Dreikönigstag in Rüsselsheim: Welche Rollen spielen Gold, Weihrauch und Myrrhe heute?
Mehr als zwei Jahrtausende nach ihrem Auftritt in Bethlehem sind sie weltweit ein Begriff, die Heiligen drei Könige. Martin Kröner betreibt seit mehr als 40 Jahren die Rüsselsheimer Rosen-Apotheke. Er berichtet von einem nerven- und herzwirksamen Mittel, das alle drei Gaben, also Gold, Weihrauch und Myrrhe enthält.
Von Michael Wien
Lokalredakteur Main-Spitze
Apotheker Martin Kröner und Assistentin Elke Melchior zerteilen mit dem Stößel Myrrhe-Bröckchen für die Zubereitung des weithin beliebten „Schwedentrunkes“. Foto: André Hirtz
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RÜSSELSHEIM - Mehr als zwei Jahrtausende nach ihrem Auftritt in Bethlehem sind sie weltweit ein Begriff, die Heiligen drei Könige. Dabei nehmen sich die Informationen, die uns allein der Evangelist Matthäus über die Herren hinterlassen hat, spärlich aus. Man weiß nicht mal, wo genau sie herkamen und ob sie ihre Länder anständig führten. Im Laufe der Epochen hat sich das Bild, das sich Nachfahren machten, immer wieder verändert. Da ist bis zu unseren „Sternsingern“ von Königen, dann aber von Weisen, Astrologen, Magiern die Rede.
Zwei Feststellungen erscheinen dagegen bis heute unumstößlich, ganz gleich, ob es sich nun um politisch Hochgestellte oder Wissenschaftler handelte: Die Männer kamen von Osten, also nicht über das Meer, nach Palästina. Und sie schenkten Gold, Weihrauch und Myrrhe, kostbar bis heute. Die drei Gaben hatten und haben hohen symbolischen Wert, auch wird ihnen heilsame Wirkung bescheinigt.
"Elixier für langes Leben"
Martin Kröner betreibt seit mehr als 40 Jahren die Rüsselsheimer Rosen-Apotheke. Er hat mit unserem Thema nicht nur zu tun, weil er in Elke Melchior eine pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin beschäftigt, die den Dreikönigsnamen vom siebenbürgischen Vater geerbt hat. Kröner berichtet von einem nerven- und herzwirksamen Mittel, das alle drei Gaben, also Gold, Weihrauch und Myrrhe, enthält. Gelegentlich verkauft er Weihrauchkapseln. „Vor ein paar Jahren gab es einen regelrechten Ansturm, weil jemand im Internet Weihrauch übertrieben als Allheilmittel dargestellt hatte.“ Vor allem aber hat Kröner mit unseren Gaben zu tun, weil er den den seit Heilerfolgen eines mittelalterlichen schwedischen Arztes beliebten „Schwedentrunk“ herstellt, laut Urtext „Elixier für langes Leben“. Der Apotheker konsumiert ihn selbst und verschickt ihn bis nach Österreich und in die Schweiz. Ein wesentlicher Bestandteil: Myrrhe. „Nach der Lektüre eines Buches der Heilkundlerin Maria Treben kauften viele bei mir die Kräuter und versuchten daheim, selbst den Trunk herzustellen“, berichtet Kröner. Der das unter professionellen Bedingungen leichter und in wirtschaftlich interessanten Mengen tun kann.
Kultische Bedeutung
Dem Theologen Balthasar Blumers ist die Feststellung des Evangelisten Johannes wichtig, dass die einheimische Bevölkerung der Menschwerdung Gottes fern blieb (wohl bis auf Hirten, die aber nur Lukas erwähnt), während sich laut Matthäus Fremde einem Zeichen folgend mit Geschenken aufmachten.
Weniger wichtig sei, ob es vier oder fünf Besucher waren, wie in ersten Darstellungen in römischen Katakomben festgehalten. Auch stört Blumers nicht, dass jener Stall in Wahrheit in einen Felsen gehauen war. „Unsere bayerische Krippe war noch nicht erfunden, wie Josef ja nicht Zimmermann, sondern in genauer Übersetzung Hausbauer war. Es gab kaum Holz gebende Wälder.“
Weitgereiste Besucher bezeugten, dass Christus mehr als nur die Bewohner eines Landstriches mit Gott versöhnen wollte. Darstellungen zeigten Vertreter der damals bekannten Erdteile: Afrika, Asien, Europa. „Zudem ist oft der eine ein Jüngling, der nächste ein Mann, der dritte ein Greis.“
Die Geschenke? „Gold schenkt man einem König, Weihrauch gebührt Gott, Myrrhe soll Leiden lindern. Später wurde dem gekreuzigten Christus ein Schwamm mit Essig an die Lippen gedrückt, damals traditionell mit Myrrhe versetzt.“ (mw)
Der aus Afghanistan stammende Rüsselsheimer Internist Dr. Kamal Eslam erläutert: „Myrrhe und Weihrauch sind in der ayurvedischen, chinesischen, ägyptischen, persisch-arabischen und griechisch-römischen Medizin seit Jahrtausenden bekannt.“ Herodot nannte Myrrhe als Heilmittel für die verwundeten Soldaten in persischen Krieg. „Die Wirkungen beider Pflanzenharze sind ähnlich. Sie desinfizieren, hemmen Entzündungen, wirken wundheilend. „Als Tinktur und Salbe werden sie zur Desinfektion der Haut und Schleimhäute verwendet. Als Tablette oder Zäpfchen setzt man sie bis heute gegen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa und bei Rheuma ein.“
Hautreinigender Effekt
Auch Cholera wurde früher mit Myrrhe behandelt. Weihrauch wird von Naturheilkundigen wegen seiner entzündungshemmenden Wirkung „das pflanzliche Cortison“ genannt. Die Kosmetikindustrie nutzt den hautreinigenden Effekt, auch als Parfüm sind beide Harze begehrt, wobei Weihrauch aromatischer ist als Myrrhe. Sie entfaltet ihren zarten Duft erst, sobald sie zu Pulver zerstoßen worden ist.
Allein das Gold hat seinen Ruf als Rheuma-Mittel eingebüßt. „Früher hatte man Tuberkulose damit behandelt, noch bis in die 80-er Jahre des 20. Jahrhunderts Rheumatoide Arthritis“, berichtet der Arzt. Wegen extremer Nebenwirkung auf Haut, Schleimhäute, Blutbildung und weil andere Mittel entdeckt wurden habe Gold jedoch an Bedeutung verloren. Nur als Anlageobjekt ist es bis heute heiß begehrt. So bleibt es ein Geschenk für kleine und große Könige.
Aromatisch duftender Weihrauch spielt in den Riten vieler Religionen eine große Rolle. Mit dem negativ besetzten Begriff „Selbstbeweihräucherung“ können heute fast alle Menschen etwas anfangen. Wer sich mit dessen Bedeutung auseinandersetzt, hat sich die positive Bedeutung gleich mit erschlossen: Jemanden in Weihrauch zu hüllen, ist ein Akt der Huldigung. Ägypter, Sumerer, Babylonier, Perser, Römer nutzten ihn so gegenüber Königen und bei Gottesdiensten, Christen zunehmend ab der Mitte des ersten Jahrtausends. In der katholischen und orthodoxen Kirche wird er bis heute verwendet. Hier werden kultische Gegenstände und auch Menschen beräuchert, Priester wie Gemeinde. Weihrauch wurde seit altersher auch reinigende Wirkung zugeschrieben, sollte böse Geister vertreiben.
Hintergründe der Könige
Zurück zu dem seit Jahrtausenden unvergessenen Trio: Ihre Gaben sind wie beschrieben bis heute höchst begehrt. Über Kaspar, Melchior und Balthasar weiß man dagegen so gut wie nichts. Desto intensiver hat sich Balthasar Blumers mit ihnen beschäftigt, nicht erst während seines Theologiestudiums. Mutter Blumers bestand darauf, ihnen ein Bild am Elternhaus im heimischen Ebersheim bei Mainz zu widmen. Blumers hat seinen Heimatort längst verlassen, wirkt seit 38 Jahren als Pfarrer, ist hier als Seelsorger der Gemeinden Auferstehung Christi und Heilige Dreifaltigkeit sowie St. Josef ein Begriff. Sein Vorname hat angeregt, ihm allerlei Bilder, Texte, Figuren zu schenken, die jenen Balthasar und seine Gefährten betreffen. Auch Blumers selbst hat fleißig gestöbert.
Seine Sammlung machte einem Museum Ehre. Da gibt es Huldigungen, Spaß hat Blumers an Karikaturen, die Missstände aufspießen. Angetan ist er von einem Bild, das zeigt, mit welchen Kostbarkeiten die Magier, wie er sie nennt, heute Freude bereiten könnten: saubere Luft, sauberes Wasser, unbelastete Erde.