Martin Allmenröder weiß, dass viele Menschen ihn leicht in eine Schublade stecken könnten: Mit seinen 1800 Mastschweinen kennt er das Schlagwort "Massentierhaltung" nur zu...
ODENWALDKREIS. Martin Allmenröder weiß, dass viele Menschen ihn leicht in eine Schublade stecken könnten: Mit seinen 1800 Mastschweinen kennt er das Schlagwort "Massentierhaltung" nur zu gut. Dagegen sagt der Agrarökonom auch gar nicht viel; ihn stört vielmehr die Schwarz-Weiß-Malerei, wenn es um Landwirtschaft geht. Denn was viele Verbraucher für das einzig Wahre und Gute halten, sprich, die Bio-Produktion, kann nach seiner Überzeugung als alleinige Wirtschaftsform ebenso wenig bestehen wie das konventionelle Bauerntum. Allmenröders Credo lautet deshalb für die Zukunft beider Wirtschaftsformen: "Wir müssen weg von diesen Grabenkämpfen zwischen konventioneller und Öko-Landwirtschaft. Wir können einiges voneinander lernen und viele Felder gemeinsam beackern."
Der "Bio-Anteil" in Deutschland liegt bei sieben bis acht Prozent, und auch Allmenröder hat bei jeder Investition in seinen Stall darüber nachgedacht, auf Bio umzustellen. Aber er hat es gelassen, obwohl er sich sehr für alternative Arbeitsformen interessiert und unter anderem am "Runden Tisch Tierwohl" sitzt, den die Hessische Landesregierung eingesetzt hat. Seine Gründe gegen eine Umstellung seines Betriebs auf Bio sind wirtschaftlicher Natur. Denn insbesondere Schweinefleisch sei am schwierigsten auf dem Bio-Markt abzusetzen, weil viele ökologisch orientierte Kunden Ressentiments dagegen hätten.
Mehrjährige Festverträge erst seit kurzer Zeit
Das spiegele sich auch im bisherigen Kaufverhalten von "Naturland" & Co. wider: Mal nehmen diese Vermarkter viel Fleisch ab, dann wieder wenig - erst in jüngster Zeit kommt es dort zu mehrjährigen Festverträgen, sagt er. "Wenn ich aber bei einer Flaute das Bio-Fleisch konventionell vermarkten muss, rechnet es sich nicht mehr." Denn die Haltung von Bio-Schweinen mit Freiluftauslauf sei kostenintensiver als ein herkömmlicher Maststall.
Besonders problematisch findet der Landwirt den Preisdruck der Discounter. Denn seit diese Bio entdeckt hätten, gehe der Preiskampf dort genauso los. "Bio-Fleisch wird verramscht, weil sie damit die Leute in die Supermärkte kriegen", sagt Allmenröder. Um dem Druck standzuhalten, würden nun auch die Öko-Betriebe wachsen und damit auf Masse setzen wie konventionelle Landwirte auch. Eine fatale Konsequenz daraus sei, dass ein Bauer nach dem anderen in Deutschland das Handtuch werfe und unsere Lebensmittel vermehrt aus dem Ausland importiert werden müssten, "wo Fleisch in konventionellen Betrieben produziert wird, in denen man sich ums Tierwohl herzlich wenig kümmert". Schon jetzt stammten 55 Prozent aller in Deutschland konsumierten Eier aus Käfighaltung im Ausland. "So geht es vielleicht den - weniger werdenden - Tieren in Deutschland besser, aber eben nicht allen Tieren. Das finde ich verlogen."
Vor dem Hintergrund all dieser Entwicklungen sieht Allmenröder bald den Moment gekommen, in dem auch "die Bios" ins Zweifeln geraten. Dann ist die Stunde Null da, in der konventionelle und Öko-Bauern aufeinander zugehen. Das sei ihre einzige Chance.
Für zukunftsweisend hält der Agrarökonom deshalb Initiativen wie das neue Dialog-Projekt "F.R.A.N.Z.", welches für "Ressourcen, Agrarwirtschaft & Naturschutz mit Zukunft" steht. Die Rezeptur dieses Projektes ist einfach, aber vielversprechend: Von allen konventionell genutzten Ackerflächen werden nur fünf Prozent "ökologisiert", also zum Beispiel wilden Blühpflanzen überlassen. "Damit erreiche ich 85 Prozent des Erfolges und damit fast so viel, wie wenn ich den Betrieb komplett auf Bio umstelle", erläutert Allmenröder. Das könnten sich auch viele traditionell denkende Kollegen für ihren Betrieb vorstellen.
Die Akzeptanz ist aber auch deshalb leichter, weil bei "F.R.A.N.Z." alle mit im Boot sitzen: Neben Umweltschützern des Naturschutzbundes und anderer Gremien auch der Deutsche Bauernverband, dessen Landesverbände. Wissenschaftlich begleitet wird es ebenfalls, unter anderem von der Uni Göttingen.
Dass es deshalb nicht ohne Tiere geht, versteht sich bei jeder Form des alternativen Landbaus von selbst: Irgendwoher nämlich muss das Fleisch und letztlich der Dünger kommen - und all das produzieren Kühe und Schweine ganz von selbst, bei deutlich verbesserten Haltungsbedingungen.
Von Sabine Richter