Odenwaldkreis will Regionalplan durch eigene Vorgaben ersetzen
Von Gerhard Grünewald
Redaktionsleiter Odenwälder Echo
Wie viele Masten und Flügel der Odenwald verträgt, ist Gegenstand eines Planungsstreits zwischen den Kommunen einerseits sowie Regionalversammlung und Regierungspräsidium andererseits (hier der Sportplatz Arena auf Günterfürst, dessen Kulisse sich mit dem Bau der Windräder auf dem Geisberg verändert hat). Archivfoto: Guido Schiek
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ODENWALDKREIS - Die 15 Städte und Gemeinden des Odenwaldkreises nutzen die vorschriftsgemäße Beteiligung am Regionalplan zur Erschließung Erneuerbarer Energien zu einem weiteren Anlauf, ihren eigenen Vorstellungen zur Belegung der Region mit Windrädern zu Gesetzeskraft zu verhelfen. So jedenfalls ist die Stellungnahme der Kommunen angelegt, die nun per Präsentation auch den Bau- und den Umweltausschuss des Kreistags passiert hat und damit fristgemäß an Regierungspräsidium und Regionalversammlung adressiert werden kann. Die obere Planungsebene wird damit ein eindeutiges Veto gegen die Vorgaben der Regionalplanung für den Odenwaldkreis erreichen.
Den Ausarbeitungen des Büros Sliwka (Büttelborn) zufolge wollen die Städte und Gemeinden des Odenwaldkreises das von der Regionalversammlung gutgeheißene Programm zur Belegung des Odenwaldkreises mit Windrädern durch die Aussagen ihres eigenen Flächennutzungsplans ersetzt sehen, die dem Windräder-Bau deutlich weniger Platz einräumt. Die Kommunen haben ihr Vorgabeverfahren bereits 2015 zum Abschluss gebracht, ohne dass dieses die beabsichtigte Wirkung erlangt hätte. Dafür wäre die Genehmigung durch das Regierungspräsidium erforderlich, das die Behörde verweigert hat. Seither stehen sich beide Seiten in einer gerichtlichen Auseinandersetzung gegenüber.
Deutliche Bekräftigung des Gegenentwurfs
Analog zu diesem schwebenden Verfahren nutzten in den vergangenen Wochen die Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen im Odenwaldkreis allesamt die zweite Offenlage der Regionalplanung, um ihren Gegenentwurf zu bekräftigen. Dies geschah durchweg mit breiten Mehrheiten, wobei sich in Gegenstimmen jene Strömung artikulierte, der auch die im Flächennutzungsplan der Kreisgemeinden vorgesehene Bebauung der Odenwald-Höhenzüge zu weit geht. Auch im Hinblick darauf nahmen sowohl Landrat Frank Matiaske als auch Bürgermeister Uwe Olt (Lützelbach) für die Kreiskommunen die Vorstellung der Stellungnahme in den Ausschüssen zum Anlass, um die Überzeugung der politischen Mehrheit vom Wert der eigenen Flächennutzungsplanung zu bekräftigen.
DIE SZENARIEN
Während die Regionalplanung dem Odenwaldkreis 21 Standorte für Windräder mit insgesamt gut 2400 Hektar Fläche abverlangen will, ist die Flächennutzungsplanung des Kreises zur Bereitstellung von acht Standorten mit 1000 Hektar Fläche bereit.
Als Baugebiete für Windräder genannt werden schließlich neben den bereits genutzten Gebieten Hainhaus (hier ist ein weiterer Ausbau vorgesehen) bei Vielbrunn und Geisberg bei Unter-Mossau auch noch die Gemarkungen Felgenwald bei Vielbrunn (zwei Flächen), Mies bei Würzberg, Sensbacher Höhe zwischen Beerfelden und Sensbachal, Finkenberg bei Finkenbach und Hoschbachshöhe bei Ober-Mossau. (gg)
Demnach handelt es sich bei der eigenständigen Ausweisung von Standorten nicht um eine Einladung an die Windräder-Projektierer, sondern um die einzige Chance, deren Vordringen zu begrenzen und zu steuern. Dazu verwies Matiaske auf die Privilegierung per Bundesgesetz, nach der Windkraftanlagen in der Natur grundsätzlich zulässig sind. Insofern stecke auch in der Regionalplanung der positive Ansatz einer Beeinflussung der Bautätigkeit. Zur Veränderung der darin noch erkennbaren zu starken Belastung des Odenwaldkreises biete der Flächennutzungsplan der Städte und Gemeinden den bestmöglichen Ansatz. In Frage stellten diese Lesart vor allem Moritz Promny (FDP) und Georg Raab (ÜWG), die auf die politische Dimension der Angelegenheit hinwiesen: Maßgeblich für den Zwang zur Freigabe einer bestimmten Flächengröße seien Entscheidungen von Bund und Land, die aber genau so gut rückgängig gemacht werden könnten. Hier den entsprechenden Druck auszuüben, sei deshalb der einzig geeignete Weg, die Interessen des Kreises zu wahren.
Zur Gewichtung solcher Meinungsunterschiede per Abstimmung kam es allerdings nicht, weil der Kreis in Flächennutzungsplanung und Beteiligung am Regionalplan lediglich das Handeln der Städte und Gemeinden flankiert. Mit dieser Begründung war die Betrachtung des Statements auch vom Kreistag an die Ausschüsse delegiert worden. Zudem soll durch den Verzicht auf eine politische Komponente die fachliche Stärke der Stellungnahme unterstrichen werden, die das Planungsbüro Sliwka erarbeitet hat.
Mit der Planungsgemeinschaft der Odenwaldkreis-Kommunen ist das Büttelborner Büro davon überzeugt, dass seine Flächennutzungsplanung den Entwurf des Regionalplans an Aussagekraft übertrifft. Deshalb gehen beide davon aus, die Rechtsgültigkeit ihrer Vorgaben entweder durch Aufnahme in das übergeordnete Programm oder per Gerichtsentscheid zu erreichen. Als umfassende Begründung dafür legte Andrea Slikwka in der jüngsten Ausschusssitzung auf Kreisebene ihre Präsentation der Stellungnahme zum Regionalplan an.
Quintessenz: Sowohl die Begutachtungen als auch die Einhaltung der Beteiligungskriterien erfüllten alle Anforderungen, die an eine Planung dieser Art gestellt werden könnten. Der Entwurf des Regionalplans hingegen lege nur ein grobes Raster an, dessen Verfeinerung durch die genauere Flächennutzungsplanung geradezu zwingend erforderlich sei. Neben dieser rein technokratischen Argumentation bedienen sich Sliwka und ihre Auftraggeber aber auch wertender Einordnungen. So heißt es in ihrer Stellungnahme: "Die 21 Vorrangflächen innerhalb des Kreisgebiets führen zu einer zu starken technischen Überformung der Odenwaldkreisfläche". Wenn der Kreis rund vier Prozent seiner Fläche für die Windkraftnutzung einbringen solle, dann werde er "mit 200 Prozent gegenüber dem Zwei-Prozent-Ziel des Landesentwicklungsplans sowie des Durchschnitts in der Planungsregion Südhessen überbelastet".
Dies gilt nach Überzeugung der Städte und Gemeinden vor allem im Hinblick darauf, dass sie wie der Ballungsraum die "regional, überregional und national bedeutenden Naherholungsfunktion" des Odenwalds brauchen. Der Wert hier aber stehe "in untrennbarer Korrespondenz mit dem Schutzgut Landschaft und Landschaftsbild".