Die Odenwaldbahn ist zuletzt offenbar wieder vermehrt unzuverlässig gefahren. Entsprechende Fahrgastbeschwerden weist der RMV nicht zurück. Er sieht aber externe Ursachen.
ODENWALDKREIS. „Pünktlichkeit und Kommunikation sind seit Monaten eine Zumutung. Es gibt praktisch keinen Tag ohne deutliche Verspätung oder gar Zugausfall. Wer ohne Plan B zu einem wichtigen Termin fährt, ist ein Abenteurer.“ Der Breuberger Rainer Barth fasst seine Unzufriedenheit mit der Odenwaldbahn in drastische Worte. Wie weitere Stimmen an diese Zeitung nahelegen, spricht der umtriebige Rentner damit vielen Fahrgästen aus dem Herzen – weit mehr als jenen vier Breuberger Dauerticket-Nutzern, auf deren Erfahrungen in etwa 20 monatlichen Fahrten er sich konkret beruft. Vor allem aber transportiert Barths Botschaft im Kern eine tatsächliche Problemlage, die auf Nachfrage weder Nahverkehrsträger noch Beförderungsunternehmen verhehlen.
„Leider war die Odenwaldbahn in den vergangenen Wochen tatsächlich häufiger verspätet als üblich“, antwortet für den Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) dessen stellvertretender Pressesprecher Maximilian Meyer. Für die Nahverkehrsorganisation beruht die Fehleranfälligkeit im Streckennetz von Eberbach/Neckar über Erbach und Darmstadt oder Hanau nach Frankfurt aber nicht auf Schwächen bei seinem Unternehmen oder dessen Auftragnehmer, der Unternehmensgruppe Vias. „Hierzu möchten wir anmerken, dass die Zuverlässigkeit bei der Vias aktuell im Vergleich eher positiv ist“, stellt sich Meyer hinter den Betrieb.
Analog dazu weist denn auch Vias-Geschäftsführer Jochen Auler Vermutungen zurück, auf der Odenwaldbahn könnten sich Personal- oder Organisationsschwächen seines Unternehmens bemerkbar machen. Er bezieht sich dafür unter anderem auf die umfassenden Einstellungs- und Ausbildungsbemühungen, die auch zu adäquaten Erfolgen führten. Beispielhaft erinnert Auler an die Eigenleistung der Qualifizierung von fast zwei Dutzend neuen Triebwagenführern, die nun zur Bedienung des Fuhrparks zur Verfügung stünden. Zudem habe die Inbetriebnahme der fünf neuen Lint-Fahrzeuge der Flotte Luft verschafft.
Bauarbeiten bei Mörfelden als Grund für Störungen
Woran liegt es dann aber, dass auf die Odenwaldbahn zuletzt wieder weniger Verlass war? Für RMV-Sprecher Meyer leidet der Betrieb der Odenwaldbahn vor allem unter Störungen im Netz, die in der Regel nicht ihr ureigenes Gebiet beträfen. So gehe der RMV davon aus, dass sich zuletzt vor allem Bauarbeiten an der Strecke bei Mörfelden sowie an den Bahnsteigen in Hanau und Frankfurt bemerkbar gemacht hätten. Wenn dann – wie geschehen – ereignisbedingte Streckensperrungen wie die nach der Güterzugentgleisung bei Dieburg hinzukämen, könne dies die Odenwaldbahn schon spürbar aus dem Takt werfen.
Mit erfolgter oder absehbarer Beendigung der einen oder anderen Akutlage werde sich die Odenwaldbahn wieder leichter tun, gibt sich Meyer zuversichtlich. Allerdings würden sich die bekannten grundsätzlichen Infrastrukturprobleme im Bahnnetz als Auslöser von Unzuverlässigkeiten im Odenwald nie ausschließen lassen.
„An seinen zentralen Bahnhöfen im Ballungsraum trifft der Schienennahverkehr eben auf andere Verkehrssysteme wie Gütertransport oder Fernbeförderung“, ruft Meyer in Erinnerung. Und wenn die irgendwo auch im weiteren Umkreis durch Bauarbeiten oder Zwischenfälle behindert würden, könne dies die Odenwaldbahn schnell mit Wartezeiten und anderen Beeinträchtigungen betreffen.
Gesicherte Zukunft für die Odenwaldbahn
Genau hier allerdings liegen nach einem Einwand der Initiative zur Förderung und Erhaltung der Odenwaldbahn Handlungsmöglichkeiten und -bedarfe des RMV beziehungsweise von Kommunen und Land. Auf ihre Vorstellungen dazu kommt die sachverständige Interessengruppe aktuell mit einem Statement zum zweijährigen Vorliegen der „Erbacher Erklärung“ zurück.
Wie berichtet, haben sich hier die Anrainerkommunen einerseits und das Land Hessen andererseits zu einem Bündel von Infrastrukturmaßnahmen bekannt, die der Odenwaldbahn zu einer gesicherten und verbesserten Zukunft verhelfen sollen. Demnach wird das Odenwälder Schienennetz an den beiden Bahnhöfen Mühltal/Darmstadt-Dieburg und Hetzbach/Odenwaldkreis auf mittlere Sicht weitere zweigleisige Stellen erhalten, die neben einer höheren Abfertigungsdichte auch neue Ausweichmöglichkeiten von oder gegenüber verspäteten Zügen gewährleisteten.
Fuhrparkverstärkung ausdrücklich positiv bewertet
Für das Schienenbündnis aber reichen diese Ausbaustellen bei Weitem nicht aus – vor allem im Blick auf das Zusammenspiel der eigentlichen Odenwaldbahn mit dem Strang von Groß-Umstadt/Wiebelsbach nach Hanau. „Die ,Erbacher Erklärung’ enthält für diesen Abschnitt außer verlängerten Bahnsteigen keine Infrastrukturmaßnahmen“, moniert Sprecher Uwe Schuchmann. Dabei seien zweigleisige Abschnitte auf den Teilstücken Hainstadt-Seligenstadt und Langstadt-Klein-Umstadt unter anderem deshalb nötig, damit eventuelle Verspätungen aus dem Frankfurter Knoten ausgeglichen werden könnten.
Ausdrücklich positiv bewertet die Odenwaldbahn-Initiative dagegen die erfolgte Einhaltung der Zusage einer Fuhrpark-Verstärkung, auch zur nachfolgenden Verdichtung des Takts zwischen Babenhausen, Hanau, Frankfurt und Darmstadt-Nord. Was unabhängig von der planerischen Herausforderung gilt, das Netz mit zwei nicht koppelbaren Triebwagenmodellen zu bedienen – den Itinos der ersten Stunde, die schon bald nach der Auswahl nicht mehr weiter gebaut wurden, und den deshalb ersatzweise bestellten Lint 54. Dass sich bei diesen die Aufspielung des Fahrgast-Informationssystems verzögerte, hat das Leben der Fahrgäste in jüngster Zeit nicht erleichtert.
Wie all das zeigt, bewegt sich die Odenwaldbahn unabhängig von der aktuellen Lage weiter in einem grundsätzlichen Konfliktfeld. Bahnaffinen Mobilitätsenthusiasten wie Rainer Barth und seinem Bekanntenkreis bleibt damit bis auf Weiteres die Spannung erhalten – und damit das, was Schienenkunden mit ihrer Wahl eigentlich ausschalten wollen.