In Erbach am Sportpark haben Landwirte aus der Region alles aufgeboten, was Wald, Wiese und Stall so hergeben. Was Genießer mit Regionalbewusstsein noch bis Sonntagabend erwartet
ERBACH. Der Korb von Edith Lauer ist gut gefüllt: Äpfel, Käse und sogar Fisch hat sie auf dem Erbacher Bauernmarkt erworben und an den Bierhallen noch was Warmes gegessen. „Ich kaufe seit vielen Jahren sehr bewusst ein“, sagt die Michelstädterin. So wie ihr geht es offenbar vielen Kunden an diesem Freitag, dem ersten von insgesamt drei Markttagen auf dem Wiesenmarktgelände der Kreisstadt: Sie tragen Kanister mit Most, Netze voller Walnüsse, oder auch ganze Kürbisse umher.
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„Wir sind froh, dass diese Veranstaltung nach den zwei Jahren Corona-Pause jetzt wieder stattfinden kann“, sagt Ute Wacker aus Erbach, die mit ihrem Mann Rainer unterwegs ist. Beide mögen die Atmosphäre bei diesem schönen Wetter und schätzen das reiche Angebot sowie die Regionalität: „Man weiß, wo alles herkommt, so etwas unterstützen wir.“
Wie der jeweilige Landwirt heißt, der dort verkauft, und wo er seinen Hof hat, ist an den einzelnen Ständen ablesbar: Orte wie Dorf-Erbach, Ober-Ostern, Rehbach, Hüttenthal oder Momart sind vertreten, womit dieser Markt auch zeigt, dass der Odenwald so ziemlich alles zu bieten hat, was Menschen für eine gesunde Ernährung brauchen.
Rund 75 Beschicker sind dieses Mal dabei, einige weniger als in den Vorjahren, als noch über 100 kamen. Aber der neue Vorstand der Odenwälder Direktvermarkter hat sich wieder auf ein Programm besonnen, das unmittelbar mit Landwirtschaft zu tun hat, erklärt Vereins-Geschäftsführer Ulrich Krämer. Nicht mehr vorhanden sind deshalb der Mittelaltermarkt oder auch Stände, an denen Kleidung verkauft wird. Unverzichtbar bleibt dagegen das Tier-Zelt, in dem sich dieses Mal zwei Esel, zwei Schafe, Toulouser Gänse sowie Truthähne aufhalten. Sehr zur Freude der Kinder, denn an diesem Freitag sind ganze Kita-Gruppen und Schulklassen auf dem Marktgelände vertreten.
Einige stehen vor Korbflechter Raimund Loster und schauen zu, wie er Weidenzweige in Form bringt. 85 Jahre ist er alt, in Schneeberg zu Hause, und er hat sein Handwerk erst als Rentner erlernt: „Mit Bürokram wollte ich da nämlich nichts mehr zu tun haben“, sagt er. Sein Hobby ist jedoch zeitaufwendig: Die Weidenzweige wollen geholt und gerichtet sein, dann müssen sie getrocknet und abermals eingeweicht werden, weil sie sonst brechen könnten. Das Flechten selbst dauert dreieinhalb bis vier Stunden. „Reich werde ich damit nicht, mein Stundenlohn liegt bei fünf Euro“, sagt der 85-Jährige. „Aber wenn ein Korb fertig ist, schön aussieht, und die Leute sich freuen, macht es mir Spaß.“ Etwas zu sehen gibt es für die Besucher auch am Stand des Obsthofes Michel aus Seeheim-Jugenheim, denn dort fließt aus einer Tuchpresse frischer brauner Apfelmost. „Wir verwenden nur Streuobst“, sagt Eva Michel, und mittlerweile lebt ihre Familie davon. Das sah vor einigen Jahren noch ganz anders aus, „denn wir haben nur mit einem Schubkarren angefangen und mussten alle Flächen anpachten“. Idealismus brauche man dazu schon, sagt sie. Und viel Liebe zu den Bäumen.
Wer es gern deftig mag, ist in den Bierhallen richtig. Dort gibt es Würstchen vom Grill und Kühltheken mit so ziemlich allen Fleisch- und Wurstsorten. Auf Schafhaltung und Lammprodukte spezialisiert ist die Schäferei Dingeldey aus Dorf-Erbach. Die Familie ist am Stand vertreten, und Juniorchef Sebastian Dingeldey bedient die Kunden mal am Grill, mal am Frischfleisch. „Wir halten 220 Mutterschafe und schlachten auf dem Hof“, berichtet er. Doch ohne Direktvermarktung könne sein Betrieb heutzutage nicht mehr bestehen. Das dürften auch die Anbieter von süßen Marmeladen, Latwerge und eingeweckten Gemüsesorten so sehen. Dass die hochwertigen Lebensmittel dort allesamt ihren Preis haben, liegt in der Natur der Sache – aber die allgemeine Teuerung sorgt nicht gerade für Entspannung. „Ich habe hier die teuerste Bratwurst meines Lebens gegessen“, sagt Kundin Eva Lauer: „4,50 Euro kostete die. Für eine Familie mit zwei Kindern ist das schon viel.“ Aber die Michelstädterin zeigt Verständnis: „Die Landwirte wollen ja auch leben. Die fetten Jahre sind eben vorbei.“
Von Sabine Richter