Der Essenheimer Stefan Grimm hat mit Metzgermeister Steffen Urich aus Bad König sowie mit Sandra Grages eine Internetplattform für Fleischvermarktung gegründet.
BAD KÖNIG/ESSENHEIM. Eine Ex-Veganerin und ein Metzger aus dem Odenwald sowie ein IT-Fachmann aus dem rheinhessischen Essenheim haben die Firma My Local Food als Internetplattform für Fleischvermarktung von Weiderindern aus dem Odenwald gegründet. Wenn das Start-up-Unternehmen floriert, soll die Geschäftsidee auch in der Pfalz und in der Eifel Fuß fassen.
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Seit fünf Jahren bieten Sandra Grages und ihr Mann auf einem stillgelegten Bauernhof im Odenwald Grillseminare an. Eines drehte sich ums Thema Fleisch: Welches Stück vom Rind eignet sich für welches Gericht, und wie brät man das Ganze richtig auf dem Grill? Das Fleisch stammte von Rindern aus dem Odenwald, welche die meiste Zeit des Jahres auf der Weide verbringen, und sich deshalb durch gute Qualität auszeichnete. Die Teilnehmer wollten das Gelernte auch am eigenen Grill umsetzen und waren auf der Suche nach geeignetem Fleisch.
Daraus entstand die Idee, das Fleisch von den glücklichen Odenwälder Weiderindern über eine Internetplattform zu vermarkten. Eigentlich hatte Grages dem Fleisch abgeschworen. Ihr Mann, ein ausgesprochener Fleisch-Liebhaber, und die artgerechte Haltung im Odenwald brachten sie zum Umdenken. „Auch ich esse wenig, aber gerne gutes Fleisch“, erklärt Stefan Grimm (45), der den allgemeinen Trend „Billiges Fleisch mit immer weniger Fett“ stoppen möchte. Auch der Grill spiele nicht die entscheidende Rolle, wichtig sei das Grillstück.
Gemeinsam mit Steffen Urich, Metzgermeister aus Bad König, und Stefan Grimm, IT-Fachmann und Inhaber einer eigenen Firma in der Finanzbranche aus Essenheim, hat Sandra Grages das Vorhaben im vergangenen Jahr in die Tat umgesetzt. Im Februar gründeten sie die My Local Food GmbH, seit Herbst ist die Internetplattform online. IT-Spezialist Grimm hat die Fotos geschossen und die Software ans Laufen gebracht. Die Firmengründer betreiben das Start-up neben ihrem Hauptberuf und wünschen sich, dass die Wertschätzung für hochwertiges Fleisch wieder steigt und kleine Landwirtschaften bessere Absatzmöglichkeiten erhalten. Die Idee ist nicht neu, „es gibt deutschlandweit eine Handvoll Anbieter mit einem ähnlichen Modell“, sagt Grages.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts verzehren die Deutschen jedes Jahr pro Kopf rund 60 Kilo Fleisch. Beliebteste Sorte ist Schweinefleisch (36 Kilo) gefolgt von Geflügel (12,5 Kilo) sowie Rind- und Kalbfleisch (zehn Kilo). Die Fleischbranche macht mit 25 Prozent mit Abstand den größten Umsatz in der Lebensmittelindustrie. Auf Platz zwei liegen Milch und Milchprodukte mit 13 Prozent. Wie die Agrarmarkt Informationsgesellschaft ermittelt hat, steigt der Umsatz zwar Jahr für Jahr, doch gerade bei kleineren Betrieben reiche die Rentabilität oft nicht aus, um wirtschaftlich zu arbeiten.
Den Markt dominierten vor allem Discounter: so kauften 41 Prozent der Privathaushalte 2017 Fleisch- und Wurstwaren beim Discounter, nur zwölf Prozent gingen ins Fachgeschäft. Dennoch beobachten die Marktforscher einen Trend zur Regionalität – viele Verbraucher wollen wissen, wo das Fleisch herkommt.
Hier setzen die Gründer an, denn zu jedem Produkt im Online-Shop gibt es eine Beschreibung, in welcher der erzeugende Landwirt genannt wird. Peter Hofferberth ist einer von vier Bauern, die über die Plattform vermarkten. Er hält auf seinem Hof in Reichelsheim rund 50 Tiere, die sich fast nur von Gras und Heu-Silage von heimischen Wiesen ernähren. Er hat zwar kein Biosiegel, aber „wir hatten seit Jahren keinen Einsatz von Antibiotika“, so Hofferberth. Dazu arbeitet man mit zwei Metzgern zusammen, die auch selbst schlachten. Einer ist Urich selbst. Er weiß, dass neben Bewegung und hochwertigem Futter eine ruhige Atmosphäre beim Schlachten wichtig ist. Bei Stress setzt das Gehirn Adrenalin frei, das den in Muskelzellen gespeicherten Zucker in Energie umwandelt. Diese lagert sich im Fleisch an, wodurch es zu Übersäuerung kommt. „Deshalb schlachten wir die Tiere einzeln und schießen sie schon auf dem Hänger“, erklärt Urich.