Wenn die Post die Milch bringt
EDEKA HIER, REWE DORT VORN
Der deutsche Lebensmittelhandel hat seinen Umsatz 2017 um 2,2 Prozent auf 242,1 Milliarden Euro erhöht. Das geht aus einer Nielsen-Marktstudie hervor. Die fünf Top-Unternehmen halten einen Marktanteil von 74,8 Prozent. Edeka war erneut Spitzenreiter mit einem Umsatz von 56,5 Milliarden Euro und 23,3 Prozent Marktanteil. Dahinter folgt Rewe mit 42,6 Milliarden / 17,6 Prozent. Die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) belegt Platz drei mit 38,6 Milliarden vor Aldi mit 29,7 Milliarden Euro. Rewe ist Marktführer im Online-Geschäft mit Lebensmitteln vor Amazon Fresh und Allyouneedfresh von der Post.
DARMSTADT/BUCHEN - Lebensmittel aus dem Internet - hierzulande ist das nicht der Renner. Auf dem Milliardenmarkt liegt der Onlineanteil geschätzt bei ein bis zwei Prozent. Zugleich steigt die Zahl weißer Flecken, dort wo es nichts mehr zu kaufen gibt, weil der letzte Bäcker, Metzger oder Tante Emma-Laden zugemacht hat. Denn viele ziehen in die Stadt, dort wo die gut bezahlten Jobs sind. Landflucht statt Landliebe, selbst wenn es eine kleine Gegenbewegung gibt.
Das Nachsehen haben oft ältere Menschen, solche, die nicht mehr mobil sind. In diese Lücke geht nun die Deutsche Post, die mit ihrer flächendeckenden Logistik beste Voraussetzungen hat, daraus ein rentables Geschäftsmodell zu kreieren. Zumindest wenn der aktuelle Testlauf in zwei Gemeinden im Landkreis Hof und einer im Odenwald auf entsprechende Resonanz stößt.
Bis Ende November können die Bewohner von Buchen mit 13 Teilorten auf 139 Quadratkilometer Fläche durch ihr Kaufverhalten darüber "abstimmen." Rund 18 000 Menschen sind das insgesamt, im kleinsten Ortsteil 85.
Die Brötchen kommen vom örtlichen Bäcker
Wie es angelaufen ist, dazu wollte sich die Post gestern noch nicht äußern. Nur so viel: "Es gibt noch Luft nach oben." Manche Werbung verpufft, mancher Gutschein bleibt ungenutzt. Aufgrund der Befristung halten viele natürlich daran fest, einmal pro Woche beispielsweise mit dem Enkel zum Discounter zu fahren, heißt es. Andere testen das neue Angebot. Aber man wolle ja auch mit den Extra-Fahrzeugen und Extra-Kräften die Abläufe prüfen, so ein Firmensprecher. So kommen beispielsweise die bestellten Brötchen vom Bäcker aus der Nachbarschaft.
Ob das auch interessant für den hessischen Odenwald ist? Frank Matiaske (SPD), seit 2015 Landrat des Odenwaldkreises, auf Anfrage: "Es gibt generell eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Odenwaldkreis und den beiden Nachbarlandkreisen Neckar-Odenwald und Miltenberg. Das Post-Pilotprojekt soll Gegenstand eines der nächsten Drei-Landräte-Treffen werden." Von den zwölf Kommunen im Odenwaldkreis hat zwar jede noch irgendwo einen Laden. Allerdings nützt das den abgelegenen größeren Ortsteilen nichts.
Sein Kollege Dr. Achim Brötel (CDU, Neckar-Odenwald-Kreis) zeigte sich schon beim Start Mitte September angetan: "Das Projekt passt gut in den Neckar-Odenwald-Kreis, der von langen Anfahrtswegen geprägt ist und in dem relativ viele Senioren leben."
Ob "Meine Landpost" indes auf Dauer funktioniert, wagt das Handelsinstitut EHI zu bezweifeln. "Wirklich rechnen kann sich das eigentlich nur, wenn gleichzeitig mit dem Fahrzeug auch die Post ausgetragen wird und der Briefträger sowieso seine Tour fährt", so Sascha Berens, Experte für Lebensmittel-Onlinehandel. Zudem treiben Frischwaren und Tiefkühlprodukte die Logistikkosten, so die Berater von PwC.
Die Post will mit dem neuen Service "zur Stärkung der Versorgung im ländlichen Raum" beitragen, was sich wie ein politischer Auftrag aus Berlin anhört. Dass so bestehende Strukturen besser ausgelastet werden, das steht dahinter.
Bestellt werden kann der Liter Milch oder das Brot, Eier, Weizenbier oder die Salami telefonisch, per App für Smartphone-Eigner oder mit einem Buzzer, der vom gelben Riesen gratis zur Verfügung gestellt wird. Geliefert wird noch am Tag der Bestellung oder an einem Wunschtag zwischen 8 und 20 Uhr von Montag bis Samstag. Anfahrtkosten gibt es keine, auch keinen Mindestbestellwert, wenn das gelbe Elektrofahrzeug vorrollt. Rund 100 Produkte umfasst das Sortiment, das von der E-Commerce-Tochter der Post bezogen wird, von Allyouneedfresh. Preislich liege man auf dem Niveau der Supermärkte, heißt es. Und was nicht im Wagen vorrätig oder bereits vergriffen ist, könne auch auf dem Postweg zugestellt werden. Ab 20 Euro Einkaufswert können auch 200 Euro am Tag in bar ausgezahlt werden - also spielt die Post zugleich Bank. Frankierte Briefe und Pakete werden auch angenommen, Brief- und Paketmarken verkauft. Sogar Einschreiben sind möglich. Wettbewerber wie Rewe oder Amazon Fresh konzentrieren ihre Aktivitäten unterdessen aus Kostengründen noch auf Ballungsräume, weil die Streckendichte das A und O ist.