Für einen symbolischen Betrag würde das Land der Stadt Erbach deren ältestes Haus verkaufen. Doch die Lokalpolitiker wollen nicht einschlagen.
ERBACH. Das Tempelhaus zwischen dem heutigen Städtel, dem Kern der Erbacher Altstadt, und der Brückenstraße ist schon immer für Aufmerksamkeit gut. Das gilt sowohl im Bezug auf das Stadtbild, aus dem es mit seiner unorthodoxen Erscheinung heraussticht, als auch für die Lokalpolitik. Denn das Tempelhaus war mangels Nutzung und Sanierung jahrzehntelang dem Niedergang preisgegeben, ehe das Land Hessen in eine Substanzsicherung investierte. Seitdem aber steht es wieder leer – und ist nun mit der Möglichkeit des Besitzerwechsels auf die Tagesordnung der städtischen Gremien gekommen.
Diskutiert wird damit wieder über ein Gebäude, über das ein etwas unscheinbares Schild am Sandsteingemäuer mit bereits leicht verblasstem Wappen des Erbacher Grafenhauses aussagt, dass das Gebäude im Jahr 1378 erbaut wurde. Errichtet haben es seine Baumeister als befestigten Wohnturm der Burgmannenfamilie Echter. Später diente es bis zum Jahr 1822 als Großherzoglich Hessisches Amtshaus.
17 Jahre lang im Dornröschenschlaf
Danach war es Landratsamt und ab 1853 Hospital, Luisen- und Erasmusstift. Im Zuge des Schlossverkaufes im Jahr 2005 ging das, wohl abgesehen vom Schlossturm, älteste Gebäude der Stadt in das Eigentum des Landes Hessen über. Und verblieb dort 17 Jahre lang im Dornröschenschlaf. Es gab keine Sanierung und das als „kulturhistorisch äußerst bedeutsames Baudenkmal“ gewertete Haus blieb ungenutzt. Die Kreisstadt erhielt jetzt aus Wiesbaden das Angebot, dieses „stadtbildprägende Burgmannenhaus“ für den symbolischen Betrag von einem Euro zu kaufen.
Das wurde zuletzt in der Stadtverordnetenversammlung unter Vorsitz von Antonio Marques Duarte (SPD) thematisiert. Ein historisches Sandsteingebäude im Alter von fast 650 Jahren für nur einen Euro erwerben zu können – mit einem Haken war bei diesem Angebot zu rechnen, zumal es im aktuellen unsanierten Zustand nicht nutzbar ist. Eine Machbarkeitsstudie vom März 2019 weist den stattlichen Betrag von 1,9 Millionen Euro für eine Nutzbarmachung des Hauses aus.
Unter Berücksichtigung der derzeit erheblichen Kostensteigerungen im Bausektor hält die Stadt selbst ein heutiges Kostenvolumen von rund drei Millionen Euro für realistisch. Eine Nutzbarmachung erscheint den Verantwortlichen aktuell zwar noch nicht geboten, sollte aber zu einem späteren Zeitpunkt ins Auge gefasst werden, so die Empfehlung.
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Bei aller Wertschätzung für das Baudenkmal Tempelhaus kein einfaches Thema also, wie die daraus entstandene Diskussion deutlich machte. Michael Gänssle (ÜWG) konnte für den von ihm geleiteten Haupt- und Finanzausschuss keine positive Empfehlung geben, und Sprecher unterschiedlicher Fraktionen stimmten dem zu. Bei der Kostenlage gebe es zu viele Unwägbarkeiten, das Projekt sei nicht abstimmungsreif, so der Tenor, dem sich auch Bürgermeister Dr. Peter Traub anschloss.
Er zog den Antrag zurück und versprach, die Stadt werde zunächst ein mögliches Nutzungskonzept erstellen, um dann mit dem Landesdenkmalamt darüber und über Fördermittelquellen zu reden. Auch Klaus-Peter Trumpfheller (CDU) als Vorsitzender des Bauausschusses empfahl Vertagung des Themas. Die Entwicklung der Sanierungskosten in den nächsten Jahren sei nicht absehbar. Den Rückzug des Antrags durch den Bürgermeister bezeichnete er als sinnvoll.
Parlament stimmt Nachtragshaushalt zu
Der im Vormonat von Traub eingebrachte Nachtragshaushalt fand Zustimmung beim Parlament, zumal diverse Ausgaben ja bereits beschlossen waren. Die darin wesentlichen Punkte sind die Kosten für die Schaffung des Glasfasernetzes für besseres Internet im gesamten Stadtgebiet, die mit 2,8 Millionen Euro verteilt auf acht Jahre zu Buche schlagen. Hinzu kommen weitere 400.000 Euro für zu erwerbende Anteile an der Entega Kommunale Beteiligungen GmbH. Als positiv weist der Nachtrag eine Verbesserung der Erträge um 855.000 Euro aus.
Die SPD-Fraktion griff einen bereits vor einem Jahr schon vorgelegten Antrag neu auf. Sie strebt damit eine Neuregelung der Erhebung von Straßengebühren in Form wiederkehrender Beiträge an. Die Stellungnahmen der Ausschüsse und die Diskussion verwiesen auf sehr viel Klärungsbedarf. Verschiedene Forderungen nach Beibehaltung des bisherigen, durch Stundungsmöglichkeiten erleichterten Verfahrens führten zur Rücknahme des Antrages durch Sprecher Bernd Pfau.