwesenden von einem weiteren Ausbau der Windkraft-Nutzung im Odenwald überhaupt nichts mehr wissen, auch nicht von der abgespeckten Form der kreisbezogenen Planung.
Windkraftanlagen brächten überhaupt nichts, seien unsozial und Natur zerstörend, meinte etwa Peter Geisinger von „Vernunftkraft Odenwald“. Er forderte „politische Konsequenzen“ und rief dazu auf, bei den kommenden Wahlen nur solche Parteien zu wählen, die sich klar von der Windkraft distanzierten.
Andere Gegner sprachen von mangelnder Windhöffigkeit oder der mangelnden Eignung des Odenwälder Waldbodens für Großanlagen. Weitere Bedenken gelten dem Erscheinungsbild der Landschaft sowie der Reinheit des Odenwälder Quellwassers.
Dass es weiter auch die Haltung gibt, Windräder seien richtig und gehörten auch in den Odenwald, belegte demgegenüber die Stimme eines zwanzigjährigen Reichelsheimer Studenten. Dieser meinte, er werde wohl noch länger als die meisten Anwesenden mit den Folgen des Klimawandels leben müssen und zeigte sich für regenerative Lösungen aufgeschlossen.
Und Siegfried Freihaut, Energiebeauftragter der Stadt Groß-Umstadt und als solcher mit den dortigen Windkraftanlagen auf dem Binselberg gut vertraut, trat der ablehnenden Haltung mit der Aussage entgegen, dass moderne Windkraftanlagen durchaus effektiv Strom produzieren könnten.