Mathias Tretter zelebriert im Patat politisches Kabarett vom Feinsten
Von Manfred Giebenhain
Einen vielversprechenden Start in die Saison bescherte dem Michelstädter Patat-Keller Mathias Tretter. Foto: Manfred Giebenhain
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MICHELSTADT - Einer, der reihenweise Kabarettpreise abgeräumt hat, hat sich bestimmt nicht bei jedem beliebt gemacht. Dabei kommt Mathias Tretter anfangs ganz harmlos daher. Doch neben sich selbst spart er später auch sonst nichts aus, über das man sich lustig machen kann. Das zeigte sich in Michelstadt, wo die Kellerbühne Patat mit dem neuen Programm „Selfie“ des Wahl-Leipzigers ihr Jahresprogramm eröffnete.
Wortgewandt durch den Gemüsegarten
Wortgewandt einmal quer durch den Gemüsegarten der kleinen und großen Ausgeburten dieser dekadenten Konsumgesellschaft und wieder zurück. Der Kabarettist nahm alle aufs Korn, diese nach Selbstdarstellung gierenden Narzissten, die ihre persönlichen Eitelkeiten über alles stellen. Er parodierte und imitierte Merkel und Seehofer, Klaus Kinski sparte er sich für die Zugabe auf.
Die Grimasse kommt von innen: Einmal Augen weit aufreißen und verrollen und dabei mit der Zunge genüsslich Ober- und Unterlippe von innen her zu einem Erdbeermund vergrößern. So wie er auf die Bühne gefegt kam, verschwand Mathias Tretter nach mehr als 90 Minuten auch wieder: Mit Begleitmusik von Richard Wagner. Zwischen der „Ouvertüre vom fliegenden Holländer“ tippte er auf seinem analogen Notizzettel („ein Laptop, der sich mehrmals zusammenklappen lässt“) herum, stand seinem besten Freund Ansgar in Doppelrolle zur Seite bei allen kleinen und großen Problemen dieser Welt.
Alles harmlos gegen das, was Tretter wirklich mitzuteilen hatte. Aus deutscher Sicht sei Donald Trump, dieser „George W. Bush als Blondine“, so etwas wie Dieter Bohlen als Bundeskanzler. Stimmt doch nicht ganz: „Gegen Trump ist Bohlen ein Intellektueller und Feminist.“ Der Höhepunkt stehe sowieso kurz bevor: Trump trifft Merkel. „Was geschieht, wenn er ihre Raute sieht?“ Szenenwechsel. Es werden immer mehr Flüchtlinge. Was tun? In ostdeutschen Dörfern ist viel Platz, findet der Ex-Würzburger.
Bübisch freute sich der charmante Alleinunterhalter über die Vorstellung, dass bei einer Neubesiedlung durch Flüchtlinge die Neonazis in der Minderheit sein werden. Persönlich zieht der Künstler es vor, in die Lausitz umzusiedeln, sobald die Apokalypse nicht mehr aufzuhalten ist.
Noch einmal zum Programmtitel: „Selfie“ bedeutet für den smarten Mittvierziger auch Abschied nehmen vom Passbildautomaten, der einen Vorteil gegenüber dem Smartphone hatte: Er wurde zugleich als öffentliche Toilette benutzt. Eine eigene Duftnote möchte er sich dennoch nicht zulegen. Beruhigend, wie bodenständig dieser Sympathieträger des Kabaretts auch auf der Höhe der Zeit trotz Trophäensammlung geblieben ist.