Inenstädte können eine öde Angelegenheit sein. In manch kleinem Kurstädtchen steht gefühlt jeder zweite Laden leer, andernorts reiht sich Ein-Euro-Shop an Ein-Euro-Shop....
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nenstädte können eine öde Angelegenheit sein. In manch kleinem Kurstädtchen steht gefühlt jeder zweite Laden leer, andernorts reiht sich Ein-Euro-Shop an Ein-Euro-Shop. Wer durchs rund 25 000 Einwohner zählende Groß-Gerau schlendert, gewinnt einen anderen Eindruck. Dort gibt es noch jede Menge Artikel für den täglichen und nicht alltäglichen Bedarf: Haushaltswaren, Bekleidung, exquisite Ledertaschen, Schmuck und Parfüms, Feinkost und Bücher, aber auch Optiker und ein Fachgeschäft für E-Bikes finden sich hier. Die Darmstädter Straße ist so etwas wie die Zeil, wenn auch im Kleinstadtformat. Und mit insgesamt fünf Läden von Dessous bis zum Kinderhaus stellt das Kaufhaus Braun einen wichtigen Anker dar. "Wir haben kurze Wege. Ich bekomme fast alles, was ich brauche, gehe gern zum Bäcker, Metzger, auf den Markt, unterstütze die örtlichen Geschäfte - ich will ja nicht, dass die Innenstadt verkargt", meint Kunde Walter Endner.
Leerstandsquote liegt bei gerade einmal drei Prozent
"Verglichen mit anderen Kommunen sind wir in einer ganz komfortablen Lage, die wir uns aber auch erarbeitet haben", sagt auch Markus Krebs. Der 45 Jahre alte Diplom-Geograf kümmert sich seit Januar 2014 um Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing, hat die Lage im Zentrum stets im Blick. Wer mit ihm auf eine seiner Karten blickt, auf denen die Geschäfte der Innenstadt verzeichnet sind, erblickt ganz viel Grün. Das sind die Läden, die vermietet sind. "Unsere Leerstandsquote liegt bei drei Prozent, der Bundesschnitt bei sieben." Rote Flächen (Leerstand) finden sich dagegen kaum: ein ehemaliges Sanitätshaus ("Hier laufen gute Gespräche"), ein Bekleidungsgeschäft am Sandböhl, ein ehemaliger Optiker. Das war es aber auch schon. Wenige Objekte hat Krebs auf Gelb gesetzt. Das sind Läden, bei denen ihm zu Ohren kommt, dass es nicht so läuft oder sich über kurz oder lang die Nachfolgefrage stellt. "Da stelle ich den Kontakt zur Nachfolgeberatung der IHK her", so Krebs. Seit diesem Jahr kooperiert er zudem mit den Wirtschaftspaten, die Beratung zu Existenzgründung, Unternehmenssicherung und Nachfolgeregelung anbieten.
Mit einer Kaufkraft von 6786 Euro je Einwohner liegt Groß-Gerau leicht über dem Bundesschnitt, erreicht eine Kennziffer von 103,1. Am Starnberger See oder im Hochtaunuskreis werden Werte von jenseits der 140 erreicht, "doch bewegen wir uns in einem vernünftigen Rahmen", erklärt Krebs. Ein Beitrag, um Kaufkraftabflüsse zu verhindern, ist die 2010 eingeführte Gutscheinkarte "GG Scheck". Pro Jahr gehen rund 7500 Schecks im Wert von zehn Euro über die Theke, etwa 570 000 Euro an Kaufkraft sind auf diese Weise in der Stadt gehalten worden.
Um attraktiv zu bleiben, hat sich Groß-Gerau ein "Fitnessprogramm Innenstadt" verordnet. Dazu zählen Veranstaltungen wie die langen Einkaufsabende "Nacht der Sinne" und "Frühlingserwachen", aber auch "Groß-Gerau läuft" und der Weihnachtsmarkt. "Das fällt unter Erlebnisqualität", meint Krebs - ebenso wie die Gastronomie, in der es in jüngster Zeit einige Neueröffnungen gab. Als der frühere Bürgermeister Stefan Sauer (CDU) 2008 die erste "Nacht der Sinne" ausrichten ließ, war der Aufschrei noch groß. 30 000 Euro für einen Abend erschienen vielen zu teuer. Inzwischen ist die Kritik verstummt, weil es gelingt, die Marke Groß-Gerau bei Besuchern so mit positiven Emotionen aufzuladen. In kleinerem Rahmen tragen dazu auch die Marktfrühstücke bei. Zum Fitnessprogramm gehören ferner ein Corporate Design bei Marketing und Kommunikation, das Info-Magazin GG-Kompakt, das Programm "Fläche sucht Nutzer" und Präsenz in sozialen Medien.
Auf dem Erreichten ausruhen geht indes nicht. "Man muss immer was Neues bieten", lautet das Credo von Markus Krebs. Gemeinsam mit dem Gewerbeverein wird die Stadt vom 8. bis 10. Juni erstmals ein Streetfood-Festival mit Foodtrucks auf die Beine stellen. Und beim Frühlingserwachen am 20. April soll diesmal auch der Sandböhl zum Verweilen einladen.
Das ganz große Ding steht aber noch bevor. In diesem Jahr soll in der City ein kostenfreies WLAN eingeführt werden - wenigstens auf Marktplatz und Sandböhl sowie in der Darmstädter und Frankfurter Straße, den sogenannten 1A-Lagen. Auch Gewerbetreibende könnten sich dranhängen und hätten die Chance, ihren Kunden WLAN zu bieten. "An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei", betont Krebs, der nicht auf Freifunk setzt. "Unser WLAN soll sicher und sauber sein."
Wer heute langfristig bestehen will, muss auch in der digitalen Welt zu sehen sein. Buchhändler Thomas Calliebe mischt hier auf nahezu allen Kanälen mit, der stellvertretende Gewerbevereinsvorsitzende Jörg Leinekugel hat neben seinem Juwelierladen längst einen erfolgreichen Onlineshop aufgebaut. Der Gewerbeverein bastelt aktuell ganz intensiv an einer GG-App, die eine Art digitaler Marktplatz werden soll und auf der auch die Stadt Inhalte einspielen wird. In die Karten blicken lassen will sich Geschäftsführer Michael Schleidt ("Bald wissen wir mehr") noch nicht, hat aber schon ein festes Ziel vor Augen: Zur Gewerbeschau vom 27. bis 29. April soll wenigstens ein Prototyp fertig sein.