Meinung

„Beim Rap kommen Menschen zu Wort”

Lutz Hermann schreibt über Witten Untouchable.

Gedankengänge auf der Liedzeile: Der Poetry-Slammer, Autor und Lehrer Lutz Hermann aus Marburg schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Musik, heute über Witten Untouchable.

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„Doch Zuhause hab ich mega viel an Wäsche, erzähl mir bitte nichts von negativer Presse.“ So rappt Lakmann One in dem Lied Offday (erschienen auf dem Album Republic of Untouchable im Jahr 2017). Widerspricht dieser Vers nicht dem Klischee vom goldkettchentragenden Rapper, der sich um nichts anderes kümmert als um sein eigenes Image? Ich kann an den ersten Teil dieser Zeile wunderbar anknüpfen, da ich gerade auch mal wieder kaum zum Bügeln komme und volle Körbe ungebügelter Wäsche in unserem Schlafzimmer stehen.

Ich weiß nicht, was ihr über Rap-Musik denkt. Ob ihr die Nase rümpft. Es ist jedenfalls eine Musik, in der Menschen zu Wort kommen, die ansonsten in Deutschland keine Stimme hätten. Oft sind es Jugendliche mit Migrationshintergrund, die Rap hören oder machen. So auch Lakmann One, der eigentlich Evangelos Polichronidis heißt. Er war Teil des Duos Creutzfeld & Jakob. Sein Kollege hörte bald auf mit dem Rappen und wurde Hirnchirurg an der Uniklinik in Essen.

In einem anderen Lied von Lakmann heißt es: „Ich komm aus nem Umfeld, das umfällt, denn es raucht Unkraut, das umhaut.“ Wie bei vielen anderen hat die Musik auch in seinem „Umfeld, das umfällt“ für Stabilität gesorgt. Und seine Kinder. Am Ende des Videos zu „Wofür mach ich das?“ tauchen zwei kleine Kinder auf. Die Antwort auf die Frage „Wofür mach ich das?“ scheint für Lakmann auf der Hand zu liegen: für seine Kinder.

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Textilpflege ist keine Frauensache mehr

Deswegen will ich jetzt zum Anfangszitat zurückkommen. Mir gefällt die Bodenständigkeit und Reife, die aus diesen Zeilen spricht. Wer die Wäsche, die zuhause auf ihn wartet, ernstnimmt, läuft nicht Gefahr, arrogant zu werden und abzuheben. Wer Kinder hat und diese ernstnimmt, weiß, dass da Woche für Woche einiges an Wäsche anfällt. Und wie jeder weiß, brauchen Kinder „kein Umfeld, das umfällt“, sondern am besten ein ganzes Dorf, das sie liebevoll großzieht. Und jemand muss sich um die Wäsche kümmern. Früher hat das scheinbar selbstverständlich „die“ Frau gemacht. Glücklicherweise machen sich heute immer mehr Menschen bewusst, dass die Aussage „Textilpflege ist Frauensache“ nur ein überholtes Klischee ist. Vielleicht hat dazu auch Lakmann seinen Teil beigetragen.

Lutz Hermann ist Lehrer, Poetry-Slammer und Autor. In Gladenbach aufgewachsen, lebt er heute mit seiner Familie in Marburg. An dieser Stelle schreibt er regelmäßig über Musik. Mehr von ihm findet sich auf www.hermann-schreibt.de.