Der ehemalige Raumfahrer Thomas Reiter war der erste Deutsche, der im All spazieren ging. Seine Zuhörer nahm er jetzt mit auf eine faszinierende Reise durch den Weltraum.
UNDENHEIM. „Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200", so heißt es am Anfang der Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“. Wir schreiben das Jahr 2019, und Fiktion ist Realität geworden: Der deutsche Astronaut Dr. Thomas Reiter ist im Undenheimer Weingut Junghof gelandet – und entpuppt sich als Mensch wie „du und ich". Viele Interessierte, darunter auch zahlreiche Kinder, nutzen die Gelegenheit, einmal im Leben einen leibhaftigen Astronauten hautnah zu erleben.
Der Undenheimer Thomas Zimmerer erklärt, wie es zur Dorflandung des „Weltenbummlers“ inmitten Rheinhessens kam: „Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit als Konstrukteur großer Satelliten-, Antennen- und Teleskopanlagen weltweit habe ich Thomas Reiter in Darmstadt bei dem European Space Operation Centre (ESOC) kennengelernt." Das wäre also geklärt, und jetzt geht es auch schon los: Mit 218 Tonnen Treibstoff und sechsfacher Schallgeschwindigkeit startet die 50 Meter hohe russische Sojus Trägerrakete TM-22 mit Thomas Reiter an Bord und erreicht nach zwei Tagen die russische Raumstation „Mir“.
Das war am 3. September 1995, und die Augen des deutschen Astronauten glänzen immer noch, wenn er davon spricht – das macht er so lebendig, dass seine Zuhörer fast glauben, sie sind mit an Bord. Doch die Geschichte geht weiter: Jahre später gehörte Reiter der Crew der ISS-Raumstation an, die hauptsächlich wegen wissenschaftlicher Experimente für die Herzforschung und Materialprüfung im Orbit arbeitet. An der ISS (International Space Station) sind gegenwärtig weltweit 15 Länder beteiligt. Die gigantische Konstruktion wiegt 450 Tonnen, die Länge der Gitterstruktur misst 109 Meter und die Breite der Solarmodule umfasst 73 Meter.
In einer üppig ausgestatteten Multimediashow unternimmt Reiter mit dem zahlreich erschienenen Publikum einen geräuschlosen, schwerelosen Flug durch alle Räume der Raumstation. Das lässt erahnen, was ein Leben 400 Kilometer über der Erde tatsächlich bedeutet. Ein Wassertropfen, der auf der Erde einfach so herunterperlt, wird im Weltall zur Kugel, die – einmal angestoßen – für immer durch Raum und Zeit schwebt. So lustig, wie sich das manchmal anhört, ist das Leben abgeschottet in einem Raumschiff allerdings nicht. Reparaturen am Schiff müssen durch die Crew selbst erfolgen, und im All müssen wie auf der Erde auch ganz banale Dinge wie Zähne putzen erledigt werden.
Ein Highlight waren für Reiter die beiden Außeneinsätze im Weltraum, sowohl bei der Mir als auch bei der ISS. Konkret heißt das: raus aus dem Raumschiff! Dies setzt wochenlange Vorbereitungen voraus, am Tag selbst muss der Körper langsam an den erdfernen Druck angepasst werden, sonst bildet der Stickstoff im Blut lebensbedrohende Bläschen. Dann geht es durch die Schleusenkammer endgültig zum sechsstündigen „Ausflug“ hinaus ins All. „Wahnsinn, ich kann kaum ausdrücken, welche Gefühle in mir hochgekommen sind. Das träumst Du, das kann doch wohl nicht wahr sein!", ruft Reiter den aufmerksamen Zuhörern zu. Der Aufenthalt im All ist trotz der Schwerelosigkeit sehr anstrengend, erzählt er, ein gelegentlicher Blick auf den blauen Planeten ist indessen nicht verboten: Mal gelingt ein Blick in das Auge eines Hurrikans, mal ist das grüne Europa auszumachen.
Eine messerscharfe Aufnahme, die Reiter mitgebracht hat, zeigt sogar Rheinhessen mit dem Rheinknie bei Mainz. Wer viel Phantasie entwickelt, kann sogar Undenheim erahnen. Die Erde wird bei einer Reisegeschwindigkeit von 28 000 Kilometern pro Stunde im 90- Minuten-Takt umrundet, alle 90 Minuten gibt es einen Sonnenaufgang, einmalig und jedes Mal wieder anders. Irgendwann ist auch die spannendste Weltraummission beendet, der beschwerliche Rückweg muss angetreten werden. Mit vier- bis fünffacher Erdbeschleunigung werden die Astronauten in die Sitze gepresst. Eine enorm hohe körperliche Belastung nach langer Präsenz in der Schwerelosigkeit. Nachdem die beiden Landedüsen ausgefahren sind, kommt die etwas holprige Landung, die einem leichten Autocrash entspricht. Und dann war auch er wieder „unten“: Thomas Reiter.
„Und was ist mit dem Mars?“ „Gibt es dort Leben in Form von Mikroben?“ „Und wer besteigt als Erster den 27 Kilometer hohen Olympus Mons?“ Vor allem die vielen Kinder können es kaum erwarten, ihre Fragen loszuwerden und ein Autogramm von Thomas Reiter zu bekommen. „Muss man sich da oben auch jeden Tag waschen?“, will einer wissen. Die Erwachsenen schließen sich an: „Wie lange dauert nach einem Weltraumaufenthalt die Regenerationsphase auf der Erde?“ Und Thomas Reiter beantwortet alle Fragen geduldig und erschöpfend.
Fest steht: Werbung für seinen Beruf hat der Mann gemacht. Vielleicht hegt ja eines der Kinder nach der gelungenen und informativen Veranstaltung der CDU Undenheim den Wunsch, selbst einmal Astronaut zu werden. Wie Thomas Reiter, der mit elf Jahren im Juli 1969 die erste Mondlandung im Fernsehen live miterlebt hatte.