Der große Maler als ein Stück Erbach

In einem seiner Bilder hat der in Erbach geborene Maler Otto Heinrich Engel (links in einem Selbstporträt) den Seedamm am Nordportal der Stadt festgehalten. Das Werk, das wohl um 1900 entstand, ist im Besitz der Stadt und wird üblicherweise im Verwaltungsgebäude gezeigt. Repros: Peter W. Sattler

Rotary-Club hebt mit Gedenktafel den Bezug der Kreisstadt zu Otto Heinrich Engel hervor, der hier geboren war.

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ERBACH. Zwar trägt in Erbach eine Straße den Namen jenes renommierten Künstlers, der von der Odenwälder Kreisstadt aus Weltgeltung erlangte. Doch jenseits der Fachwelt und des Kreises eingeweihter Erbach-Kenner sind Otto Heinrich Engel (1866-1949) und sein Bezug in den Odenwald wenig bekannt. Dabei steht der Kunstmaler als Wegbereiter zu einer avantgardistisch-modernen Malerei in Deutschland in einer Reihe mit Größen wie Max Liebermann.

In einem seiner Bilder hat der in Erbach geborene Maler Otto Heinrich Engel (links in einem Selbstporträt) den Seedamm am Nordportal der Stadt festgehalten. Das Werk, das wohl um 1900 entstand, ist im Besitz der Stadt und wird üblicherweise im Verwaltungsgebäude gezeigt. Repros: Peter W. Sattler

Da wundert es nicht, dass es ein Maler und Kunstlehrer ist, den diese Ignoranz nicht ruhen ließ: Oberstudienrat i. R. Dieter Klapproth (Unter-Mossau) forschte über die Ursprünge Engels in Erbach und gewann seinen Rotary-Club Erbach-Michelstadt für die Herstellung und Installation einer Gedenktafel. Die hat nun bei einem Festakt mit Rotary-Präsident Jens Ruppert, Bürgermeister Dr. Peter Traub und dem Vorsitzenden des Historischen Vereins, Horst Anthoni, ihren Platz dort gefunden, wo der große Sohn Erbachs seine frühe Kindheit verbrachte.

Erinnert wird damit zugleich an ein verschwundenes Viertel der Kreisstadt, das seinen Dreh- und Angelpunkt in einem mächtigen Schulhaus hatte, nach dessen Absicherung vom Straßenraum im Volksmund „Die Kettenschule“ genannt. Sie stand dort, wo heute am Rand eines Neubaublocks aus den späten Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts das Fachgeschäft „Die Brille“ seinen Platz hat. Im historischen Vorgänger-Gebäude kam Otto Heinrich Engel am zweiten Weihnachtstag 1866 in Erbach zur Welt, um am 13. Januar 1867 in der Stadtkirche getauft zu werden. Sein Vater, Heinrich Engel, war evangelisch-lutherischer Diakon und von 1862 bis 1868 zweiter Stadtpfarrer, als der er im Schulhaus seine Dienstwohnung hatte. Ende der 1860er zog es die Engels dann vom Odenwald nach Berlin, wo Sohn Otto Heinrich schon früh sein künstlerisches Talent offenbarte und sodann mit einem Studium in Berlin, Karlsruhe und München zu Beruf und Lebensinhalt machte.

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„Vor dem Hintergrund meiner Überzeugung, dass Engel in Erbach eine Erinnerung verdient, habe ich mich intensiv mit Leben und Werk des Künstlers befasst“, verdeutlichte Initiator Klapproth zur Vorstellung der Gedenktafel. So besorgte er sich eine Reihe interessanter Dokumente, darunter Kopien der Geburts- und Taufurkunde des Malers sowie mehrere Beispiele seiner Kunst. „Ein Glücksfall war, dass ich einen Enkel des Künstlers ausfindig machen konnte“, berichtete Klapproth weiter. Es ist Christoph Wodicka in Solingen, der dem Odenwälder weitere wichtige Unterlagen besorgte. Darunter befinden sich Aufzeichnungen aus einem Tagebuch von Ida Engel geborene Haas, der Mutter des Künstlers.

Nach dem Wegzug der Engels aus Erbach besuchten Mitglieder der Familie Engel immer wieder einmal die Stadt, wovon Ansichtskarten zeugen. Eine davon hat Otto Heinrich Engel am 14. Oktober 1911 an seinen Sohn Hans geschickt. Eine andere aus dem Jahr 1935 und ein Foto von 1953 zeigen die Kettenschule. „Engel hat mit der Abkehr von der Ateliermalerei zur Freilichtmalerei auch programmatisch das Anliegen des modernen Kunstschaffens in Deutschland vertreten und gefördert“, so Klapproth. So sei die erste Ausstellung der Secession 1899 ein rauschender Erfolg gewesen.

Aus dem Schaffen Engels ist ein Gemälde nach Erbach gelangt, das sich im Besitz der Stadt befindet und üblicherweise im Verwaltungshaus aushängt. Zurzeit ist es im Schaufenster der Buchhandlung „Das Buchkabinett“ im ehemaligen Kettenschule-Viertel ausgestellt. Es zeigt die Kastanienallee am Erbacher Seedamm, heute der westliche Abschnitt der Martin-Luther-Straße mit Post, Landratsamt und Wiesenmarktsgelände. Das Gemälde scheint um 1900 entstanden zu sein.

Von Peter W. Sattler