Aus zwei Odenwälder Metzgereien wird eine: Die Fleischerei Schlößmann in Bad König arbeitet ab Januar unter dem Dach des Vielbrunner Metzgers Hofmann.
ODENWALDKREIS. Ein Schlachthaus ist nicht der typische Ort, um gute Nachrichten zu verbreiten – aber Jammern ist die Sache der Metzgersfamilien Schlößmann und Hofmann nicht. „Es ist was Positives, das wir hier machen, ganz ehrlich, wir freuen uns“, sagt Ina Schlößmann (57): „Das mit uns hier, das passt.“ Gemeint ist: Schlößmanns in Bad König geben ihren Betrieb nicht auf, weil sie keinen Nachfolger haben, sondern gehen einen anderen Weg: Sie übergeben die Schlachterei und Unternehmensführung an den Kollegen Achim Hofmann in Vielbrunn. Aber das Geschäft in Bad König, das gesamte Personal inklusive der Eheleute Schlößmann und die „Mobile Metzgerei“, die über die Dörfer fährt, bleiben der Kundschaft erhalten. Gleiches gilt für die Qualität.
Denn auch in Vielbrunn wird noch selbst geschlachtet, wie die beiden Bullenhälften im Kühlhaus und die geschlachteten Schafe daneben eindrucksvoll zeigen. Diese Tiere hängen im Auftrag eines Direktvermarkters dort, berichtet Achim Hofmann (34), der diesen Betrieb ab Januar von seinem Vater Georg Hofmann (60) übernehmen wird. „Wir sind bio-zertifiziert für Schlachtung, Zerlegung und Produktion“, betont der Juniorchef, hauptsächlich verarbeitet er aber Tiere für den Eigenbedarf: Vier bis sechs Schweine sind das in der Woche und alle 14 Tage ein Rind. Ungefähr die gleiche Größenordnung verarbeitet auch Rolf Schlößmann (60). Ab Januar dürften es aber in Vielbrunn ein paar mehr sein, denn dann werden von dort aus die Verkaufsstellen der Schlößmanns mitversorgt.
Verkaufsstellen bleiben erhalten
Wurst, Fleisch und alle weiteren Fleischereiprodukte gibt es dann an denselben Plätzen wie bisher: In der Hauptverkaufsstelle der Familie Hofmann in Vielbrunn, an deren beiden Verkaufsautomaten in Kirchbrombach und Hummetroth, im Laden von Schlößmanns in Bad König sowie am Wurst-Auto, das mittwochs, donnerstags, freitags und samstags durch mehrere Dörfer fährt und dort mehr als 40 Haltestellen ansteuert. Außerdem gibt es in Kirchbrombach einen Partyservice aus dem Hause Hofmann.
Das Personal aus beiden Betrieben lernt sich gerade kennen. „Wenn die Kunden in den Laden kommen, werden sie also die gleichen Gesichter hinter der Theke sehen“, sagt Achim Hofmann. Derzeit arbeiten in seiner Metzgerei acht Personen, ab Januar steigt auch seine Frau Susanne (34) mit ein und kümmert sich dann vor allen Dingen ums Büro. In Bad König sind es noch einmal zehn Personen, von denen aber zwei in Rente gehen. Rolf Schlößmann arbeitet ab Januar als Angestellter im Schlachthaus von Hofmann, Ina Schlößmann bleibt im Laden.
Vertrautheit und hochwertige Produkte, die dem Zertifikat „Geprüfte Qualität Hessen, Regionalmarke Odenwald“ entsprechen, sind die Themen, mit denen diese Betriebe überzeugen möchten – deshalb kommen auch die Tiere allesamt aus dem Odenwald. „Ich hole die Schweine bei den Landwirten Georg Schuchmann in Ober-Kinzig und Lutz Eidmann in Groß-Umstadt, die Rinder kommen vom Kreuzdellenhof in Hembach und von Saul in Breitenbrunn“, berichtet Hofmann. Ihr letzter Weg ist kurz, nur ein paar Kilometer, und der Stress gering. Das wirke sich positiv auf die Fleischqualität aus, sagt der Juniorchef, der selbst ein Profi im Ausbeinen von Rindfleisch ist: „Da macht ihm keiner was vor“, lobt der Vater. Aber auf den Tisch kommt ihm am liebsten nicht Steak, sondern – Fleischwurst.
Preise für Schweine und Rinder gestiegen
„Mich fasziniert an diesem Beruf, dass ich die Entstehung eines Produktes vom lebenden Tier bis zum hochwertigen Stück Fleisch begleiten und die Wertschöpfungskette selbst gestalten kann, ohne dass ein fremder Schlachthof zwischengeschaltet ist. Auch der Respekt vor dem Tier ist für mich sehr wichtig“, sagt Achim Hofmann. Aber als Selbstständiger macht er eben auch die Erfahrung, dass er alle Krisen dieser Zeit, sei es nun die Teuerung oder Corona, selbst schultern muss. Zudem sind die Preise für Schweine und Rinder gestiegen. Dennoch geht er zuversichtlich an die Vergrößerung seines Betriebs heran.
Hauptgrund dafür ist, dass im Hause Schlößmann keines der drei Kinder das Unternehmen weiterführen möchte, obwohl zwei von ihnen eine Ausbildung im Fleischereihandwerk absolviert haben. Aber dann wählten sie doch andere Berufe, und die Eltern unterstützen dies. „Es ist ja nicht mehr so wie früher, dass einer unbedingt den Betrieb übernehmen muss. Das würde auch nichts bringen, denn man muss es gern machen“, sagt Ina Schlößmann.
Vielbrunner Betrieb gibt es seit 124 Jahren
Ihre Familie und die Hofmanns kennen sich seit Jahrzehnten gut. Rolf Schlößmann, heute 60 Jahre alt, hat in seiner Jugend als Geselle in Vielbrunn gearbeitet. Als nun der Gedanke aufkam, das Geschäft einem Kollegen zu übergeben, kam man auch diesbezüglich ins Gespräch und nahm einander unter die Lupe. „Wir haben bei Hofmanns die Wurst probiert und mit ihnen Rezepte getauscht“, erzählt Ina Schlößmann. Alte Rezepturen seien aber kaum noch dabei, sagt Georg Hofmann, denn früher wurde nicht viel aufgeschrieben. „Damals hat man ja fast nur Hausmacher Wurst gemacht, und die war viel fetter. Auch hat man mehr nach Gefühl gewürzt. Das ist heute alles standardisiert.“
124 Jahre lang gibt es den Vielbrunner Betrieb nun schon, der in Bad König ist mit 190 Jahren sogar noch etwas älter. Um so viel Tradition in die Zukunft zu führen, brauchte es schon mal zwei Jahre Planungszeit für die Übergabe. Ina Schlößmann findet das richtig: „Das ist eben ein bisschen so wie ’ne Hochzeit. Die bereitet man ja auch lange vor.“
Von Sabine Richter