Täufer, Zimmermänner, Bauern

Mennoniten, aber auch Bauern aus der Schweiz siedelten nach dem Dreißigjährigen Krieg in der Kurpfalz und der Grafschaft Erbach. Tilman Büttner hat für den SWR eine „Pfalzgeschichte“ gedreht, die sich mit der Zuwanderung der Mennoniten befasst. Das Foto stellt zugleich das Cover von Werner Heils Buch dar.Foto: SWR/Tilman Büttner   Foto: SWR/Tilman Büttner

Wer sein „Mannrecht“ mit Dokumenten untermauern kann, könnte noch heute Wohn- und Versorgungsrechte in der Schweiz geltend machen. Das Heimatrecht erlosch nicht automatisch...

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ODENWALD. Wer sein „Mannrecht“ mit Dokumenten untermauern kann, könnte noch heute Wohn- und Versorgungsrechte in der Schweiz geltend machen. Das Heimatrecht erlosch nicht automatisch bei Auswanderung, sondern wurde auf die Söhne und Söhnessöhe übertragen. Theoretisch könnten sich Tausende von Südhessen auf dieses Privileg berufen und damit die Zahl der Eidgenossen beträchtlich in die Höhe schnellen lassen.

Mennoniten, aber auch Bauern aus der Schweiz siedelten nach dem Dreißigjährigen Krieg in der Kurpfalz und der Grafschaft Erbach. Tilman Büttner hat für den SWR eine „Pfalzgeschichte“ gedreht, die sich mit der Zuwanderung der Mennoniten befasst. Das Foto stellt zugleich das Cover von Werner Heils Buch dar.Foto: SWR/Tilman Büttner   Foto: SWR/Tilman Büttner

Werner Heil hat in seinem Buch „Schweizer im Odenwald“ sehr viel Wissenswertes über die Auswanderer aus Helvetia zusammengetragen. Im Unterschied zu vielen Veröffentlichungen dieses Genres ist das Buch flott, ohne Floskeln und ohne Verklausulierungen geschrieben. Viele Grafiken und hervorgehobene Zitate tragen zu einer optisch gelungen Gestaltung bei. Besonders interessant sind die Ausführungen für alle Odenwälder und Südhessen mit den Familiennamen Bitsch, Hotz, Neff, Kredel, Schanz, Schönberger, Egly, Dascher, Schmucker, Seeger – ihre Vorfahren kamen allesamt vor gut 300 Jahren aus der Alpenrepublik.

Weitverbreitet in Südhessen sind auch heute noch die Namen Brehm, Biedermann, Brunner, Frey, Meyer und Wolf, deren Schweizer Abstammung jedoch nicht in allen Fällen gesichert ist. Da hilft es nur, sich per Geburts- und Heiratsdaten in der Geschichte zurückzuarbeiten. Neben den bekannten Schweizer-Clans listet Heil auch Familiennamen auf, die mittlerweile ausgestorben sind, über mütterliche Linien aber noch in vielen südhessischen Gen-Pools zu finden sind.

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Ein Goethe-Vorfahre kommt nach Frankfurt

Hilfreich für die Recherche war zweifellos, dass Heil seit Jahrzehnten in der Schweiz lebt und daher mit Schweizer Dialekten genauso vertraut ist wie mit Odenwälder Mundart. Auf diese Weise erschließen sich Namensverschleifungen, die dann entstehen, wenn Namen nur nach Gehör festgehalten werden – da wird schnell Caspar Kläntschi aus Lyss/Bern zum Caspar Glenz oder Michael Spörli zu Michael Sperling. Diese Praxis, Namen nach Gehör zu notieren, macht übrigens auch vielen amerikanischen Familienforschern das Leben schwer, deren Vorfahren 200 Jahre später über Ellis Island in die USA eingewandert sind.

Warum kamen Tausende Zuwanderer aus dem Alpenraum ins heutige Hessen und nach Baden-Württemberg? Ein Grund sind die Verbindungen zu den Kurfürsten von der Pfalz und den Grafen von Erbach. Diese reichen bis weit vor den Dreißigjährigen Krieg zurück. Schon im Zuge der Reformation gab es Hin- und Rückwanderungen von pfälzischen Gebieten in die Schweiz.

Einer der ersten Schweizer, der sich in deutschen Landen ansiedelte, ist der Goethe-Vorfahre Hans Schwind (Gschwind), geboren 1520 in Basel, der als Barchentweber in Frankfurt sesshaft wurde. Gesucht waren im 16. Jahrhundert Bauleute aus der welschen Schweiz, die unter anderem beim Bau der Rathäuser von Darmstadt und Groß-Umstadt mitarbeiteten; sehr gefragt waren auch Handwerker, die sich mit der Erzgewinnung auskannten. Die meisten Einwanderer suchten Schutz aus religiös-politischen Gründen, darunter die Wiedertäufer, die wegen ihrer Forderungen nach freiwilliger Kirchenmitgliedschaft und der Verweigerung von Militärdienst und Abgaben an die Obrigkeit vor allem in den Schweizer Stadtstaaten grausam verfolgt wurden.

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Der Landesherr mag keine brachliegenden Felder

Für die Zuwanderung im und nach dem Dreißigjährigen Krieg waren vor allem wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend. Von Pest und kriegsbedingter Verwüstung blieb die Schweiz in großen Teilen verschont; bei zunehmender Bevölkerung konnte jedoch kein zusätzliches Ackerland gerodet werden. Dagegen lagen die Felder brach in Kurpfalz und der Grafschaft Erbach, wo nur etwa ein Drittel der Bevölkerung die Heimsuchungen der langen Kriegsjahre überlebt hatte.

Dies bedeutete natürlich auch, dass keine Steuern und Abgaben in die Taschen der Landesherren flossen. Klar, dass sie an der Ansiedlung neuer Bauern und Handwerker interessiert waren. Lockmittel waren Steuerbefreiung für eine gewisse Zeitspanne und die günstigen Preise für Haus und Hof. Auf die Zuwanderer wartete harte Arbeit – sie mussten niedergebrannte Gebäude wiederaufbauen, die Mahlwerke der Mühlen instandsetzen und brachliegende Äcker neu roden. Manchem wurde die Eigenverantwortung für Haus und Hof zu viel, und er verdingte sich als Kuhhirt (was damals dem sozialen Status eines Schulmeisters gleichkam). „Schleuser“ gab es übrigens bereits vor 300 Jahren: Gegen Entgelt vermittelten sie junge Schweizer Burschen und Mädchen bereits in deren Heimatorten an Bauern im Odenwald.

Von Doris Strohmenger