Meinung

Wenn ein Rocker erstmals rappt

Lutz Hermann und Volker Radics sind zusammen "Mr. Lu und Fanto".

Gedankengänge auf der Liedzeile: Der Poetry-Slammer Lutz Hermann aus Marburg schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Musik, heute über eigene Arbeit mit „Fanto” als „Mr. Lu”.

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„Okay, jeden Tag sitz ich so an meinem Schreibtisch, und immer denk ich mir: Yo hier bleib ich. Weil hier gute Vibes sind.“ Diese Zeilen stammen aus meiner eigenen Feder. 2018 habe ich sie mit meinem Kollegen Fanto (mit bürgerlichem Namen Volker Radics) aufgenommen. Was dabei entstanden ist, haben wir als Mr. Lu und Fanto auf der EP „naiv aber glücklich“ veröffentlicht und mir damit einen Jugendtraum erfüllt. Danke Volker!

Die Zeilen, die er auf dem Song „Mr. Lu und Hitzefrei“ rappt, sind die (beinahe) ersten Rap-Zeilen seines Lebens. Eigentlich ist er Rockmusiker, hat mit seiner Band schon etliche Konzerte gespielt.

„Es geht mir um das Ausprobieren”

Und weil er musikalischer ist als ich, passen seine Worte besser auf den Takt als meine und das wurmt mich ein wenig, aber darum geht es mir nicht. Es geht mir um das Ausprobieren. Um das Machen. Und wenn ich an meinem Tisch sitze und schreibe, spüre ich Energie, es geht voran und ich öffne mich.

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Obwohl mir vieles Angst macht. Zum Beispiel Nachrichten von Ausschreitungen und Krieg. Polizisten, die bei einer Routine-Kontrolle einfach erschossen werden. Amok-Läufe, Armut und wieder Krieg. Und was meine Schüler*innen mir erzählen. Wenn ich merke, wie schwer sie es haben. Es gelingt ihnen oft nicht, sich darauf zu fokussieren, was sie voranbringt. Ich höre ihre Geschichten von Flucht oder Ausgrenzung. Sie erzählen: „Ich habe einfach die Motivation verloren.“ Und: „Ich weiß nicht, wofür ich das mache.“ Der Tiefpunkt der Hoffnungslosigkeit war sicherlich, als ich vorletztes Jahr auf der Beerdigung eines jungen Mannes war, der sich das Leben genommen hatte. Das alles und noch viel mehr… beschäftigt mich.

Wenn ich an meinen Texten sitze, kann ich versuchen, es in Worte zu fassen. Diese Sortier- und Ausdrucksarbeit hilft mir, auch im Alltag nicht den Mut zu verlieren. Deswegen kehre ich immer wieder gerne an meine Texte zurück. Und dann geht es weiter: „Yo ich sitz an meinem Schreibtisch, doch hier bleib ich nicht.“