Krankenhausreform stärkt die Geburtshilfe in Rüsselsheim

Derzeit arbeiten 16 Hebammen am GPR-Klinikum. Im vergangenen Jahr haben sie in Rüsselsheim 1211 Kindern auf die Welt geholfen. 
© DPA / Carolin Seidel

Neue Regelungen erhöhen die Flexibilität und Besetzungssicherheit für die Geburtsstationen. GPR-Geschäftsführer Achim Neyer begrüßt die Entscheidung.

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Rüsselsheim. Ein Land mit rund 795.500 Geburten in 2021 braucht eine funktionsfähige Geburtshilfe. Entgegen der zunehmenden Geburtenzahlen schließen aber immer mehr Geburtsstationen; die Kreisklinik Groß-Gerau hatte 2019 die Geburtsstation geschlossen. Wer im Kreis in einem Krankenhaus entbinden möchte, fährt seitdem nach Darmstadt oder ins GPR-Klinikum nach Rüsselsheim, wo an das Mutter-Kind-Zentrum eine Kinderklinik mit Neugeborenen-Intensivstation angeschlossen ist. Der Grund für die Schließungen der Geburtenstationen: Die Vergütung nach Fallpauschalen lassen Geburten zum Minusgeschäft werden.

Und auch die Situation der rund 27.000 Hebammen und Entbindungspfleger sieht nicht gerade rosig aus. Aufgrund teurer Haftpflichtprämien für freiberufliche Geburtenhelfer, hoher Arbeitsbelastung bei geringer Bezahlung und unattraktiver Arbeitszeiten entscheiden sich immer weniger Frauen und Männer für den Ausbildungsberuf. Dementsprechend schwierig gestaltet sich die Suche der Schwangeren nach qualifizierten Hebammen für die Nachsorge.

Wir brauchen mehr freiberufliche Hebammen, die die Wochenbettbetreuung übernehmen.

SL
Swantje Lang Hebamme , GPR-Klinikum Rüsselsheim

Dies wird vor allem an der hohen Nutzung der Wochenbettambulanz am GPR-Klinikum deutlich, die laut Hebamme Swantje Lang immer dienstags und freitags gut frequentiert ist. Anmelden können sich nur Frauen, die im GPR-Klinikum entbunden haben oder in Rüsselsheim wohnen. „Wir brauchen mehr freiberufliche Hebammen, die die Wochenbettbetreuung übernehmen”, macht sie auf den Versorgungsengpass aufmerksam.

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Das Bundesgesundheitsministerium hat nun eine Verordnung erlassen, um die oft angespannte Situation in den Geburtshilfe-Krankenhausstationen zu verbessern. Seit 1. Januar 2023 gilt ein höherer Pflegeschlüssel in der Gynäkologie und Geburtshilfe, sodass sich eine Pflegefachkraft um weniger Patientinnen kümmern muss, was die Versorgungsqualität erhöht. Zudem hebt die Verordnung die Obergrenzen von Hebammen auf den Stationen auf. In der Tagschicht waren bisher nur anteilig zehn Prozent Hebammen von der Gesamtzahl der Pflegefachkräfte erlaubt, nachts nur maximal fünf Prozent.

Ellen Flocke, ist Leiterin des Mutter-Kind-Zentrums am GPR-Klinikum Rüsselsheim.
Ellen Flocke ist Leiterin des Mutter-Kind-Zentrums am GPR-Klinikum Rüsselsheim.
© GPR Klinikum/Volker Dziemballa

„Zunächst einmal schafft diese Regelung eine höhere Flexibilität und Besetzungssicherheit für die geburtshilflichen Stationen. Da aber ohnehin national zu wenig Hebammen zur Verfügung stehen, ist dies letztlich nur ein, wenn auch wichtiger, Baustein”, äußert sich GPR-Geschäftsführer Achim Neyer. Ellen Flocke, Leiterin des Mutter-Kind-Zentrums, begrüßt die Neuerung: „Jetzt können wir die Hebammen flexibel in beiden Bereichen einsetzen – sowohl im Kreißsaal als auch auf der Wöchnerinnenstation.”

Ebenfalls positiv: Die Hebammen werden in die Berufsgruppen für das ab 2025 geltende Pflegebudget aufgenommen. Mit der bisherigen Finanzierung war die Beschäftigung der Hebammen von der Geburtenzahl abhängig, was sich nun ändert. Das GPR sei auf solche finanziellen Anreize nur bedingt angewiesen, so Neyer. „Wir haben auch ohne die Aufnahme in das Pflegebudget die Strategie einer entsprechenden Besetzung verfolgt, allerdings auf eigenes finanzielles Risiko.”

Fluktuationen beim Personal ausgleichen

Um niedrige Geburtenzahlen muss man sich im GPR nicht sorgen. Die derzeit 16 Hebammen im GPR Klinikum haben vergangenes Jahr 1211 Kindern auf die Welt geholfen. Ellen Flocke sieht das Team der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin gut aufgestellt. „Es wird vorausschauend geplant, damit können wir die Fluktuationen beim Personal ausgleichen.”

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Doch selbst der Ansatz, jede Pflegekraft voll zu finanzieren, könne langfristig nicht die Versorgungssicherheit gewährleisten, bemerkt der Klinikchef mit Blick auf die demografische Entwicklung bei den Mitarbeitenden. „Ich bin skeptisch, ob Politik und Gesellschaft jene finanziellen Mittel, die für das heutige Versorgungsniveau in Zukunft erforderlich sind, aufbringen können und wollen.” Insofern werde es in diesem Bereich zu einer weiteren Konzentration der geburtshilflichen Klinikstandorte kommen, schätzt er. 

Nachhaltige Entwicklung bei gesicherter Finanzierung

Es sei wichtig, dass der Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers eine weitere Aufwertung erfährt, bilanziert Neyer. Mit dem Pflegebudget bestehe die Möglichkeit, die Qualifikation und damit auch die Vergütung zu erhöhen. „Um dies nachhaltig zu entwickeln, muss die Finanzierung allerdings über einen langen Zeitraum als voll vergütetes Budget beibehalten werden und darf nicht innerhalb der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre aufgrund der Kassenlage wieder eingeschränkt werden.” Dies hätte zur Folge, dass der Beruf wieder an Attraktivität verliert und alle Mühe umsonst gewesen wäre.