Heidelberger Kollege am Bildschirm in Erbachs Klinik
Die Schlaganfalleinheit im Erbacher Krankenhaus arbeitet als „telemedizinisch vernetzte Stroke-Unit“ eng mit der Uniklinik Heidelberg zusammen.
Von Jörg Schwinn
Lokalredakteur Odenwälder Echo
Der Austausch mit Kollegen der Uniklinik Heidelberg ist in der Erbacher Stroke-Unit jederzeit per Datenleitung möglich. Das Bild zeigt (von links) Karsten Ritter (Geschäftsführender Oberarzt), Daniel Ungur (Assistenzarzt), Corina Manschitz (Stroke Nurse) und Daniel Bookjans (Physiotherapeut) – sowie den Heidelberger Neurologen Sibu Muniyanapurath auf dem Bildschirm.
(Foto: Dirk Zengel)
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ERBACH - „Für mich ist das noch immer faszinierend“, sagt Dr. Michael Gomer, und das will etwas heißen. Schließlich ist er als Chefarzt der Inneren Medizin am Odenwälder Gesundheitszentrum ein erfahrener Mann und hat einiges gesehen. Schon seit längerer Zeit zählt dazu auch, dass sich Neurologen der Uniklinik Heidelberg per Datenleitung und Bildschirm zuschalten, wenn in der Stroke-Unit im Erbacher Kreiskrankenhaus ein Patient mit akutem Schlaganfall behandelt wird.
„So ähnlich wie bei Skype“, dem weitverbreiteten Programm für Videoanrufe, müsse man sich das vorstellen, erzählt Gomer – nur in einer weit höheren technischen Qualität und mit enormer Übertragungsgeschwindigkeit. Die Spezialisten der Uniklinik, die über Europas größte Stroke-Unit verfügt, sind an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden verfügbar, um gemeinsam mit den Ärzten in Erbach Patienten zu begutachten und über das weitere Vorgehen mit zu befinden. Das Kreiskrankenhaus arbeitet schon seit 2012 auf diese Weise mit Heidelberg zusammen, nachdem der Kreis früher „ein weißer Fleck“ in Sachen standardisierter Schlaganfallbehandlung war, so Gomer.
Vernetzte Einheit mit Vorreiterrolle in Hessen
Im zu Ende gehenden Jahr sind die Odenwälder den nächsten großen Schritt in dieser Kooperation gegangen: Die vier Behandlungsplätze umfassende Schlaganfalleinheit der Klinik für Innere Medizin im GZO wurde als „telemedizinisch vernetzte Stroke-Unit“ zertifiziert. Sie ist damit die erste in Hessen, die nach Überprüfung seitens der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe dieses Siegel erhalten hat. „Wir sind stolz und wissen um die Verantwortung, die damit einhergeht, dass wir dieses Prädikat führen“, so GZO-Geschäftsführer Andreas Schwab.
SCHLAGANFALL ERKENNEN
Die ersten Anzeichen eines Schlaganfalls lassen sich mit dem F-A-S-T Test erkennen, erläutert das GZO. So funktioniert er:
1. Face (Gesicht): Bitten Sie die Person, zu lächeln. Ist dies problemlos möglich oder bewegt sich beispielsweise ein Mundwinkel nicht mit?
2. Arms (Arme): Bitten Sie die Person, beide Arme zu heben. Funktioniert das oder bewegt sich ein Arm nur schwierig oder gar nicht? Gleiches gilt für die Beine.
3. Speech (Sprache): Bitten Sie die Person, Namen oder Geburtstag zu sagen. Kann sie problemlos antworten, spricht sie undeutlich oder kann die richtigen Worte nicht finden?
4. Time (Zeit): Treten diese Symptome (eines oder mehrere) plötzlich auf, kann ein Schlaganfall vorliegen. Dann sollte der Notarzt über 112 informiert werden. (jös)
Dahinter steckt viel Arbeit und ein hoher Anspruch an das eigene Haus, wie Chefarzt Gomer und Prokuristin Christiane Karnovsky berichten, die das Projekt von Verwaltungsseite betreut. Die Stroke-Unit in Erbach könnte auch ohne das Zertifikat betrieben werden: „Wir haben uns das selbst auferlegt und uns höher qualifiziert als wir müssten, weil das aus unserer Sicht der Weg der Zukunft ist.“ Und den im Schnitt 300 Schlaganfallpatienten nützt, die in Erbach pro Jahr behandelt werden. Schließlich, so betont Karnovsky, geht es im Ernstfall „um Minuten“.
Wie komplex das Ganze ist, lässt sich an der Aufzählung jener Faktoren erkennen, die für die Prädikatvergabe überprüft werden: Neben der Stroke Unit an sich gehören dazu „die Schnittstellen zur Telemedizin, Notaufnahme, kardiologisch-internistischen, radiologischen, neurochirurgischen und gefäßchirurgischen Abteilung, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Neuropsychologie, zum kardiovaskulären Diagnostikbereich und zum Sozialdienst“, hält das GZO fest.
„Der Notfallablauf muss zu jeder Tages- und Nachtzeit zu realisieren sein“, berichten Karnovsky und Gomer. Deswegen müssen die verschiedensten Berufsgruppen innerhalb der Klinik reibungslos zusammenarbeiten – beginnend bei Notärzten und Rettungssanitätern. Neben dem Erkennen der Symptome geht es dabei auch um die entsprechende Anmeldung des Patienten im Krankenhaus: Die geschieht über eine Art „rotes Telefon“ speziell für diese Fälle, damit bei der Einlieferung vor Ort alles bereitsteht. Dass auch die Heidelberger Kollegen von Beginn an dabei sind, bringt laut Gomer noch einen entscheidenden Vorteil mit sich: Stellt sich heraus, dass aufgrund der Schwere des Falls ein Weitertransport in eine Spezialklinik nötig ist – in Erbach betrifft dies durchschnittlich 30 Patienten jährlich –, „dann bekommen wir immer schnell ein Bett“, berichtet Gomer: „Das ist ja heute durchaus ein Problem.“
Die in Erbach vorhandenen Möglichkeiten machten die Klinik außerdem interessant für Mediziner und pflegerisches Personal, so der Chefarzt weiter. Und als akademisches Lehrkrankenhaus der Uniklinik und Partner im Schlaganfallkonsortium Rhein-Neckar (FAST), das die Zusammenarbeit zwischen lokalen und zentralen Kliniken vertiefen soll, profitiert das GZO von den aktuellsten Erkenntnissen der Heidelberger Spezialisten. Die sind zum Austausch mehrmals im Jahr in Erbach zu Gast – und dann nicht nur per Bildschirm.