Der "Schandfleck" soll weg: Seit 18 Jahren steht das Karstadt-Gebäude in Rüsselsheim leer. Jetzt diskutiert der Hauptausschuss darüber, ob die Gewobau den Abriss übernehmen...
RÜSSELSHEIM. Wie unterschiedlich die Meinungen zum weiteren Vorgehen mit der Karstadt-Immobilie derzeit ausfallen, wurde jüngst in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses deutlich. Ursprünglich sollte ein Investor gesucht werden, der die Grundstücke von der Gewobau kauft und entwickelt. Dieses Vorgehen kippte der Aufsichtsrat der Gewobau nun aber und machte die Wohnungsbaugesellschaft selbst zur Bauherrin (wir berichteten). Nicht nur diese Entscheidung versetzte die Stadtverordneten aber in Aufruhr. Eine neue, zusätzliche Debatte entspinnt sich an der Frage: Wer trägt, unabhängig von der Neubebauung des Areals, die Kosten für den Abriss des alten Kaufhauses?
In einem Antrag fordert der fraktionslose Stadtverordnete Mathias Flörsheimer, dass nicht die Stadt für die Abrisskosten aufkommen soll, sondern ein Investor. Letzteres vorausgesetzt, dass doch noch ein Privatmann oder eine Firma statt der Gewobau die Entwicklung übernimmt. Hintergrund der Forderung Flörsheimers ist der Umstand, dass nach aktueller Faktenlage in jedem Fall die Stadt die Abrisskosten für die alte Immobilie trägt.
Rückbau kostet etwa eine Million Euro
Wie diese Zeitung am Rand des Ausschusses erfuhr, soll die Stadt für den Rückbau aufkommen – unabhängig davon, wer später auf dem Grundstück baut. So ist es auch in dem Auslobungspapier festgelegt, das bereits für einen Investorenwettbewerb entwickelt und der Jury des Wettbewerbs vorgelegt wurde. Die Kosten für den Rückbau werden danach auf rund eine Million Euro geschätzt. Die Stadt kann dafür mit Fördergeldern aus dem Programm „Stadtumbau“ rechnen, das bei der Schaffung von Wohnraum unterstützen kann, trägt die Kosten also nur anteilig. Egal ob die Gewobau selbst tätig wird oder ein Investor baut – Geld für den Abriss muss die Stadt nach derzeitiger Sachlage auf jeden Fall in die Hand nehmen.
Flörsheimer betont in seinem Antrag, es sei von hohem öffentlichen Interesse, ob der Abriss letztlich aus Steuergeldern finanziert wird oder ob ein Investor, so er denn doch Berücksichtigung fände, die Kosten begleichen müsse – diese aber etwa durch spätere Mieteinnahmen wieder reinholen könne. Schon in der Sitzung des Hauptausschusses kamen die Stadtverordneten dem Ansinnen nach, die Diskussion öffentlich zu führen. Einigkeit über diese Frage bestand unter den Ausschussmitgliedern aber genauso wenig wie über die Frage, ob der Aufsichtsratsbeschluss der Gewobau Bestand haben oder die Wohnbaugesellschaft das Gebäude doch noch abgeben soll.
Doch an Investor verkaufen?
Dafür, doch an einen Investor zu verkaufen, plädierte die CDU. Fraktionsvorsitzender Michael Ohlert betonte, dass ihn vor allem das Vorgehen bei der Entscheidung, der Gewobau die Entwicklung zu überlassen, störe. „Es kann sein, dass es die richtige Entscheidung ist, aber auf diese Art und Weise läuft das schief.“ Wenn doch noch ein Investor ins Spiel komme, könne er den Abriss möglicherweise günstiger durchführen, mutmaßte Ohlert. Unabhängig vom Abriss äußerte neben der CDU unter anderem die FDP Zweifel daran, ob die Gewobau die Entwicklung des Areals stemmen könne. „Wir haben Bauchschmerzen, ob das nicht für die Gewobau doch eine Nummer zu groß ist“, erklärte Ralph Römbach (FDP). Wie Oberbürgermeister Bausch betonte, hätten doch alle Fraktion eines gemeinsam: „Wir wollen alle, dass die Innenstadt wieder flott gemacht wird.“
Für die Entwicklung des Karstadt-Geländes durch die Gewobau sprach sich neben Bausch auch der Baustadtrat aus. Es sei inhaltlich, strategisch und wirtschaftlich richtig, dass es die Gewobau macht. Gleichzeitig verteidigte Baudezernent Nils Kraft (SPD) den städtebaulichen Wettbewerb, denn ohne diesen „wären wir nicht zu dieser städtebaulichen Figur gekommen“, betonte Kraft. Darüber hinaus lobte der Baustadtrat den ehemaligen Oberbürgermeister Burghardt für seine Entscheidung, in den Markt einzugreifen und das Karstadt-Areal zu kaufen, was auch Bausch begrüßte. Zur Kritik am späten Umdenken im Prozess sagte Kraft: „Es ist ein sehr später, aber der noch bestmögliche Zeitpunkt.“ Birgit Steinborn (Grüne) gestand, dass ihre Fraktion von der Entscheidung überrascht worden, darüber aber nicht unglücklich sei. „Ich bin froh, dass die Entscheidung so gefallen ist“, sagte Karl-Heinz Schneckenberger (Linke/Liste Solidarität).