Kreis Groß-Gerau: Zusammenarbeit der Gemeinden funktioniert

Während es im Städtebündnis Raunheim, Rüsselsheim und Kelsterbach hörbar knirscht, läuft die Arbeit zwischen Kommunen im Gesamtkreis unaufgeregt.

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. Partner auf Augenhöhe, unterwegs in einem Boot - so präsentierten sich lange Zeit die Rathauschefs der Städte Rüsselsheim, Raunheim und Kelsterbach. Das von ihnen entwickelte und mit Leben gefüllte Projekt "Drei gewinnt" ist ein in der gesamten Region bekanntes Beispiel für eine Kooperation mehrerer Kommunen im Kreis, die miteinander arbeiten statt sich nur als Konkurrenz zu sehen. Unter Oberbürgermeister Patrick Burghardt war Rüsselsheim nicht nur Teil des Städtebündnisses, sondern mit vollem Einsatz dabei. Seit Udo Bausch das Amt des Oberbürgermeisters übernommen hat, ist das ehemals innige Verhältnis abgekühlt. Rüsselsheim beteilige sich nicht mehr ausreichend, heißt es immer wieder aus den Nachbarstädten.

Fast entsteht der Eindruck, demnächst werde wohl jede Stadt wieder ihren eigenen Weg gehen. Sind Gemeinschaftsprojekte zwischen Kommunen, die Einsparungen ermöglichen und damit auch Bürger finanziell entlasten, bald Geschichte? Das dürfte kaum passieren. Denn während die interkommunale Zusammenarbeit (IKZ) unter der Marke "Drei gewinnt" Wellen schlägt, gerät gerade vom Nordkreis aus betrachtet schnell in Vergessenheit, wie umfangreich die Vernetzung im Gesamtkreis inzwischen ist. Die kreisweite IKZ steht also fest auf beiden Füßen. Dabei geht es schon lange nicht mehr nur darum, gemeinsam Blöcke und Büroklammern zu bestellen, um Mengenrabatt zu bekommen. Bekannt und sogar ausgezeichnet ist das kreisweite Vergabezentrum.

Aufträge werden gebündelt

Während früher jedes Rathaus auf eigene Faust Aufträge vergeben und dabei allerlei rechtliche und organisatorische Fragen beachten musste, wird das nun gebündelt. Das senkt die Kosten und Mitarbeiter können viel Zeit sparen, weil Experten zur Verfügung stehen und nicht jeder sich einlesen muss. Für das Projekt gab es zu Beginn des Jahres den "Spar-Euro", der vom Bund der Steuerzahler Hessen und dem Hessischen Städte- und Gemeindebund verliehen wird. Immer wieder gibt es Lob für die systematische Zusammenarbeit der Kommunen hierzulande: In einer Informationsbroschüre des Landes über besonders gelungene interkommunale Lösungen stammt ein Drittel der Beispiele aus dem Kreis Groß-Gerau.

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Die interkommunale Zusammenarbeit als Konzept existiert hier schon seit vielen Jahren. Das Besondere: 2013 wurde sie zum Modell erklärt, dem sich alle Beteiligten mittels Grundsatzbeschluss anschlossen. Seitdem gibt es eine Koordinationsstelle und feste Strukturen, die die Kooperation verschiedener Kommunen zu unterschiedlichen Themen stützen. Über "Drei gewinnt" geht die IKZ inzwischen weit hinaus. Manches machen die drei Kommunen im Nordkreis weiter unter sich, viele Projekte verbinden aber Städte und Gemeinden aus dem gesamten Kreis.

Wirtschaftlichkeit ist das Hauptargument, das zum Mitmachen motiviert. "Wenn die Vorteile auf den ersten Blick sichtbar sind, besteht automatisch ein hohes Interesse, sich zu beteiligen", sagt Marion Götz, die das System als Koordinatorin aufgebaut hat. Bei vielen weiteren Projekten neben dem Vergabezentrum beteiligen sich jeweils mehrere Kommunen, zum Beispiel an der Einführung des E-Governments, der Digitalisierung von Verwaltungsabläufen. Rüsselsheim soll beim Ausbau der Infrastruktur für E-Mobilität federführend unterwegs sein. Als nächstes großes Projekt wird die Gründung eines Landschaftspflegeverbandes angestrebt.

Stimmung im Nordkreis nicht leicht zu retten

Ein Beispiel für eine interkommunale Zusammenarbeit in kleinerem Rahmen ist die gemeinsame Friedhofsverwaltung von Rüsselsheim, Raunheim und Kelsterbach. "Wir haben bei unserem Modell auch vorgesehen, dass wir nur eine gewisse Anzahl von Projekten parallel umsetzen, um effektiv daran arbeiten zu können", erklärt Götz, die lange bei der Stadt Raunheim als Leiterin der Zentralen Dienste beschäftigt war und heute Erste Beigeordnete in Friedberg ist. Es sei gut und richtig, wenn einige Projekte nicht direkt auf Kreisebene, sondern erstmal nur zwischen einzelnen Kommunen umgesetzt würden.

Auch das einst eingeschworene Bündnis im Nordkreis sieht sie nicht als Problem bei der weiteren Vernetzung. ",Drei gewinnt' und die kreisweite IKZ stehen überhaupt nicht in Konkurrenz zueinander", betont Götz. Die Ausrichtungen seien verschieden. Bei dem Dreierbündnis gehe es eher um Wirtschaftskontakte und Grundstücksvermarktung, bei der IKZ auf Kreisebene noch mehr um praktische Fragen wie Kostenreduzierung. Zudem seien auch Rüsselsheim, Raunheim und Kelsterbach fest in die kreisweite IKZ eingebunden. Götz' Antwort zeigt, wie wichtig Atmosphärisches für das Funktionieren des Zusammenspiels ist. Doch auch das System als solches ist standfest. Kooperationen hängen bei der kreisweiten IKZ deutlich weniger von politischen Schwingungen ab - dank dem Modell, aber auch dank Diplomatie und Fingerspitzengefühl.

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Nicht mehr so leicht zu retten ist die Stimmung im Nordkreis. Thomas Jühe versteckt seinen Unmut über die Zurückhaltung Rüsselsheims im eigenen Ort kaum. Das Prestigeprojekt beider Städte, der gemeinsame Neubau eines Betriebshofs, stockt weiterhin. Von einem Bruch zwischen Rüsselsheim und Raunheim will trotzdem niemand sprechen. Jühe hofft auf Besserung - und wohl auf eine Änderung der politischen Gegebenheiten in der Nachbarstadt. "Wir wollen die Brücken nicht abbrechen."

"Drei gewinnt" läuft weiter, auch wenn der Input variiert. Und andere Kooperationen bleiben ohnehin - bereits geschaffene Einsparmöglichkeiten durch gemeinsame Verwaltungseinheiten, etwa bei den Friedhöfen im Nordkreis, will sich keine Stadt entgehen lassen.. Auf den Punkt

Von Heike Bökenkötter