Der junge Angeklagte fällt der Richterin bei der Urteilsbegründung ins Wort: Ein Unding eigentlich. Aber er nimmt nur vorweg, was sie sagen will: Ein banaler, wenn auch...
MAINZ. Der junge Angeklagte fällt der Richterin bei der Urteilsbegründung ins Wort: Ein Unding eigentlich. Aber er nimmt nur vorweg, was sie sagen will: Ein banaler, wenn auch unverzeihlicher Ebay-Betrug hätte den fast 21 Jahre alten Mainzer beinahe für zwei Jahre und drei Monate hinter Gitter gebracht. „Damit hätte ich mir das ganze Leben versaut“, stellt er fest, und Richterin Christel Knechtel freut sich: „Sie haben es verstanden.“
Als der Jugendliche im Februar 2017 ein Paar hochwertige neue Turnschuhe auf der Internetplattform für knapp 90 Euro verkauft, das Geld kassiert, dann aber nicht liefert, stand er unter laufender Bewährung auf eine zweijährige Haftstrafe: Raub, Diebstahl, Körperverletzung, Erpressung gehen bereits auf sein Konto. Jetzt hätte eine Einheitsjugendstrafe aus der alten und der neuen Strafe gebildet werden müssen. Mehr als zwei Jahre, da hätte der Mainzer unweigerlich in Haft gemusst. Doch der dem Gericht „gut bekannte“ Jugendliche hat seit Juni 2017 nachweislich einen Reifesprung gemacht: „Schädliche Neigungen sind nicht mehr zu erkennen“, bekräftigt Knechtel, die deshalb mit ihren Schöffen zum Schluss kommt, eine isolierte Entscheidung zu treffen: Sie sprechen nur eine Verwarnung aus und verhängen eine Geldbuße von 300 Euro zugunsten eines gemeinnützigen Vereins. Man müsse auch sehen, dass die Schuhe verschickt wurden, freilich erst nachdem der Käufer den Mainzer angezeigt hatte.
Mit der Entscheidung, der sich Staatsanwalt und Verteidiger anschlossen, zeigte das Gericht das Vertrauen, das es in den jungen Mann setzt. Früher laut Knechtel „immer wieder in intensivem Maße mit schweren Taten straffällig geworden“, hat der 20-Jährige auch nach Aussage der Vertreterinnen der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe zum richtigen Weg gefunden. Die alten Freunde treffe er nicht mehr, er arbeite im Drei-Schicht-Dienst, gebe daheim Geld ab und finanziere sich sein Auto selbst. Jetzt sei er auf der Suche nach einer Lehrstelle. Denn auf Dauer nur als Hilfsarbeiter tätig zu ein, das sei nicht sein Ziel.
Bei seiner Einlassung zur Sache hatte er noch ein wenig um den „heißen Brei“ geredet. Er habe es „verpeilt“, die Schuhe loszuschicken. Sein Verteidiger griff das auf. Nicht aber Staatsanwalt und Gericht: Zweimal hatte der Käufer nachgefragt, dann Anzeige erstattet. Erst danach gingen die Schuhe auf die Reise.