Treibt der Wolf im Odenwald sein Unwesen? In letzter Zeit häufen sich die Vorfälle von gerissenen Nutztieren. In einer Sitzung des Kreistagsausschusses für Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird nun der Umgang mit dem Tier thematisiert.
Von Manfred Giebenhain und Sabine Richter
Sieben Schafe sind vor wenigen Tagen bei Kailbach ums Leben gekommen. Ob dort ein Wolf sein Unwesen getrieben hat, wird derzeit anhand von Genproben untersucht. Schon jetzt hat sich ein Fachausschuss des Kreistags mit dem Thema "Wolfsmanagement" beschäftigt. Das Publikumsinteresse war entsprechend groß. Foto: Schäferverein
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ERBACH - Hat der Wolf im Odenwald zugeschlagen? Seit zwei Wochen häufen sich die Vorfälle von gerissenen Nutztieren. Dem entsprechend groß war das Publikumsinteresse an der Sitzung des Kreistagsausschusses für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der am Donnerstag in Erbach getagt hat. Die große Mehrheit der rund 20 Gäste zollte jenen Wortbeiträgen Beifall, die vor einer Ausbreitung des Wolfs warnten.
Der Antrag "Wolfsmanagement" stammte vom Juli und damit noch aus der Zeit, bevor in Waldmichelbach ein Wolf fotografiert wurde. Die besondere Brisanz des Themas erklärt sich aber vor allem aus den Ereignissen der vergangenen Wochen, welche insbesondere von Schafshaltern vorausgesehen wurden. Wie berichtet, sind in Kailbach sieben Schafe, in Hüttenthal ein Schaf und eine Ziege, in Lauerbach vier Schafe und bei Kirchbrombach ein Kalb ums Leben gekommen. Ob diese Tiere von einem Wolf gerissen wurden, wird derzeit anhand von Genproben untersucht, die an einigen Kadavern entnommen wurden. Mit dem Ergebnis wird Ende kommender Woche gerechnet.
In seiner Sitzung beschloss der Ausschuss, gemeinsam mit Tierhaltern und Naturschützern ein Papier zum Wolfsmanagement im Odenwaldkreis zu erarbeiten und es der Landesregierung zuzuleiten. Der Resolutionsentwurf soll in einer Arbeitsgruppe entworfen und in der nächsten Ausschuss-Sitzung am 18. Januar verabschiedet werden. Dann kann er in die Kreistagssitzung eingebracht werden, die am 5. Februar stattfindet. Nach den Worten der Ausschussvorsitzenden Eva Heldmann (SPD) sollen in dem Papier "die Anliegen der Kreispolitik, Stellungnahmen der Kreisverwaltung sowie die Sichtweisen der Tierhalter und Naturschützer berücksichtigt werden". Bestandteil des Textes werden auch die Ergebnisse der DNA-Tests sein.
WÖLFE IN HESSEN
Im September wurde ein Wolf bei Waldmichelbach fotografiert. Dies war der neunte Nachweis für einen Wolf in Hessen seit dem Jahr 2011, sagt die hessische Wolfsbeauftragte Susanne Jokisch.
Alle waren Einzeltiere, die durch Hessen gelaufen sind. In diesem Bundesland wurde nach der Ausrottung vor 150 Jahren lediglich ein Wolf ansässig: Er lebte schließlich vier Jahre lang im Reinhardswald bei Kassel und ist vor sechs Jahren vermutlich eines natürlichen Todes gestorben.
Negative Auswirkungen auf Landschaftsbild und Tourismus im Odenwald?
Die Arbeit der beiden ehrenamtlichen Wolfsbeauftragten des Landes Hessen für den Odenwaldkreis, Raina Keßler und Karlheinz Kinzer, wird in diesen Tagen mit besonderem Interesse verfolgt. Sie waren vor Ort, nachdem gerissene Tiere gefunden worden waren, um Spuren zu sichern.
In der Sitzung ging es bald schon gar nicht mehr darum, ob in dem einen oder anderen Fall der Wolf als Übeltäter nachgewiesen werden kann. Für die Tierhalter steht außer Zweifel, dass dieser Beutegreifer eine ernsthafte Bedrohung ihrer Tiere darstellt. Günter Bardohl (ÜWG) befürchtete langfristig negative Auswirkungen auf das Landschaftsbild und den Tourismus im Odenwald. Dieter Müller (SPD) und Manfred Ertl (Die Grünen) warnten vor voreiligen Schlüssen. "Katastrophenszenarien" seien jetzt fehl am Platz, so Ertl, der auf den besonderen Schutzstatus des Wolfs nach europäischem Recht verwies. Für den Schäferverein Odenwaldkreis stellte der Vorsitzende Bernd Keller (Rehbach) die Frage: "Wie viel Wolf verträgt das Land?" Er sprach sich für eine finanzielle Unterstützung von Schäfern beim Bau wolfssicherer Zäune, bei der Anschaffung von Herdenschutzhunden, für Entschädigungsleistungen, wenn Tiere gerissen werden, und eine Neuregelung der Haftungsfragen aus. Christoph Böhm, der für die Rinderhalter sprach, schloss sich den Forderungen an. Martina Limprecht, Vorsitzende das Naturschutzbunds (Nabu) Odenwaldkreis, sagte, der Wolf sei ein Tier, das zum Ökosystem gehöre. "Wir müssen versuchen, mit ihm zu leben." Achim Weidmann (CDU) stört bereits die offizielle Begrifflichkeit, Hessen sei ein "Wolfserwartungsland".
In seinem Vortrag "Weidetierhaltung und Großraubtiere" stellte Arnd Ritter vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen in Kassel Schutzmaßnahmen vor, die vom zwei Meter hohen konventionellen Schutzzaun bis zum Elektrozaun reichen, der seine abschreckende Wirkung erst bei 2500 bis 3000 Volt Spannung erzeugt. Bisher übliche Einfriedungen reichten nicht aus.