Odenwälder Literatour: Renate Wolf-Kurz’ Antiquariat in Elsbach
20 000 Bücher hat die gelernte Verlagskauffrau in ihrem Laden am idyllischen Feldrand von Elsbach.
Von Michael Lang
Renate Wolf-Kurz betreibt ihr „Bücherparadies“ in Elsbach, wo sie mit 20 000 Büchern lebt und arbeitet.
(Foto: Michael Lang)
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ELSBACH - Nicht jeder, der eintaucht, geht unter. Manchmal beflügelt ein Tauchgang sogar den Geist. So jedenfalls scheint es bei Renate Wolf-Kurz zu sein, die sich täglich in den großen Teich ihrer rund 20 000 Druckwerke im Haus stürzt und darin aufblüht.
Wolf-Kurz betreibt seit 1996 ihr Antiquariat am idyllischen Feldrand von Elsbach und ist eine nach Büchern süchtige Sammlerin. „Und dies schon von Kindesbeinen an. Mein Vater war Schriftsetzer und hat mich anhand von kleinen Geschichten ans Lesen herangeführt. Viele Bücher habe ich auch von meiner Großmutter bekommen“, erzählt Wolf-Kurz, die in Bayreuth zur Verlagskauffrau ausgebildet wurde und später in Berlin noch ein Studium der Publizistik, der Kunstgeschichte und der Theaterwissenschaft absolviert hat.
Doch das Kaufmännische hatte sich durchgesetzt und ihr Interesse am Buchwesen in den Vordergrund gerückt. „Papier zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben“, sagt sie und erinnert sich an die Jahre, in denen sie ihre Bücher auf vielen Märkten angeboten hat. Ihren liebevoll bestückten Laden versteht sie als allgemeines Antiquariat mit spezieller Ausrichtung. Vieles um die Buchherstellung, über Satz und Druck sowie die Themen Typografie oder Verlagswesen lässt sich in den Regalen finden. Doch auch Klassiker sind vorrätig.
BUCH UND KONTAKT
Die Buchempfehlung „Lesen als Medizin“ von Andrea Gerk ist mit der ISBN 978-3-95403-084-2 ist bei Rogner & Bernhard erschienen. Das Elsbacher Bücherparadies hat seinen Platz im Haus „Zur Steinwiese 12“ im Erbacher Stadtteil Elsbach, Öffnungs- und Beratungszeiten gern auf Anfrage, Telefon 06062-33 56. (gg)
Lokale LESETIPPS
Zu den Möglichkeiten, der Corona-Krise etwas Sinnvolles abzugewinnen, gehört der Griff zu einem guten Buch. Tipps dafür holt man sich am besten bei denen, die sich mit Literatur auskennen. Also stellt diese Serie die Lieblingsstoffe von Odenwälder Buchhändlern und Bibliothekaren vor – und die entsprechenden Personen gleich mit. (gg)
Aber findet man diese Bücherinsel auch? „Ja, mittwochs und donnerstags vormittags habe ich geöffnet. Da kommen einige Kunden, die meisten wissen, was sie suchen. Auch manch Sammler aus dem Odenwald weiß, wo er mich antrifft“, so Wolf-Kurz schmunzelnd. Seit dem Jahr 2000 ist sie auch online im Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher (ZVAB) zu finden, darüber werde das Hauptgeschäft abgewickelt. Über 8000 Titel ihres Angebots gibt es im Netz.
Warum aber das beschauliche Elsbach? Wolf-Kurz, die zuvor mit der Familie im Weiler Roßbach gelebt hat, gerät nicht ins Grübeln, sondern erläutert diesen Umstand beinahe logisch: „Das sind Erfahrungswerte, die ich auf meinen Reisen durch England gesammelt habe. Dort schmiegen sich die Antiquariate auch in die schmalsten Gassen der winzigsten Dörfer. Das hat mit gefallen.“
Naturwissenschaften gibt es im Fundus nicht, Belletristik und Sachbücher bestimmen die Sammlung. Eines der Sachbücher empfiehlt sie wärmstens: „Lesen als Medizin“ von Andrea Gerk. Es sei unter anderem ein Gang durch Therapiesitzungen, beschäftige sich mit dem Lesen und seiner Wirkung in Kliniken und Gefängnissen. „Man erfährt Einblicke in Leseräusche der unterschiedlichsten Variationen und geht nach der Lektüre gestärkt aus dem Erfahrenen hervor. Das Buch relativiert die eigenen Probleme und verhilft zur Gelassenheit. Denn diese kam uns durch die Schnelllebigkeit der Zeit ein wenig abhanden. Gerade im Zeichen von Corona kann das Buch einen wieder erden“, schwärmt Wolf-Kurz und präzisiert, dass man das Werk von der Intention her etwa mit „Doktor Erich Kästners lyrische Hausapotheke“ vergleichen könne.
Doch die Antiquarin hat noch einen zweiten Favoriten. „Eine Geschichte des Lesens“ heißt das umfangreiche Buch des Argentiniers Alberto Manguel, der als junger Mann schon dem großen erblindeten Schriftsteller Luis Borges vorgelesen hat. Es ist als Paperback beim S.Fischer-Verlag (ISBN 978-3-596-17515-4) erschienen und beschreibt, wie sich die Schrift, das Lesen und die Bücher über die Jahrtausende entwickelt haben – von der Schriftrolle bis zu auflagenstarken Bestellern der Neuzeit. „Lesen ist wie atmen“, heißt es darin. Besser kann man auch den Leitsatz der belesenen Antiquarin aus Elsbach nicht ausdrücken, der Bücher eine Passion fürs Leben sind. Sie hofft, dass dies noch lange währt, schließlich muss sie noch in viele Werke eintauchen.