Freitag,
22.11.2019 - 17:19
4 min
Assistent fürs Alter: Opel forscht intensiv zum autonomen Fahren

Von Hans Dieter Erlenbach
Redakteur Echo/Main-Spitze

Wie lange bleibt autonomes Fahren im Alltag noch Zukunftsmusik? Autobauer Opel forsch intensiv in dem Bereich. (metamorworks - stock.adobe.com)
RÜSSELSHEIM - Wolfgang Merz, der Vorsitzende des Rüsselsheimer Seniorenbeirats, hat eine Vision. Von seinem Haus aus will er im Navigationsgerät die Adresse des Rathauses programmieren und dann autonom dorthin fahren können. Für Senioren, so sagt er, wäre ein solches System für den Nahbereich optimal, denn dort seien sie meist unterwegs.
Maßnahmen wie regelmäßige Untersuchungen älterer Menschen, um deren Fahrtüchtigkeit zu überprüfen, lehnt Merz hingegen ab. Assistenzsysteme könnten das Fahren nicht nur für ältere Menschen aus seiner Sicht in Zukunft deutlich sicherer machen.
Sollte Senioren angesichts nachlassender körperlicher Leistungsfähigkeit das Autofahren im hohen Alter verboten werden, wie immer mal wieder gefordert wird? Keineswegs, meinen die Automobilclubs übereinstimmend. Auch sie lehnen regelmäßige Eignungstests ab einem bestimmten Alter ab.
Praxistests
Praxistests mit autonom fahrenden Autos laufen bereits im Transportwesen. In Mainz und am Frankfurter Flughafen gibt es Versuche mit autonom fahrenden Kleinbussen, die derzeit aber aus Sicherheitsgründen nur Schrittgeschwindigkeit fahren.
Regelmäßig Reaktionsfähigkeit und Sehvermögen überprüfen
Der Rüsselsheimer Internist Yahia Zhizhakli, selbst inzwischen 85 Jahre alt, noch immer praktizierend und täglich hinter dem Steuer, sieht zwar keinen Grund, Senioren ab einem bestimmten Alter das Autofahren zu verbieten, rät aber dringend dazu, sich regelmäßig ärztlich untersuchen zu lassen. „Solange der Kopf noch klar ist und man seine Grenzen kennt, kann man auch noch Auto fahren“, so der Arzt. Wenn das nicht mehr der Fall sei, solle man es aber lassen.
Frank Ockstadt von der gleichnamigen Rüsselsheimer Fahrschule plädiert dafür, Senioren sollten regelmäßig ihre Reaktionsfähigkeit und ihr Sehvermögen überprüfen und sich immer mal wieder auf den aktuellen Stand der Verkehrsregeln bringen, denn da gäbe es fortlaufend Änderungen. Gelegentlich kämen Senioren zwecks einer speziellen Schulung und der Auffrischung ihrer Kenntnisse in seine Fahrschule. „Aber leider ist das freiwillig.“
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Laut einer Studie des Statistischen Bundesamts von 2016 waren damals 21 Prozent der Menschen älter als 65 Jahre, doch sie waren nur an 13 Prozent der Unfälle beteiligt. Missachtung der Vorfahrt, Fehler beim Abbiegen oder beim Wenden und Rückwärtsfahren waren demnach die häufigsten Unfallursachen. Überhöhte Geschwindigkeit, Fahren unter Drogen- oder Alkoholeinfluss oder Rotlichtverstöße kommen hingegen bei Senioren kaum vor.
Viele Senioren setzen sich nicht aus Übermut ans Steuer, sondern aus der Not heraus, weil sie irgendwo auf dem Land leben, wo es keine oder nur mangelhafte Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt. Wenn sie am Leben teilhaben wollen, müssen sie Auto fahren.
Dabei haben sie besondere Bedürfnisse. Der ADAC hat hierfür Kriterien festgelegt, nach denen Senioren Autos kaufen sollen. Maximal 4,50 Meter lang, mindestens 1,50 Meter hoch, Sitzhöhe mindestens 47 Zentimeter, vier bis fünf Sitzplätze, Höhe der Ladekante maximal 77 Zentimeter. Der Automobilclub empfiehlt vor allem kompakte SUVs, die jedoch wegen ihrer Größe und des erhöhten Schadstoffausstoßes aktuell in die Kritik geraten sind.
Senioren sollten laut ADAC beim Autokauf zudem auf Parksensoren und Rückfahrkamera, Schaltautomatik oder sogar ein gekühltes Handschuhfach achten, falls sie Medikamente benötigen, die kühl gehalten werden müssen. Auch eine Einparkautomatik wäre nicht schlecht.
Doch bald könnte sich das Problem durch neue Technik lösen. Denn wenn Autos autonom, also ohne den Eingriff der Fahrer unterwegs sein können, ergeben sich neue Chancen für ältere oder leistungseingeschränkte Menschen. Je nach Grad der Automatisierung könnten sich auch die Unfallzahlen weiter reduzieren, so der ADAC. Denn immerhin sei bei 90 Prozent der Unfälle menschliches Versagen die Ursache.
Fahren soll in fünf Stufen automatisiert werden
Allerdings nimmt das Prognos-Institut an, dass sich das autonome Fahren erst ab 2030 im großen Stil verbreitet. 2020 sollen demnach nur etwa 2,4 Prozent aller Autos die Möglichkeit haben, teilautonom zu fahren, bis 2050 sollen es schon 70 Prozent sein.
Bei Opel wird intensiv am autonomen Fahren gearbeitet. Es gibt viele Tests auf dem Prüffeld in Dudenhofen. Die Autos sind gespickt mit Kameras und Sensoren, vollgestopft mit Rechnern. Kohaf (kooperatives hochautomatisiertes Fahren) nennt sich das Projekt bei Opel, dessen Partner Automobilhersteller, Zulieferer und wissenschaftliche Institute sind.
In fünf Stufen soll das Fahren automatisiert werden. In der ersten Stufe muss der Fahrer das teilautomatisierte Fahren ständig überwachen und bereit sein, jederzeit das Fahren zu übernehmen. Auf dieser Stufe wird derzeit bei Opel gearbeitet. In weiteren Stufen soll das Autofahren dann soweit automatisiert werden, dass irgendwann kein Fahrer mehr nötig ist. Wer von A nach B will, kann sich dann bequem zurücklehnen, im Fahrzeug arbeiten, ein Buch lesen oder einfach entspannen.
Und hier tritt auch der Vorteil für Senioren zutage. Sie müssen keine Angst mehr von dichtem Verkehr oder möglichen Fehlern haben. Doch diese Stufe der Automatisierung wird wohl nur ein Teil der Menschen erleben, die heute im Seniorenalter sind. Fachleute gehen davon aus, dass darüber noch 20 bis 30 Jahre ins Land gehen können.