Genau wie im ganzen Rhein-Main-Gebiet ist auch in Rüsselsheim der Wohnungsmarkt vollkommen überfüllt. Im Interview spricht Torsten Regenstein, Geschäftsführer der Gewobau,...
RÜSSELSHEIM. Im gesamten Rhein-Main-Gebiet herrscht Druck auf dem Wohnungsmarkt. Auch Rüsselsheim bekommt das zu spüren. Torsten Regenstein, seit 2006 Geschäftsführer der Gewobau, ist als Chef der Wohnbaugesellschaft in der Opelstadt einer der Manager der Wohnungsnot. Dem großen Bedarf gerecht zu werden und alle Standards zu erfüllen, stellt den gelernten Immobilienfachwirt, der seit 25 Jahren in der Wohnungswirtschaft tätig ist, vor immer größere Herausforderungen.
Herr Regenstein, Sie haben in den vergangenen 25 Jahren den Wandel der Wohnungswirtschaft erlebt. Heute herrscht quasi Dauernotstand auf dem Wohnungsmarkt. Seit wann ist der Druck in Rüsselsheim aus Ihrer Sicht so hoch?
Im Jahr 2004 gab es eine Phase, in der Wohnungen mal zeitweise leer standen, weil nicht unmittelbar Nachmieter da waren. Das kennen wir seitdem nicht mehr, heute herrscht bei uns Vollvermietung.
Das bedeutet sicher lange Wartezeiten, bis eine Wohnung frei wird. Welche Art von Wohnung ist dabei besonders gefragt?
Wir haben derzeit insgesamt 2700 Miet-Interessenten in der Kartei, und zwar bei 450 Mieterwechseln im Jahr. Da kann es schon mal eine gewisse Zeit dauern, bis wir ein Angebot machen können. Besonders rar sind in Rüsselsheim noch immer die großen Fünf- bis Sechs-Zimmer-Wohnungen, die vor allem von jungen Familien dringend gesucht werden.
Neue Wohnungen dieser Größe entstehen ja gerade in der Robert-Bunsen-Straße. Sind denn auch die Wohnungen in den Hochhäusern im Dicken Busch für Mietinteressenten noch attraktiv?
Sie erlangen gerade wieder neue Attraktivität. Zum einen, weil wir dabei sind, zu modernisieren. Aber auch, weil sie familiengerecht sind, zentral gelegen und damit andernorts nicht so leicht zu finden.
Dann ist der Druck bei der Wohnungssuche für Familien derzeit am höchsten?
In Rüsselsheim ist der Anteil junger Familien tatsächlich sehr hoch. Aber es gibt gleichzeitig, auch bedingt durch den demografischen Wandel, immer mehr Ein-Personen-Haushalte. Das sind sowohl Senioren als auch Studenten und junge Menschen, die etwa im Rhein-Main-Gebiet arbeiten. Wir haben zum Beispiel derzeit rund 170 Interessenten aus Frankfurt, die in Rüsselsheim ein Heim suchen. Aber die Zahl der kleineren Wohnungen ist insgesamt größer als die im Segment höherer Quadratmeterzahlen, sodass wir die Nachfrage hier besser bedienen können. Generell muss man bei der Summe der Interessenten in Relation zur Zahl der verfügbaren Wohnungen aber sagen: Wir betreiben hier Mangelverwaltung.
Wo sehen Sie in Rüsselsheim überhaupt noch Möglichkeiten, weiteren Wohnraum zu schaffen?
Die Lösung kann derzeit nur lauten: Bauen, bauen, bauen. Im Quartier am Ostpark ist neuer Wohnraum gerade in Planung. Ansonsten hat Rüsselsheim nun mal sehr begrenzte Flächen. Wir untersuchen daher gerade unter anderem die Grundstücke, die wir bereits besitzen, auf Möglichkeiten der Nachverdichtung. Beispielsweise wird geprüft, ob es dort möglich ist, neue Dachgeschosse aufzusetzen. Aber auch die Überbauung von Parkplätzen kann eine Option sein. Zusätzlich sehen wir uns seit drei Jahren auch verstärkt nach unbebauten Grundstücken um.
Aber davon gibt es in Rüsselsheim nicht mehr allzu viele…
Die Flächen werden immer knapper. Und wenn man Grundstücke bekommt, zahlen Sie Mondscheinpreise dafür. Die Preise explodieren. Allein das Grundstück macht heute für uns ungefähr 33 Prozent der Baukosten aus – früher waren es 25 Prozent. Und auch die Baukosten sind gestiegen.
Dann werden sich auch bei Ihnen die Folgen des allgemeinen Baubooms langfristig auf die Mietpreise auswirken?
Wir kalkulieren derzeit 9,50 Euro bis 10 Euro Miete pro Quadratmeter, um überhaupt kostendeckend zu sein bei einem Bauprojekt. Je mehr dieser Preis wächst, desto schwieriger wird es für Normalverdienende, eine passende Wohnung zu finden. Aber auch wir müssen wirtschaftlich arbeiten.
Gibt es denn innerhalb der Stadt noch Flächen, die Sie im Auge haben?
Man muss immer zwischen dem Bedarf nach Wohnraum und Naherholungsflächen abwägen. Vor allem muss meiner Meinung nach auf private, brach liegende Grundstücke geachtet werden. Eine Grundsteuer C zu erheben, würde dabei sicherlich den einen oder anderen bewegen, die Fläche zur Verfügung zu stellen.
Häufig kritisiert wird der zu geringe Anteil an sozialem Wohnraum. Muss da nachgebessert werden?
Ich denke, Rüsselsheim ist gut aufgestellt. Der Bestand der Gewobau umfasst 32,4 Prozent öffentlich geförderten Wohnraum. Meiner Ansicht nach sollte der Anteil dieser Wohnungen diese Größenordnung nicht weit übersteigen, denn auch frei finanzierte Wohnungen fehlen auf dem Markt. Zudem übernimmt Rüsselsheim in dieser Hinsicht auch bereits eine wichtige Rolle im Kreis Groß-Gerau. Man muss das Thema ganzheitlich betrachten.
Welche Herausforderungen hat eine Wohnbaugesellschaft heute neben dem sprichwörtlichen Druck auf dem Kessel zu bewältigen? Welche Aufgaben sind für eine Gesellschaft wie die Gewobau in den vergangenen Jahren dazu gekommen?
Die Wohnungswirtschaft ist nicht nur in Sachen Nachfrage und Platz komplizierter geworden. Wir kümmern uns heute um Themen, an die vor 25 Jahren noch gar nicht zu denken war. Erneuerbare Energien zum Beispiel, die Smart-Home-Thematik, aber auch Barrierefreiheit. Wir setzen bei Modernisierungen stark auf seniorengerechtes Wohnen. Wir reagieren damit direkt auf den gesellschaftlichen Wandel.
Von Heike Bökenkötter