Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist zu Besuch bei Sozialmediziner Gerhard Trabert. Steinmeier sprach unter anderem mit dessen ältestem Patienten.
MAINZ. Bei einem Besuch der medizinischen Ambulanz für Obdachlose in Mainz hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Betroffenen von Armut und Not ausgetauscht. Er traf am Donnerstag mit dem Sozialmediziner Gerhard Trabert zusammen und erwiderte damit dessen Besuch Anfang März im Schloss Bellevue. Unter den Gesprächspartnern waren auch Geflüchtete aus Syrien und Kamerun.
Steinmeier betrat das Arztmobil von Traberts Verein Armut und Gesundheit in Deutschland und sprach dort mit dem 89-jährigen Wolfgang Fahr, dem ältesten Patienten Traberts. Dieser erzählte dem Staatsoberhaupt, wie er 30 Jahre lang "auf Wanderschaft" war und dabei mehrfach wegen "Landstreicherei" inhaftiert wurde. Inzwischen lebt er in einem Seniorenheim. Steinmeier erkundigte sich nach dem 90. Geburtstag Fahrs und versprach: "Wir merken uns den 6. Oktober!"
Anschließend sollen auch unter anderem Hilfsangebote des Vereins mit Helfern und Betroffenen besprochen werden. Zudem sollen die „Medizinische Ambulanz ohne Grenzen“ für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz und die „Clearingstelle Krankenversicherung Rheinland-Pfalz“ Thema sein. Mindestens eine Stunde soll das Treffen dauern.
Anschließend traf der Bundespräsident mit dem 68-jährigen Diskjockey Michael Schweickert zusammen, der lange Zeit nicht krankenversichert war und bei Beschwerden im Alter große Probleme hatte, wieder zu einer Versicherung zurückzukommen. Dabei half ihm die von Armut und Gesundheit in Deutschland eingerichtete Clearingstelle Krankenversicherung. "Er ist kein Einzelfall", sagte Trabert. "Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass Krankenkassen nicht rechtskonform beraten."
Mit seinem Besuch löst Steinmeier ein Anfang März bei Traberts Besuch im Schloss Bellevue in Berlin gegebenes Versprechen ein. Dass sich der Bundespräsident schon lange mit der Lage der Ärmsten und Verwundbarsten im Land auseinandersetze, das habe man bereits während des ersten Austauschs im Frühjahr gespürt, hatte Trabert seinerzeit gegenüber dieser Zeitung berichtet.
Trabert: "Ich bin sehr dankbar"
Traberts Verein Armut und Gesundheit in Deutschland verfolgt seit 1997 das Konzept einer aufsuchenden Sozialarbeit, die zu den bedürftigen Menschen hingeht und sie an ihrem Lebensort unterstützt. Der Vater von vier Kindern hat außerdem immer wieder medizinische Hilfe zu Betroffenen von Naturkatastrophen und Kriegen gebracht - nach Afghanistan oder Syrien, Sri Lanka oder Haiti und zuletzt auch in die Ukraine.
"Ich bin sehr dankbar, dass er uns genau jetzt in dieser Zeit besucht", sagte Trabert. Die Demokratie müsse nicht nur gegen Bedrohungen von außen, sondern auch nach innen verteidigt werden. "In der Pandemie waren Arme besonders betroffen", sagte Trabert. "Jetzt leiden Bezieher von Hartz-IV-Leistungen nochmal besonders unter den steigenden Lebenshaltungskosten." Der Arzt fügte hinzu: "Hier muss gegengesteuert werden." Ansonsten bestehe die Gefahr, dass Demokratie von innen destabilisiert werde.
Die protokollarische Begleitung des Bundespräsidenten bei seinem Besuch in Mainz übernimmt Familien- und Integrationsministerin Katharina Binz (Grüne) in Vertretung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Trabert, der Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden ist, hatte am 13. März als parteiloser Kandidat für die Linke in der Bundesversammlung für das Amt des Bundespräsidenten kandidiert. Daraufhin hatte der wiedergewählte Bundespräsident Steinmeier den Mainzer Arzt Anfang März ins Schloss Bellevue zu einem Gespräch über Obdachlosigkeit eingeladen.