Die Stadt Mörfelden-Walldorf beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Krisenintervention für Erwachsene ohne Bleibe. Die Zahl der Obdachlosen hat sich seit 2012 vervierfacht.
MÖRFELDEN-WALLDORF. Immer mehr Familien leben ohne festen Wohnsitz in Mörfelden-Walldorf. Die Verwaltung richtet daher eine Stelle mit dem Titel „Krisenintervention Erwachsene“ im Sozial- und Wohnungsamt ein. Zum Schwerpunkt gehört die Betreuung von Obdachlosen sowie die Arbeit im öffentlichen Raum. So soll die Krisenintervention als eine Art Streetworker für Erwachsene fungieren.
Die Ausschreibung läuft bereits und die Stelle soll möglichst schnell besetzt werden, sagte Bürgermeister Heinz-Peter Becker (SPD) auf Nachfrage. Denn die steigende Zahl der Obdachlosen stelle die Stadt vor eine enorme Herausforderung. „Der Wohnungsmarkt hat zu einer stark veränderten Situation im Bereich der Obdachlosigkeit geführt“, heißt es dazu in der Vorlage.
Obdachlosigkeit hat sich vervierfacht
Es sei aber – so Becker – nicht nur die Anzahl der aufgrund von Obdachlosigkeit von der Verwaltung untergebrachten Menschen gestiegen. Auch die Zusammensetzung der betroffenen Menschen habe sich deutlich verändert. Zwar gebe es noch immer alkoholkonsumierende ältere Männer, die früher das Stereotyp der Obdachlosigkeit waren. Aufgrund der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt, würden seit einigen Jahren immer mehr Familien und Alleinerziehende untergebracht.
Wie sich die Lage verändert hat, zeigen die bloßen Zahlen. Im Jahr 2012 musste die Stadt 25 Menschen unterbringen, mittlerweile sind es etwa vier Mal so viele. Zuletzt seien in den städtischen Unterkünften allein 33 Kinder und Jugendliche einquartiert. Dabei reiche die Altersspanne von Neugeborenen bis zu Jugendlichen im Alter von 17 Jahren. Als Gründe für Obdachlosigkeit wird zum Beispiel Wohnungsräumung wegen Mietschulden genannt. Aber auch eine Scheidung, Sorgerechtsstreitigkeiten, ein Zwangsauszug nach einem Schimmelbefall oder eine zu geringer Wohnfläche sind angeführt. Der Familiennachzug bei Geflüchteten sei ebenfalls ein Thema.
„War noch vor wenigen Jahren eine Aufenthaltsdauer von wenigen Monaten in den Unterkünften normal, so stellen wir nunmehr eine Verweildauer von ein oder mehreren Jahren fest“, ist weiter in der Magistratsvorlage lesen. Menschen, die ihre Wohnung aufgrund von Mietschulden räumen mussten, fänden mit entsprechenden Schufa-Einträgen überhaupt keine Wohnung mehr, so der Bürgermeister. Weder auf dem freien noch dem sozialen Wohnungsmarkt hätten sie eine Chance.
Angesichts der schwierigen Lage mache sich bei den Betroffenen Apathie und Resignation bemerkbar. Obdachlosigkeit verwandle sich so „von einem temporären Übergangszustand in einen aussichtslosen Dauerzustand“. Neben dem sozialpädagogischen Betreuungsbedarf steigt infolge dessen der Bedarf an Unterkünften für Obdachlose und für Geflüchtete.
Die Verwaltung prüft derzeit drei mögliche Bauprojekte. Für die Parlamentsrunde im Februar kündigte der Bürgermeister eine Vorlage zu dem Thema an. „Denkbar sind Container als Zwischenlösung“. Denn das Problem dränge und so schnell könne man keine neuen Unterkünfte bauen. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“.
Das Sozialamt kommt zu dem Fazit, dass Obdachlosigkeit unter diesen Umständen nicht mehr nur „verwaltet“ werden könne. Eine Krisenintervention bedeutet in diesem Zusammenhang Kontaktaufnahme, Aktivierung, Motivierung und Aufbau eines Beratungskontextes. „Wohl wissend, dass es hier keine schnellen und einfachen Lösungen gibt“, ist zu lesen.
Mit der neu zu schaffenden Stelle reagiert die Verwaltung auch darauf, dass öffentliche Plätze von Bürgern häufiger als unsichere Räume wahrgenommen werden. Angeführt ist der Tizianplatz, wo es Beschwerden von Geschäftsleuten aufgrund eines übermäßigen Alkoholkonsums mit den entsprechenden Folgeerscheinungen gab.
Gespräche mit Anwohnern und Betroffenen seien ein wichtiger Teilaspekt der Arbeit des Streetworkers, wird in der Vorlage berichtet. Allerdings habe dieser die Arbeit mit Jugendlichen als Schwerpunkt. Die „Krisenintervention Erwachsene“ ist daher auch als Unterstützung und Entlastung bei der Arbeit auf öffentlichen Plätzen und im öffentlichen Raum gedacht.
Von Sebastian Schwappacher