Mittwoch,
13.02.2019 - 16:29
3 min
Entsetzen über verwahrlosten Hund im Odenwaldkreis
Von Sabine Richter

Mirles Anblick ist erbarmungswürdig: Schwarze Kruste bedeckt das Gesicht, aus Körperritzen dringt Sekret. Die Beine, der Bauch, die Genitalien und der Schwanz sind von Milben zerfressen. (Foto: Guido Schiek)
ODENWALDKREIS - Mirles Anblick ist erbarmungswürdig: Schwarze Kruste bedeckt das Gesicht, aus Körperritzen dringt Sekret. Die Beine, der Bauch, die Genitalien und der Schwanz sind von Milben zerfressen. Aus ihren Augen suppt Eiter. „So etwas haben wir noch nie gesehen, auch nicht in Rumänien und Ungarn. Doch Mirle stammt aus dem Odenwaldkreis, von gar nicht so weit weg“, erklärt Ute Heberer, Vorsitzende des Vereins Tiere in Not Odenwald (TiNO), der die Hündin in Obhut genommen hat. Von wo genau Mirle stammt, möchte sie nicht sagen, um zu vermeiden, dass Tierschützer gegen die früheren Besitzer mobil machen. Über die Sozialen Netzwerke habe der Fall Aufmerksamkeit bis über die Landesgrenzen hinaus erregt.
Am 7. Februar kam die erst elf Monate alte Kangalhündin, ein rund 70 Zentimeter großer türkischer Herdenschutzhund, im Tierheim auf der Spreng an. „Ihr Geruch war unerträglich, sie stank nach Blut und Eiter und war in einem miserablen Zustand“, berichtet Ute Heberer. Tierärztin Steffi Bissbort legte Mirle in Narkose, um gemeinsam mit vier Helferinnen die Krusten aufzuweichen und abzuwaschen, das Fell an den betroffenen Stellen zu scheren und einzucremen. Es kamen tiefe Wunden zum Vorschein, in die sich die Haarbalgmilbe Demodex eingegraben hatte. Die extreme Ausbreitung dieses Parasiten, der quälenden Juckreiz hervorruft, liegt entweder an einer Immunschwäche des Hundes oder aber an einer genetischen Erkrankung, die das Tier gegen solche Milben wehrlos macht.
Mindestens fünf Monate lang in miserablem Zustand
In diesem Zustand muss Mirle mindestens fünf Monate lang vegetiert haben, sagt Ute Heberer. Die frühere Besitzerin gab an, das Tier als kleinen Hund geschenkt bekommen zu haben. Ob er ein „Wühltisch-Welpe“ aus illegaler Zucht war, ist unklar. In jedem Fall dürfte die Halterin absolut keine Ahnung von den Bedürfnissen des großen Kangals haben, der nur in Hände kundiger Besitzer gehört, bei denen er eine Aufgabe hat und artgerecht gehalten wird.
Nach Information der TiNO-Vorsitzenden war das Veterinäramt des Odenwaldkreises über den Fall informiert und bereits im August 2018 vor Ort, hatte dort aber nicht den Gesundheitszustand der Hündin beanstandet, sondern die Unterbringung auf der Terrasse ohne Unterstand und mit lediglich einer dünnen Decke. Die Sprecherin des Odenwaldkreises, Saskia Hofmann, ergänzt, dass Mirle dauerhaft angebunden war. Bei einer Nachkontrolle der Veterinärbehörde „ergaben sich keine Beanstandungen mehr. Der Hund war zu diesem Zeitpunkt in einem guten Ernährungs-, Pflege- und Gesundheitszustand“, teilt die Kreispressestelle mit.
Ein Mitarbeiter des Ordnungsamts ist schließlich tätig geworden, nachdem er von der früheren Halterin persönlich um Hilfe gebeten worden war. Die Frau habe ihm erklärt, dass Mirle krank und sie mit dem Tier überfordert sei. Weil das Veterinäramt auch auf dessen Betreiben den Hund nicht beschlagnahmt habe, so Heberer, habe er bei TiNO angerufen und gebeten: „Fahrt doch mal hin.“
Der Verein TiNO
. Der Verein Tiere in Not Odenwald (TiNO) betreibt das Tierheim auf der Spreng zwischen Ober-Kainsbach und Langenbrombach. Dort sind 50 Hunde sowie Katzen und Kleintiere untergebracht.
Tierheimleiterin Miriam Henninger fuhr hin, und sie traf der Schlag. „Mit Engelszungen hat sie auf die Besitzerin eingeredet und versprochen, dass wir uns gut kümmern. Dann konnte sie Mirle mitnehmen“, sagt Ute Heberer. Erstaunlicherweise hätten die Besitzer kein Unrechtsbewusstsein gezeigt. Sie gaben nur an, keinen Termin beim Tierarzt bekommen zu haben, um den Hund rechtzeitig behandeln zu lassen. Als Miriam Henninger mit Mirle das Haus verließ, applaudierten die Nachbarn.
Das Kreisveterinäramt und das Ordnungsamt haben die Familie einen Tag nach Mirles Abholung erneut aufgesucht und die Zustände vor Ort – auch in Bezug auf andere dort lebende Tiere – in Augenschein genommen. „Das Veterinäramt beabsichtigt, gegenüber den Haltern ein Hundehaltungsverbot auszusprechen. Außerdem soll der Fall wegen des Verdachts einer Straftat nach dem Tierschutzgesetz an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden“, berichtet Saskia Hofmann. Warum das Amt nicht schon viel früher ein Haltungsverbot ausgesprochen hat, ist unklar.
Mirles Blutwerte sind sehr schlecht
Ob Mirle jemals ganz gesund wird, vermag Ute Heberer derzeit nicht zu sagen. Die Blutwerte der Hündin sind sehr schlecht, Organschäden nicht auszuschließen. Dennoch wollen wir sie irgendwann vermitteln, sagt Ute Heberer: An Menschen, die sich wirklich um sie kümmern können. Gegen das Kreisveterinäramt läuft eine Dienstaufsichtsbeschwerde, weil es nicht eingeschritten sei, berichtet Ute Heberer. Die Kreispressestelle bestätigt den Vorgang.