Mhr junge Menschen neigen zu risikoreichem Verhalten

Der Fachtag bildete den Auftakt zur 21. Mannheimer Woche der Seelischen Gesundheit. Foto: Gerold
MANNHEIM - Sie verletzten sich selbst, um sich Schmerzen zuzufügen, reagieren hochaggressiv auf andere, schädigen sich durch exzessiven Alkoholkonsum oder sexuelles Risikoverhalten. Ihre Gefühlslage schwankt zwischen Euphorie und Depression bis hin zu Suizidgedanken. Laut der bundesweit durchgeführten „Bella-Studie“ zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten von Kindern und Jugendlichen liegen bei rund 22 Prozent der Befragten Hinweise auf psychische Auffälligkeiten vor.
Mit solchem risikoreichen Verhalten im Jugend- und jungen Erwachsenenalter, Behandlungsmöglichkeiten, Hilfskonzepte und Perspektiven für Schule und Beruf befasste sich nun der Fachtag zum Auftakt der 21. Mannheimer Woche der Seelischen Gesundheit. „Die Zahlen von stark reizbaren Jugendlichen, die ihre Impulse nur schwer kontrollieren können, nehmen zu“, teilte Eva Möhler dem Auditorium im Stadthaus N1 mit. Die Oberärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Heidelberg forscht zu diesem Thema. Neben angeborenen und genetischen Ursachen sowie bestimmten Kindheitserlebnissen ist demnach vor allem das reizintensive Umfeld, mit dem Kinder und Jugendliche häufig nicht zurechtkommen, ein Faktor. „Reale und virtuelle Welten verschwimmen, die Gesellschaft ist im Wandel“, formulierte es Bürgermeisterin Ulrike Freundlieb in ihrer Begrüßung.
Und wenn stützende Strukturen und verlässliche Werte fehlen, dann kann es zu selbstzerstörendem und Hochrisiko-Verhalten im Jugendalter kommen, um Anspannungszustände abzubauen.
Bei den betroffenen Jugendlichen ist laut Möhler zu beobachten, dass sie sich zurückgewiesen und nicht zur Gemeinschaft zugehörig fühlen. Sie empfinden an sich neutrale Reize als extrem stark. Es kommt zu einer „Gefühlsüberflutung“.
Für Patienten, die zur Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung neigen, hat sich als Behandlungsform laut Möhler die dreimonatige sogenannte Dialektisch-Behaviorale Therapie etabliert. Dabei geht es darum, die Schwarz-Weiß-Welt der Jugendlichen aufzulösen, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen und zugleich klar zu machen, dass zwei Dinge, die widersprüchlich erscheinen, dennoch wahr sein können. Ein Beispiel: Dass die Mutter gerade stinksauer auf sie ist, ist nicht gleichbedeutend damit, dass diese sich grundsätzlich von ihnen abwendet. Zugleich wird den Betroffenen konkret an die Hand gegeben, was sie tun können, um eine für sie schlimme Situation zu unterbrechen.
Weiteres Thema des Fachtags war die Abhängigkeit von Computerspielen, die seit April 2018 als eigenständige Suchterkrankung anerkannt ist. Laut Beate Dörflinger von der Suchberatungsstelle des Caritasverbands Mannheim nicht die einzige Gefahr, die das Internet für junge Menschen bereithält. Laut einer DAK-Studie nutzten 40 Prozent der Mädchen die sozialen Medien, um Bestätigung zu erhalten und negative Gefühle abzubauen. Auch Online-Shopping, Online-Glücksspiel, extremes Surfen im Netz oder Videostreaming hat Abhängigkeitspotenzial. Der gesunde Umgang mit dem Internet bezeichnet Dörflinger daher als gesamtgesellschaftliche Herausforderung und berichtete über Anzeichen einer Abhängigkeit und Behandlungsmöglichkeiten.