Vereinsvorsitzender Bernd Keller befürchtet, dass Odenwälder Schäfer verstärkt aufgeben
Der Odenwälder Schäferverein fürchtet, dass die Rückkehr des Wolfs zu einem weiteren Rückgang der Schafhaltung führen wird. Die Konfrontation mit Angriffen auf ihre Herden könne ohnehin schon vielfach belasteten Hobby- und Nebenerwerbs-Schäfer bewegen, ihre Tierhaltungen aufzugeben.
Von Manfred Giebenhain
In eine ungewisse Zukunft gehen sieht Schäfer Bernd Keller (hier mit seiner Herde auf dem Weg zum Stall bei Rehbach) die Schafhaltung im Odenwald. Foto: Martina Kaffenberger
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ODENWALDKREIS - Der Odenwälder Schäferverein fürchtet, dass die Rückkehr des Wolfs zu einem weiteren Rückgang der Schafhaltung führen wird. Die Konfrontation mit Angriffen auf ihre Herden könne ohnehin schon vielfach belasteten Hobby- und Nebenerwerbs-Schäfer bewegen, ihre Tierhaltungen aufzugeben. So jedenfalls hat sich nun Vereinsvorsitzender Bernd Keller (Rehbach) in einem ECHO-Gespräch geäußert. Wie berichtet, ist seit der Ablichtung eines Wolfs vorige Woche in Waldmichelbach klar, dass der Beutegreifer zurück in der Region ist.
Dabei ist das Schäferdasein laut Keller ohnehin alles andere als idyllische Landromantik. Es rumort schon länger unter den Schafhalten, was erstmals beim Kommersabend anlässlich des Jubiläums des Schäfervereins vor knapp einem Jahr in Langenbrombach deutlich geworden ist. "Die Weidetierhaltung und hier insbesondere die Schafhaltung ist für die Schäfer immer schwieriger zu bewältigen", fasst Keller zusammen. Damit stimmt er in die Warnung ein, die im Oktober der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Landesschafzuchtverbände und Vorsitzende des Landesverbands von Baden-Württemberg, Alfons Gimber, auf dem Kommersabend ausgesprochen hat: "Bundesweit gehen die Schaf-Zahlen weiter zurück."
Als Gründe führte der Funktionär bürokratische Vorgaben aus Brüssel wie die zur Ohrmarkierung oder unverhältnismäßige Auflagen für die Haltung der Hütehunde auf. Nun komme in immer mehr Regionen die Ausbreitung des Wolfs hinzu.
==Schafhaltung im Odenwald==
Nach Angaben des Schäfervereins für die Region werden im Odenwald zurzeit etwa 6500 Schafe gehalten. Um 1850 betrug der Bestand noch etwa 13.000 Exemplare. Ein weiterer Rückgang der Zahl von Herden und Tieren gilt deshalb als problematisch, weil Schafen ein hoher Wert in der Landschaftspflege beigemessen wird: Sie grasen Flächen ab, die ansonsten landwirtschaftlich nicht mehr genutzt werden, und verhindern so eine Verbuschung, mit der die klassische Odenwälder Kulturlandschaft mit ihren offenen Wiesen und Auen zurückgedrängt wird. (gg)
==Kommentar: "Respekt gefragt" von Gerhard Grünewald==
Allein dem Zufall ist es geschuldet, dass Südhessens erster Wolf seit 150 Jahren im Kreis Bergstraße fotografiert wurde. Denn wenn ein von Natur aus umherstreifendes Tier im Einzugsgebiet von Waldmichelbach unterwegs ist, dann hält es sich genauso gut in Rothenberg oder Beerfelden auf.
Mithin ist es im gesamten geografischen Odenwald niemanden zu verdenken, wenn er sich mit der Rückkehr des Wolfes auseinandersetzt - im Gegenteil: Die Thematisierung dieser Veränderung des Lebensraums darf, ja muss sogar erwartet werden, sodass der Schäferverein mit seiner Positionierung erst einmal Richtiges und Wichtiges tut. Seine Warnung vor einem weiteren Rückgang der Schafhaltung und deren Folgen ist dabei ebenso wenig leichtfertig von der Hand zu weisen wie etwa die Angst des einen oder anderen Touristikers vor Auswirkungen auf den Wanderbetrieb.
Andererseits machen Naturschützer mit Recht darauf aufmerksam, dass die Präsenz eines zuvor verschwundenen Wildtiers doch die beste Werbung für den ökologischen Wert einer Region sei. Doch sie begrüßen ihn nicht nur als biologische Bereicherung, sondern auch als Kreatur per se. Genau der Respekt davor ist es, der alle weiteren Überlegungen leiten und vorschnelles Handeln verbieten muss.
Was ärgert Keller besonders? "Die kleinen Betriebe werden in der Politik gemeinhin als Hobbybetrieb mit dem Hinweis abgestempelt, dass ein Hobby nun mal Geld kostet", kritisiert der Vorsitzende, aus der Leidenschaft zu diesem Tier die Probleme herunterzuspielen. "Wer aber würdigt den Beitrag der Schafshaltung für die Landschaftspflege?" Getoppt werde diese Diskrepanz vom Verhalten der zuständigen Behörden vor Ort: "Veterinärämter verlangen Unterstände, die von den Naturschutzbehörden rigoros abgelehnt werden", so Keller im ECHO-Gespräch. Von Ermessensspielräumen könne keine Rede sein. "Es wird alles verboten."
Auf der anderen Seite stellt Keller ein "ungewöhnliches Desinteresse an der Ausbreitung des Wolfs" fest, "der sich unkontrolliert vermehren darf". Die Schäfer wiederum dürften nichts dagegen unternehmen. Keller wirft den Behörden vor, Schafshalter als Erfahrungsfeld für die Folgen der Veränderung des Biotops zu missbrauchen. Entgegen offiziellen Aussagen sei es auch in wald- und wildreichen Gebieten in Deutschland zu hohen Wolfsübergriffen auf Nutztiere gekommen. Das habe unlängst bei einer Veranstaltung in Fränkisch-Crumbach sogar ein Referent der Naturschutzakademie eingeräumt.
"Die Wolfsmanagementpläne halten nicht das, was sie versprechen", warnt Keller vor Verhältnissen wie in anderen europäischen Ländern. Man möge es belächeln, aber so weit soll es in Deutschland nicht kommen, fordert er zum Handeln auf. In Rumänien würden Schäfer nachts am Lagerfeuer mit Herdenschutzhunden und Gewehren Wache halten.