Was in Mainz getan werden muss, um die Vielfalt der Tiere, Pflanzen und Ökosysteme zu sichern und zu fördern, hat die Stadt in einem neuen Konzept festgelegt. Doch bis dahin...
MAINZ. Noch ist die Hoffnung da. „Es ist fünf vor zwölf“, sagt Sonja Gärtner. Es gebe zwar bereits massive Rückgänge bei der Biodiversität, der Vielfalt der Tiere, Pflanzen und Ökosysteme, doch wenn man etwas tue, Teiche oder Trockenmauern anlege, „dann nimmt die Natur das schnell an“. Und was zu tun ist, damit mehr Vielfalt auch in Mainz überleben kann, hat die Stadt nun in einer Biodiversitätsstrategie festgeschrieben, die Projektleiterin Gärtner von der Unteren Naturschutzbehörde an der Seite von Grün- und Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) vorstellt.
Das 63-seitige Strategiepapier soll einerseits den aktuellen Stand in unterschiedlichen Bereichen darstellen und gleichzeitig festhalten, welche strategischen Ziele es jeweils gibt. Zum Erreichen der Ziele stehen jährlich 30.000 Euro zur Verfügung. In dieser Woche soll die Strategie im Ausschuss vorgestellt und in der kommenden Woche im Stadtrat verabschiedet werden. Damit gebe es dann „ein Bekenntnis zur Verantwortung für die Biodiversität und zu der Strategie“, erklärt Eder. „Das bildet die Grundlage, auf der man dann Dinge wie eine Verschärfung der Grünsatzung aufsetzen kann.“ Diese soll im Laufe des Jahres verabschiedet werden und unter anderem ausgeweitete Vorschriften zur Dach- und Fassadenbegrünung sowie ein Verbot von Steingärten enthalten.
Strategie seit 2012 in Arbeit
Aus der Strategie sollten Entscheidungen für das tägliche Handeln der Verwaltung abgeleitet werden, so Eder. Doch auch jeder einzelne könne zur Biodiversität beitragen, beginnend im eigenen Garten, um „das größte Artensterben seit der Zeit der Dinosaurier“ zu bremsen. Mit der Strategie wolle man auch „mit der Stadtgesellschaft in die Diskussion“ eintreten.
Bis zu ihrer Verabschiedung hat die Biodiversitätsstrategie schon eine lange Geschichte hinter sich. Der ursprüngliche Beschluss zu ihrer Anfertigung stammt aus dem Jahr 2012. Aufgrund mangelnden Personals habe die Arbeit an dem Papier aber zwischenzeitlich drei Jahre still gelegen, erklärt Gärtner. 2019 konnten dann Bürger und Verbände in einem Workshop noch einmal Input geben, bevor die Strategie nun fertiggestellt wurde.
Von Parks und Grünanlagen über Stadtplätze, Friedhöfe, Kleingärten, das Rheinufer, Bauleitplanungen und Dachbegrünungen bis zu Biotopflächen, Kompensationsflächen und dem Schutz des Feldhamsters behandelt die Strategie viele verschiedene Aspekte. So solle in den öffentlichen Parks etwa mehr Bereiche mit seltener gemähten Wiesen als Lebensräume für Insekten geschaffen werden. Bei neu zu planenden Quartieren fordert das Papier zwölf Quadratmeter wohnortnahe Grünfläche pro Einwohner – eine Vorgabe, die im Heiligkreuz-Areal zum ersten Mal gelinge, sagt Eder. Wobei immer die Frage sei, ob beispielsweise Spielplätze in die Rechnung mit einflössen.
Mehr Grün und unversiegelte Flächen
Auf Plätzen in der Stadt fordert die Strategie mehr unversiegelte Flächen und heimische Blühgehölze. Beim Urban Gardening sollten weitere Projekte geprüft und umgesetzt werden, unter anderem um mehr Bewusstsein für das Thema Biodiversität zu schaffen.
Bei den Friedhöfen gebe es durch den Trend weg vom Erdgrab teilweise schon Bereiche, die auf Vögel und Insekten ausgerichtet seien. Diese Entwicklung solle auf die kleineren Friedhöfe ausgeweitet werden, erklärt Eder. Mit den Kleingartenvereinen soll das Gespräch gesucht werden, um die Gartenordnungen ökologisch zu überarbeiten und das Rheinufer soll als Lebensraum und Nahrungsquelle weiterentwickelt werden – auch wenn dies für den ein oder anderen ungepflegt aussehe, wie Eder betont.
Bei Neubauten sollte darauf geachtet werden, dass mehr Fläche begrünt werde und Auflagen besser kontrolliert würden, fordert das Strategiepapier. Ebenfalls besser kontrolliert werden müssten Kompensationsflächen, sagt Eder. Hier komme es häufiger zu illegaler Landnahme, indem Grillhütten, Zäune, Spielgeräte oder ähnliches auf die Flächen gestellt würden. Auch Schutzgebiete und Biotope bräuchten mehr Pflege.
Es sei oft schwierig, Leuten die Bedeutung des Artenschutzes näher zu bringen, erklärt Eder. Immer wieder stünden dem Interessen etwa der Wirtschaft oder zum Beispiel im Falle von Beleuchtung des Sicherheitsgefühls gegenüber. Doch das Ökosystem, in dem alles mit allem zusammenhänge, sei über Millionen Jahre gewachsen. Und es sei wie beim Auto: „Wenn ein Teil nicht funktioniert, fährt es vielleicht noch. Wenn zwei oder drei kaputt sind, wird es schwierig.“