Mittwoch,
14.08.2019 - 14:00
4 min
„Windkraft ist nicht wegzudenken“

Von Julia Wetzel
Redakteurin Bergsträßer Echo

Micha Jost (links) und Jürgen Simon sind für Windräder im Odenwald verantwortlich. (Foto: Sascha Lotz)
ODENWALD - Micha Jost von der Energiegenossenschaft Starkenburg und Projektentwickler Jürgen Simon sind für einige der Windräder im Odenwald zuständig. Sie sehen die Vorteile der Windenergie als positiv, vor allem im Mix mit anderen Energieerzeugungsanlagen wie Biogas und Photovoltaik. Außerdem widersprechen sie einem ihrer Kritiker.
Herr Jost, Herr Simon, erläutern Sie uns einmal bitte die Vor- und Nachteile von Windenergie?
Jost: Wir nutzen Biogas, Photovoltaik und Windkraft. Schaut man, wie viel Strom pro Fläche von den verschiedenen Energieerzeugungsanlagen produziert wird, stellt man fest, dass die Windkraft pro Quadratmeter das 20-fache der Photovoltaik erzeugt, auch nachts und im Winter. Es geht um den Mix, da ist Windkraft nicht wegzudenken.
Simon: Das ist möglicherweise eine Übergangstechnologie, die im Moment Sinn macht, die aber, wenn die Menschheit besseres findet, ohne Probleme zurückgenommen werden kann.
Laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sind die CO2-Einsparungen durch Windenergie sehr wohl messbar. Gilt das auch für die Windräder im Odenwald?
ZUR PERSON
Micha Jost ist 58 Jahre alt und Vorstandsmitglied der Energiegenossenschaft Starkenburg in Heppenheim. Die Genossenschaft wurde im Dezember 2010 von 13 Bürgern aus Südhessen gegründet und zählt derzeit 940 Mitglieder.
Jürgen Simon ist 65 Jahre alt und Geschäftsführer von 3P Energieplan GmbH und unter anderem zuständig für die Entwicklung und Planung von Windrädern. (juwe)
Jürgen Simon ist 65 Jahre alt und Geschäftsführer von 3P Energieplan GmbH und unter anderem zuständig für die Entwicklung und Planung von Windrädern. (juwe)
Jost: Der Windpark Greiner Eck produziert 28 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr, das sind jährlich 14 000 Tonnen CO2 weniger.
Simon: Betrachtet man es sachlich, gehen im Zuge der Baumaßnahmen Bäume verloren. Ein Teil kann an Ort und Stelle neu gepflanzt werden. Für den fehlenden Teil muss an anderer Stelle Ersatz geschaffen werden. Wir haben eine Betriebsgenehmigung für 30 Jahre. Danach müssen die Windräder rückstandslos abgebaut, die Fundamente entfernt und der Bereich renaturiert werden. Und wenn man früher bessere Möglichkeiten findet CO2-frei Strom zu produzieren, kommen auch schneller wieder Bäume hin. Es bleibt aber auch festzuhalten, dass die CO2–Einsparungen durch Windkraft ein vielfaches von dem sind, was wir dort an Wald aufgeben mussten.
Wie ist die durchschnittliche Lebensdauer einer solchen Anlage?
Jost: Beispiel Neutscher Höhe: Dort wurde 1994 gebaut und die Anlagen drehen sich immer noch.
Simon: In der Vergangenheit war es so, dass der technologische Fortschritt die Lebensdauer bestimmt hat. Das wird auch in Zukunft so sein, dass viele Windräder wegfallen, weil sie durch eine geringere Anzahl leistungsstärkerer Anlagen ersetzt werden.
Für wie viele Haushalte reicht der produzierte Strom eines Windrads?
Jost: Unsere neueste Anlage erzeugt etwa zehn Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Das reicht für etwa 10 000 Stromsparer. Wir rechnen pro Person mit zirka 1000 Kilowattstunden pro Jahr.
Die Anlagen sollen laut „Ärzte für Immissionsschutz“ durch Infraschall und niedrigfrequenten Schall Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben. Zu welcher Einschätzung gelangen Sie?
Simon: Wenn man diesen Teufel an die Wand malt, dann sieht ihn vielleicht der eine oder andere. Das sind Dinge, die hochgepusht werden. Die Sorge um Infraschall verursacht wahrscheinlich mehr Probleme als der tatsächliche Schall. Bisher ist es so, dass die amtlichen Stellen Entwarnung geben, dass bei den Abständen zu Bebauung der Infraschall keine Rolle spielt.
Wie stichhaltig ist das Argument, Vögel würden durch die Rotorblätter getötet?
Simon: Einer Baugenehmigung gehen umfangreiche Vogel- und Fledermausbeobachtungen sowie Brutkartierungen voraus, die Grundlage ornithologischer Gutachten sind. Anhand dieser Gutachten legt die Genehmigungsbehörde Schutzauflagen fest, die zwingend einzuhalten sind. So müssen etwa in warmen Sommernächten Windräder abgestellt werden. Einer der größten Befürworter der Windenergienutzung ist der BUND, der auch darauf achtet, dass der Natur- und Artenschutz sauber eingehalten wird. Trotzdem ist natürlich nicht auszuschließen, dass ein Tier zu Schaden kommt. Wir können das Risiko nur minimieren.
Welchen Aussagen des Windkraftgegners Peter Geisinger möchten Sie widersprechen? Stichwort Immobilienpreise, Landschaftsbild.
Simon: Was soll ich von Aussagen halten, die ein demokratisch beschlossenes Projekt als „totalitär“ bezeichnen? Damit verlässt der Windkraftgegner, wie leider so oft, die sachliche Basis. Da ich unmittelbar damit befasst war, muss ich auch der falschen Behauptung widersprechen, dass am Greiner Eck aus Zeit- und Kostengründen keine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt worden sei.
Jost: Aus Sicht der Energiegenossenschaft würde ich seiner Vision einer Energieversorgung energisch widersprechen wollen. Die von ihm geforderte innovative Atomkraft wird keine Lösung sein. Dass Windkraft das Landschaftsbild verändert, das lässt sich nicht wegdiskutieren.
Simon: Auch die Auswirkung auf die Immobilienpreise: Am Anfang, wenn so ein Windpark entsteht, gibt es viele Emotionen, dann kann es schon sein, dass es eine Delle gibt. Aber spätestens zwei oder drei Jahre danach hat sich das ausgeglichen.
Wo ist für Sie die Grenze zwischen berechtigter Kritik und Polemik?
Jost: Berechtigte Kritik ist immer Kritik, die auch fundiert ist und auf belastbaren Informationen beruht. Seriöse Quellen sind zum Beispiel Fachbehörden und staatliche Einrichtungen.
Simon: Wenn Kritik fundiert ist und nicht einfach etwas behauptet wird, gehen wir der Sache auch nach und versuchen, bessere Lösungen zu finden.