Schäfer im Odenwaldkreis ratlos: Die meisten erhalten vorerst kein Geld für den Schutz der Herden
Auf die Landwirte im Odenwaldkreis, deren Schafe und eine Ziege von einem Wolf gerissen wurden, wartet die nächste unschöne Nachricht: Wenn sie beim Land Hessen Fördermittel für den Herdenschutz beantragen möchten, gehen fast alle 250 Schafhalter im Odenwaldkreis leer aus.
Von Sabine Richter
Obwohl ein Wolf mehrere Schafe und eine Ziege gerissen hat, können Odenwälder Schäfer nicht auf Fördermittel des Landes Hessen für den Herdenschutz rechnen. Die Wolf-Sachverständige Raina Keßler hat die Tiere bei Hüttenthal untersucht. Archivfoto: Dieter Berlieb
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ODENWALDKREIS - Nachdem ein Wolf an verschiedenen Stellen im Odenwaldkreis Schafe und eine Ziege gerissen hat, erleben die geschädigten Landwirte jetzt die nächste unschöne Überraschung: Wenn sie beim Land Hessen Fördermittel für den Herdenschutz beantragen möchten, also für den Erwerb von Elektrozäunen oder auch Hütehunden, gehen fast alle 250 Schafhalter im Odenwaldkreis leer aus. Denn Zuschüsse sind derzeit nur dann möglich, wenn die Herden auf Flächen weiden, die von besonderer Bedeutung für den Naturschutz sind, sagt Mischa Brüssel de Laskay, Sprecher des Hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Das heißt, lediglich dort, wo eine Schaf- und Ziegenhaltung aus naturschutzfachlichen Gründen als einzige Form der Bewirtschaftung zulässig ist, oder wo diese Tierhaltung zum Erhalt der Landschaft zwingend erforderlich ist, bekommen Tierhalter auch finanzielle Hilfen für den Schutz vor dem Wolf.
Im Odenwaldkreis darf lediglich ein Schäfer auf Geld aus diesem Topf hoffen; die zu erwartende Summe sei mit 51,27 Euro aber eher gering, sagt Schäfer-Meister Bernd Keller, der seine Herde bei Rehbach grasen lässt. Er und viele seiner Kollegen lassen ihre Tiere nun im Stall. "Mit der Weidehaltung, die von Tierfreunden gefordert wird, ist es vielleicht vorbei", sagt Keller.
Das Umweltministerium prüft derzeit, wie die förderwürdige "Gebietskulisse" ohne unnötigen Aufwand und bürokratische Hürden erweitert werden kann. Beabsichtigt ist zudem, die Höhe der Fördermittel kurzfristig ab 2018 deutlich aufzustocken. "Da es in Hessen bisher zu keinem nennenswerten Aufeinandertreffen von Wölfen und Nutztieren gekommen ist, war diese Vorgehensweise ausreichend. Die Situation ist jetzt eine andere und bedarf einer Umstellung", erläutert Brüssel de Laskay. Das Umweltministerium prüfe daher, wie eine Ausweitung der förderfähigen Investitionen und/oder Zusatzaufwendungen über laufende Agrarumweltprogramme erreicht werden können.
WAS IST GEPLANT?
Die Unterstützung des Landes Hessen für den Herdenschutz umfasst derzeit nicht die vollständige Finanzierung ganzer Zaunanlagen. Angedacht sind vielmehr Hilfen, damit die Einzäunung wirksamer wird.
Nach Auffassung des Hessischen Umweltministeriums ist der Tierhalter verpflichtet, seine Herde gegen einen Ausbruch und auch vor Einbruch eines Beutegreifers zu schützen. Im vorliegenden Fall der Wolfsrisse im Odenwald könne in keinem Fall von einem wirksamen Schutz der Herde gesprochen werden, teilt das Ministerium mit.
Wolfsrisse werden derzeit in Hessen nicht entschädigt
Das alles reicht Bernd Keller nicht. An die Landesregierung richtet er die Forderung: "Wer den Wolf haben will, soll auch für ihn bezahlen."
Wolfsrisse werden derzeit in Hessen nicht entschädigt. Das Land prüfe aber entsprechende Möglichkeiten, so Brüssel de Laskay. "In den vorliegenden Fällen im Odenwald gestaltet sich eine Rissentschädigung aber schon deshalb schwierig, da die jeweiligen Herden eben nicht wirksam durch einen Elektrozaun geschützt waren", fügt er hinzu. Ein Bejagen des Wolfes lehnen Politik und Naturschützer ab, denn dieses Tier ist streng geschützt.
Martina Limprecht, Vorsitzende des Odenwälder Nabu-Kreisverbands, würde es indes begrüßen, wenn auch mal die positive Rolle des Wolfes beleuchtet würde. Sie verweist darauf, dass diese Tiere ein natürlicher Teil des Ökosystems sind und als "wertvolles Glied in der Nahrungskette, als Regulator in einem überhöhten Wildbestand in unseren Wäldern" gelten. Nicht zuletzt seien Wölfe wichtig für die natürliche Waldverjüngung, "die in vielen Bereichen nur noch möglich ist, wenn man den Jungwald einzäunt".
Herausforderung Wolf meistern
Der Naturschutzverband bemühe sich seit Jahren um Aufklärung mit Aktionen wie "Willkommen Wolf" oder mit der Gründung der "Schnellen Eingreiftruppe", die betroffene Schäfer bei der Sicherung ihrer Tiere unterstützen kann. Limprecht stört sich ausdrücklich daran, dass "der Wolf so schnell zum Opfer einer aufgebrachten und instrumentalisierten Öffentlichkeit wird. Hier spielt man mit dem fragilen Versuch der Natur, in ein Gleichgewicht zurückzufinden". Sie befürchtet, dass mit einer Stimmungsmache gegen den Wolf der Wille zur Biodiversität "zu einer Gartencenter-Mentalität degradiert wird, bei der wir uns den Luxus erlauben, uns die Arten auszusuchen, die hübsch, bequem und niedlich sind, und vor allem keine Umstände machen."
Ihr Aufruf: Die Odenwälder sollten die Chance nutzen und zeigen, dass sie gemeinsam in der Lage sind, die Herausforderung Wolf zu meistern und das Thema Artensterben und Biodiversität in ihrer ganzen Bandbreite ernst nehmen.