Am Wochenende ist im baden-württembergischen Neckar-Odenwald-Kreis zum zweiten Mal ein Wolf gesichtet worden. Die Angst unter Schäfern und Landwirten kehrt zurück.
Von Gerhard Grünewald
Redaktionsleiter Odenwälder Echo
Wolf im Odenwald gesichtet. Foto: Hans Oppermann
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MOSBACH/ERBACH - Für den Odenwald beschränkt sich die Rückkehr des Wolfs nicht mehr auf eine Episode. Denn 15 Monate nach dem vorübergehenden Vorkommen eines Exemplares im hessischen Odenwald ist ein Tier derselben Art im baden-württembergischen Teil des Mittelgebirges gesichtet worden. Eingedenk der Weidetierrisse, die es bei der ersten Stippvisite Isegrims in der Region gegeben hat, verfolgen vor allem Schäfer und Landwirte im Odenwaldkreis das jüngste Auftreten Isegrims im angrenzenden Neckar-Odenwald-Kreis mit Argwohn. Positiv wird demgegenüber jedes Zeichen einer verstärkten Wiederausbreitung des Wolfs von Natur- und Artenschützern gesehen.
Im Neckar-Odenwald-Kreis gesehen und gefilmt worden ist der Wolf am Samstag und Sonntag, als er unter anderem an der Bundesstraße 37 zwischen Eberbach und Mosbach unterwegs war. Im Einzelnen liegen Sichtungsmeldungen aus der Nähe von Schwarzach, Binau, Neckargerach und Mosbach vor, die durchweg Zufallsbegegnungen von Passante entstammen. Für den Wildtierbeauftragten des Nachbarkreises, Thilo Sigmund, besteht deshalb aber noch kein Anlass für Unbehagen unter Nutztierhaltern: Es fänden sich aktuell keinerlei Anzeichen, dass der nun festgestellte Wolf zu den Individuen gehöre, die verstärkt Schafe oder Rinder als Beute entdeckt hätten.
„Hinweise auf Tierrisse liegen uns nicht vor“, bekräftigt Sigmund, um hinzuzufügen, dass der Wolf nur insofern Spuren hinterlassen habe, als er eben gefilmt worden sei und etwas Fell abgestreift habe. Auch wenn die gentechnische Untersuchung der Haare noch nicht abgeschlossen ist, bestehen an der Authentizität des Wolfs schon jetzt keine Zweifel.
„Die Videoaufnahmen sind so scharf und eindeutig, dass für die damit befassten Wissenschaftler der Forstlichen Versuchs und Forschungsanstalt in Freiburg kein Zweifel blieb: Es handelt sich um einen C-1-Fall“, erklärt Sigmund unter Verwendung der wissenschaftlich gängigen Bezeichnung, die Hinweise auf Tierarten in drei Kategorien einteilt. Während C3 dabei für einen nicht zu sichernden Eindruck steht, bezeichnet die Stufe 1 einen mit harten Fakten begründeten Nachweis. Die genetische Analyse der Haare behält für Behörden und Wissenschaftlern dennoch Bedeutung, weil sie Aufschlüsse über Herkunft und Verwandtschaftsbeziehungen des Tiers gibt. Sollte der Wolf schon andernorts Spuren hinterlassen haben, geben sie seinen eventuellen seitherigen Standort und Wanderbewegungen preis. Zumindest lässt sich das Exemplar über die Analyse einer der beiden heutigen Ausgangspopulationen zuordnen: dem alpinen oder dem osteuropäischen Wolf. Aus beiden Richtungen kommt es zurzeit zu einer Rückverbreitung in Regionen Deutschlands, wo der Wolf mindestens 150 Jahre nicht mehr vorkam.
Ausrottung und Wiederkehr
. Als im Odenwald ausgestorben galt der Wolf seit 1866. Im März jenes Jahres hatten Jäger beim baden-württembergischen Wagenschwend unweit der hessischen Grenze das letzte Tier aufgestöbert, um es zwei Tage lang zu verfolgen und in der Wolfsschlucht zwischen Zwingenberg und Dielbach zu erlegen. Dieses für die damalige Zeit intensiv dokumentierte Ende des letzten Wolfs der Ausgangspopulation bedeutete für die Tierart im Odenwald gut 150 Jahre lang das Aus. Erstmals wieder festgestellt wurde ein – später nachweislich nur durchziehendes – Exemplar im November 2017. (gg)
Für den Vorsitzenden des Odenwälder Schäfervereins, Bernd Keller, hätte das auch so bleiben dürfen. „Nun aber liegen die Tatsachen anders und lassen für mich keinen Zweifel: Wir werden den Wolf nicht mehr los“, sagte Keller dem ECHO. Seit Bekanntwerden der Wolfssichtungen in der Nachbarschaft häuften sich besorgte Reaktionen Odenwälder Weidetierhalter. „Das zeigt sich sowohl in Anrufen als auch in Kontakten über die sozialen Medien“, sagt Keller. In Anbetracht dessen nutze er alle Kanäle, um gegen Anzeichen von Panik, aber für angemessene Vorsichtsmaßnahmen zu plädieren. „Vor allem müssen sie auf die Einhaltung der Umzäunungs-Richtwerte achten, also eine 90 Zentimeter hohe Elektro-Vergatterung mit 3000 Volt Strom“, so Keller.
In erster Linie gehe es seinen Berufskollegen und ihm um die Unversehrtheit ihrer Tiere. Wenn die aber nicht zu gewährleisten sei, komme es darauf an, genau dies der Politik nachweisen zu können. „Nur so werden wir in Hessen zu dem dringend notwendigen Wolfsmanagement kommen“, so Keller. Da sich die Schäfer im Land ohnehin schon in existenzieller Not befänden, könne jede weitere Belastung das Ende des Genres bedeuten. „Deshalb muss sichergestellt werden, dass Wolfsschäden hundertprozentig und unbürokratisch entschädigt werden“, fordert Keller.