Bereits veröffentlichten Verbindungszeiten zufolge müsste die Odenwaldbahn ab September mehr Fahrten erbringen. Warum die elektronische ÖPNV-Auskunft sie plötzlich nicht...
ODENWALDKREIS/DARMSTADT-DIEBURG. Die Odenwaldbahn wird wöchentlich rund hundert in der ursprünglichen Herbst-Winter-Planung ausgewiesene Fahrten nun doch nicht erbringen. Damit kann der Rhein-Main-Verkehrsverbund die mit der „Erbacher Erklärung“ zur Ertüchtigung der Odenwaldbahn gemachte Zusage nicht einhalten, alsbald für einen von allen Stationen auf den Nordabschnitten ab Erbach funktionierenden Ein-Stunden-Takt von und nach Frankfurt zu sorgen.
Rücknahme des Zusatzangebots
Die Rücknahme des für das Fahrplanjahr 2021/2022 vorgesehenen und letztlich für die Zeit ab Anfang September eingetragenen Zusatzangebots hat der stellvertretende Pressesprecher Maximilian Meyer am Donnerstag auf Nachfrage im Grundsatz bestätigt, dabei aber auf eine zuvor vereinbarte Benachrichtigungsverantwortung des Auftragnehmers Vias Rail verwiesen.
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Jeder potenziellen offensiven Kommunikation der Nahverkehrs-Organisationen über ihren Rückzieher zuvorgekommen ist indes die Odenwaldbahn-Initiative, für die Uwe Schuchmann (Ober-Ramstadt) am Mittwochabend mit einer Erkenntnis vom Tage an die Öffentlichkeit gegangen war. „Bei einem unserer routinemäßigen Checks der elektronischen DB-Fahrplanauskunft haben wir bemerkt, dass dort plötzlich in Druckwerken und andernorts im Internet angegebene Züge nicht mehr ausgespuckt werden“, schilderte Schuchmann im Echo-Gespräch.
Komplette Abfahrten und Ankünfte brechen weg
Die weiteren Recherchen führten dann schnell zu der Gewissheit, dass es sich bei den fehlenden Verbindungen um das gesamte Aufkommen des versprochenen Zusatzpakets handelte. Dieses sah vor, mit werktags weiteren sechs, samstags weiteren 13 und sonntags weiteren 14 jeweils einfachen Fahrten zwischen Darmstadt und Frankfurt und mit täglich zehn einfachen Fahrten zwischen Babenhausen und Frankfurt die Bedienung des gesamten Odenwaldnetzes zu verstärken. „Die potenziellen Fahrgäste des Zweigs im östlichen Landkreis Darmstadt-Dieburg trifft die Rücknahme des Programms insofern besonders hart, als ihnen komplette Abfahrten und Ankünfte wegbrechen, von deren Verfügbarkeit sie bisher fest ausgehen mussten“, analysiert Schuchmann.
Deutlich bemerkbar machen sich die Folgen nach Aussage des Kenners aber auch im Odenwaldkreis und im südlichen Kreis Darmstadt-Dieburg, wo die Menschen weiter auf von ihnen dringend erwartete Erhöhungen der Kapazitäten und Verkürzungen der Fahrtzeiten warten müssten. „Mit der so oft propagierten Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs im ländlichen Raum ist das alles nicht zu vereinbaren“, kommentiert Schuchmann.
Unabänderliche Tatsachen akzeptieren
Für den RMV setzt dessen Sprecher hier mit der Zusicherung ein, dass der kritisierte Schritt auch nicht den Zielen und Wünschen des Verkehrsverbundes entspreche und nur vorübergehender Natur bleiben solle. „Es ist aber eben so, dass wir nicht anders können, als unabänderliche Tatsachen zu akzeptieren“, sagt Maximilian Meyer, „und als solche treffen uns die aktuellen Personalengpässe auf der Schiene“. Nach Angaben des Verkehrsverbunds liegt der Rückzug der Angebote nämlich allein darin begründet, dass Streckenbediener Vias zurzeit nicht über die erforderliche Zahl an Triebwagenführern verfügt, um die Erweiterung des Angebots stemmen zu können.
„Unser Auftragnehmer ist deshalb nicht umhingekommen, uns eine Absage zu erteilen – und wir mussten dem im Fahrprogramm Rechnung tragen“, erklärt Meyer. „Wir können der Vias dabei noch nicht einmal einen Vorwurf machen, weil sie personell viel unternimmt und die Odenwaldbahn damit besser dasteht als viele andere Liniennetze in Hessen, die weit stärkere Einschnitte zu verkraften haben.“
Chronische Unterfinanzierung zu Lasten Odenwaldbahn-Fahrgäste
Fahrgastvertreter Schuchmann freilich lässt die Einlassungen von RMV-Seite nicht gelten. Denn erstens trügen alle ÖPNV-Mitwirkenden die Verantwortung für die frühzeitige Sicherung ausreichender Personaldecken, und zweitens komme deren Knappheit zumindest nicht als alleiniger Grund für den Rückzieher infrage. Vielmehr lasse der gesamte Vorgang vermuten, „dass der RMV nicht offen kommunizieren und seine chronische Unterfinanzierung zulasten der Odenwaldbahn-Fahrgäste aussitzen“ wolle. Gefordert sei stattdessen sowohl vom Verbund als auch von den Kommunen als seinen Trägern ein hartes Drängen auf eine angemessene Mittelausstattung, bei dem es keine parteipolitischen Rücksichtnahmen geben dürfe. Als maßgeblichen Ansprechpartner nennt Schuchmann hier das Land und namentlich Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. Es liege in der Verantwortung der hessischen Regierung, den ÖPNV und damit auch den Zugverkehr im Odenwald auskömmlich zu finanzieren.