Brennende Häuser oder Scheunen. Wenn Brandstifter zündeln, geht die Angst um. Was treibt sie zu ihren Taten?
Von Sabine Richter
Lokalredakteurin Odenwälder Echo
Foto: Ernst Schmecker
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ODENWALDKREIS - Eine seltsame Besessenheit plagt Menschen, die etwas Großes in Flammen aufgehen lassen und zuschauen, wie es niederbrennt. Feuerteufel sind heimliche Wesen, die eine Nacht lichterloh erhellen, aber selbst im Dunkeln bleiben. Was sie hinterlassen: Schutt, Asche - und verängstigte Mitmenschen.
In Dieburg geht im April ein Wohnwagen in Flammen auf, und die Polizei stellt fest, dass ein Zündler am Werk war. Im Odenwaldkreis haben sich die Feuer vom vergangenen Sommer ins Gedächtnis gebrannt, als in Ober-Mossau und Hetzbach Holzstapel und landwirtschaftliche Gebäude vernichtet wurden. Eine latente Angst, dass es wieder losgehen könnte, lässt die Bewohner bis heute nicht los, denn die Täter laufen noch frei herum: "Für den Hetzbacher Fall haben wir einen Beschuldigten gehabt, für Ober-Mossau nicht", sagt Kathy Rosenberger vom Polizeipräsidium Südhessen. Allerdings musste der Verdächtige aus der Oberzent wieder freigelassen werden: "Es gab keinen hinreichenden Tatverdacht", sagt Oberstaatsanwalt Robert Hartmann, Sprecher der Staatsanwaltschaft in Darmstadt.
Brüderpaar zündeltin mindestens 32 Fällen
Sein Gesicht zeigen musste hingegen ein Zündler, den die Polizei 2011 ans Licht holte: In den vier Jahren davor hatten er und sein Bruder mindestens 32 Brände gelegt, dabei 19 Menschen verletzt und einen Schaden von 1,5 Millionen Euro verursacht. Fast wöchentlich brannte es im Raum Erbach/Michelstadt, manchmal zweimal an einem Tag. Jeder Hausbesitzer stellte sich die bange Frage: Wann wird unsere Scheune abbrennen?, Wann die Garage? Auch die Feuerwehr verharrte zwischen 2007 und 2011 in besonderer Alarmbereitschaft, sagt der Erbacher Stadtbrandinspektor Jürgen Volk. Es brannte ja häufig am Wochenende, berichtet er, "da traute man sich ja kaum noch, bei einem Sommerfest ein Bier zu trinken".
Groß war dann die Erleichterung, als die Täter gefasst und bald darauf zu sieben Jahren und neun Monaten Haft verurteilt wurden. Oberstaatsanwalt Hartmann berichtet, dass die Brüder zum Zeitpunkt der Festnahme 26 und 31 Jahre alt waren. Doch sind sie besessen? Ein Suchtcharakter ist nicht zu übersehen. Und es sind Männer - das ist typisch für Brandstifter, wie eine Psychologin des Zentralen Polizeipsychologischen Dienstes der Polizei Hessen sagt. Die Fachfrau will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, daher nennen wir sie Stefanie Müller. Männer, das weiß sie, sind unter den Kriminellen generell überrepräsentiert. Das hat hormonelle und auch evolutionsbiologische Gründe. Heute liefert dies eine Erklärung, weshalb sie häufiger zu Straftaten neigen als Frauen - und damit zu Delikten wie dem Feuerlegen.
In Ober-Mossau brannte es im August 2017 an zwei Tagen dreimal. Eines Abends loderte ein Holzstapel in einem früheren Schweinestall, der als Lagergebäude genutzt wurde. Aber Anwohner entdeckten das Feuer glücklicherweise schnell und konnten es selbst löschen. Schon kurz davor hatten schließlich im selben Viertel Ober-Mossaus zwei ausrangierte Scheunen in Flammen gestanden. Das Polizeipräsidium geht von Brandstiftung aus - gefunden wurden statt des Täters selbst immerhin einige Spuren: Vermutlich wurden Grillanzünder aufs Holz gelegt. "Normalerweise ist eine Brandermittlung schwierig", sagt Kathy Rosenberger, "denn die Spuren verbrennen".
Ebenfalls an Holzstapeln begann die Zündelei des Brüderpaars in Erbach und Michelstadt einige Jahre zuvor, später wandten sich die beiden größeren Objekten zu. Warum sie überhaupt je damit angefangen haben, bleibt selbst für die Polizeipsychologin rätselhaft: "Motive von Brandstiftern sind so vielfältig, wie es Menschen gibt", sagt Stefanie Müller. Sie kennt rein rationale, zweckgerichtete Beweggründe wie den, dass häufige Einsätze der Feuerwehr eine bessere Ausrüstung bescheren könnten. Andere Motive sind Rache, Bereicherung oder Verdunkelung bis hin zu Sensationsbedürfnis oder Geltungsstreben. "Einen charakteristischen Brandstiftertyp", sagt sie, "den gibt es nicht". Auch nicht im Odenwald. "Stattdessen haben wir bei Zündlern die ganze Bandbreite der Emotionen", ergänzt Kathy Rosenberger.
Wut und Enttäuschung können eine Rolle spielen
Auch bei dem Brüderpaar ist die Motivlage diffus. Wut oder Enttäuschung könnten eine Rolle gespielt haben. Fest steht jedoch: Ihre Ziele haben sich die Brüder willkürlich ausgesucht, sagte der zuständige Kriminalhauptkommissar nach deren Festnahme. Oft haben sie in Kellern offenstehender Mehrfamilienhäuser Hausrat und Sperrmüll angezündet. Nach ihrem Geständnis zeigten sich die Brüder sichtlich betroffen, dass ihretwegen Menschen gefährdet wurden. Beide gaben an, sie hätten niemanden verletzen wollen.
Einer Feuerwehr gehörten sie entgegen dem verbreiteten Vorurteil nicht an. Und auch nach Informationen der Polizei-Psychologin ist der Anteil von Feuerwehr-Mitgliedern unter den Brandstiftern weit geringer, als es häufig den Anschein hat. Stadtbrandinspektor Volk räumt aber ein, dass für die Hälfte der aufgeklärten Brandstiftungen Feuerwehrleute in Frage kommen. "Die waren dann oft als Erste am Brandort", berichtet er. Oder sie standen bei den Schaulustigen in der vorderen Reihe.
Viele Feuerteufel können nicht aufhören. Was die Frage aufwirft: Wird es nach dem Brand von Ober-Mossau weitergehen? War hier ein Pyromane am Werk, also ein pathologischer Zündler, psychisch Kranker, der süchtig besessen ist? Psychologin Müller erläutert, dass manche dieser Täter tatsächlich eine "affektive Erregung vor der Handlung sowie eine Befriedigung beziehungsweise Entspannung beim Feuerlegen, Zuschauen oder Beteiligtsein" erlebten. "In der Regel aber sind die Handlungen von Brandstiftern schlicht krimineller Art."
Das Strafmaß für "einfache Brandstiftung" liegt bei einem bis zehn Jahren Haft, was "ein großes Fenster" ist, wie Oberstaatsanwalt Hartmann erklärt. Viele Faktoren beeinflussen die Verurteilung, beispielsweise Vorstrafen, der Wert der verbrannten Güter, die Motivlage und natürlich die Frage, ob ein Mensch gefährdet wurde.
Dann könne bald von "schwerer Brandstiftung" die Rede sein, die mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werde. In jedem Fall aber gilt Brandstiftung als ein feiges Vergehen, wird es doch immer im Schutz der Nacht begangen, dann, wenn die Täter unsichtbar sind, aber das Feuer lichterloh lodert.