Jahrzehnte lang haben die Riesingers für die Konditorei-Versorgung Beerfeldens geschuftet. Nun führt am Ruhestand kein Weg vorbei. Warum dies wohl das Ende des Betriebs bedeutet.
BEERFELDEN. Mit zwei weinenden Augen nehmen Gabi und Hartmut Riesinger am Jahresende Abschied von ihrem Café mit Bäckerei und Konditorei. „Wir haben treue und tolle Kunden“, erklärt die gelernte Arzthelferin. Aber irgendwann, bedauert ihr Mann, „muss mal Schluss sein“. Denn beide sind schon jenseits der 65, er 68, sie 67. Die Nachfolgesuche gestaltete sich bisher ergebnislos. „Es gab keinen ernsthaften Bewerber.“
Die Schließung wird ein schwerer Schlag für Beerfelden sein. Ende Mai machte bereits die Traditionsbäckerei Schott an der evangelischen Kirche zu. Wenn jetzt auch noch Riesingers aufhören, verbleibt als letzter Bäcker in der Kernstadt Manfred Heß in der Gammelsbacher Straße – mal von der dem Rewe-Markt angeschlossene Backstube abgesehen. Und das in einer Stadt, wo es in früheren Zeiten mal stolze elf Bäcker gab. Unterschwellig haben beide aber immer noch die Hoffnung, dass sich bis Jahresende ein Nachfolger findet.
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1990 übernahm Hartmut Riesinger das Geschäft von seinem Vater, gestaltete zusammen mit seiner Frau das Interieur um und modernisierte alles. Der Betrieb ist seit mindestens 150 Jahren Familienbesitz, blickt er zurück. Von Anfang an setzte das Ehepaar auf regionale Zutaten. So kommen die Molkereiprodukte aus Hüttenthal, das Mehl von der Seifert-Mühle in Allemühl, die Wurst von Postawa aus Rothenberg und Siefert aus Beerfelden.
Für Bäcker beginnt der Tag um 2 Uhr morgens
„Ich bin lange genug nachts um 2 Uhr aufgestanden“, nennt Riesinger einen Grund, warum er sich jetzt auf den Ruhestand freut – nämlich genau 52 Jahre. Erst lernte er das Bäckerhandwerk bei seinem Vater, dann Konditor bei Rudolph in Bad König. „Irgendwann ist die Luft raus, du kannst nicht mehr, wenn du so lange im Beruf bist.“ Wenn es nicht so viel Spaß gemacht hätte, wären beide schon früher ausgestiegen, meint er.
Der aktuelle Fachkräftemangel tut ein Übriges dazu, dass der Weiterbetrieb nicht einfach ist. „Wir hätten auf jeden Fall aufgehört“, ist dieser jedoch nicht der ausschlaggebende Faktor. Das Ehepaar hätte in dem Fall höchstens versucht, sich aus dem täglichen Betrieb rauszunehmen. Aktuell wohnen beide noch in den Räumen über der Bäckerei. Allerdings wurde das Gebäude bereits einem Makler zum Verkauf übergeben. Die komplette Einrichtung bleibt drin.
Wenn alles durch ist, will der Bäckermeister erst einmal ausschlafen. Aber mit der jahrzehntelangen „Übung“ des frühen Aufstehens kann es sein, dass seine innere Uhr einige Zeit brauchen wird, um sich umzugewöhnen. „Wir lassen die Rente auf uns zukommen“, haben die beiden noch keine Pläne geschmiedet. „Erst einmal runterkommen und ein normales Leben führen“, gehen sie den „ziemlichen Schnitt“ behutsam an. Den zehn Beschäftigten wurde bereits gekündigt. Viele von ihnen sind schon seit etlichen Jahren dabei. Manche haben bereits neue Jobs wie etwa Lilia Zabolotniaia. Weitere wechseln zu Kollegen in der Umgebung, wo Fachkräfte dringend gesucht werden. Andere Mitarbeiter wiederum „wollen keine Backstube mehr sehen“.
Frische Zutaten für leckeren Kuchen
Acht Sorten Brot und zwölf Sorten Brötchen wurden gebacken – dazu kommen unzählige Arten von Kuchen. Denn Hartmut Riesinger hat hunderte von Rezepten aus seinen backenden Jahrzehnten parat. „Ich esse ihn selbst immer noch gern“, lacht er. Denn verwendet werden keine Fertigprodukte, sondern nur frische Zutaten.
„Es tut weh, es den Kunden zu sagen“, fällt den Riesingers der Abschied immer noch sehr schwer. „Die wissen nicht wohin.“ Aus Heidelberg, von der Bergstraße, sogar aus Darmstadt kamen die Kuchen-, Gebäck- und Pralinenfans gefahren, um sich in Beerfelden mit den leckeren Produkten einzudecken. Die Bäckerei wiederum belieferte die Metzgerei Postawa in Rothenberg und die Molkerei Hüttenthal.
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Die Preissteigerungen machten in diesem Jahr schon ziemlich zu schaffen. Im Frühsommer musste die Teuerung bereits auf die Verkaufspreise umgelegt werden, bedauert Riesinger. Bis zum Jahresende will man eine weitere Erhöhung möglichst vermeiden. Was nicht einfach sein wird, da inzwischen die Teuerungen aus allen Richtungen kommen. „Backmittel gehen oben raus“, weiß der Bäcker. Und auch bei anderen Zutaten explodieren die Kosten.
Wenn’s Hartmut Riesinger dann im Ruhestand doch mal überkommen sollte, kann er gegenüber der Mietwohnung in Falken-Gesäß den früheren Broterwerb hobbymäßig aufleben lassen. Nämlich mit der Herstellung von Holzofenbrot im alten Backhaus, das dort vor zwei Jahren renoviert in Betrieb genommen wurde.