In Groß-Gerau liegt eine Verunreinigung des Grundwassers vor. Die verdächtigen Hauptverursacher existieren allesamt nicht mehr.
Von Jörg Monzheimer
Lokalredakteur Groß-Gerau Echo, Ried Echo
Wasserversorgung.
( Symbolfoto: dpa)
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GROSS-GERAU - Seinen Betrieb hat das Groß-Gerauer Press- und Stanzwerk Fagro bereits vor mehr als einem Jahrzehnt eingestellt. Manches aber findet sich noch heute im Grundwasser: leichtflüchtige halogenierte Wasserstoffe (LHKW) etwa, die als krebserregend gelten. Hauptverursacher war eine von 1966 bis 1980 in Betrieb befindliche Entfettungsanlage der Firma Fagro. Weil man um die Belastung wusste, erfolgte die Sanierung von Grundstück und Grundwasser. Auf dem einstigen Fagro-Areal steht heute die Oberstufe der Prälat-Diehl-Schule, der Boden wurde vor dem Bau für rund 1,2 Millionen Euro saniert und ausgetauscht.
Ein in privatem Auftrag erstelltes Gutachten hat jetzt erhöhte LHKW-Werte in einem Brunnen zutage gefördert, wie zuerst die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete. Der Auftraggeber hatte wissen wollen, ob er Grundwasser zum Befüllen eines Kinderplanschbeckens nutzen könne. Die Werte sollen zwar „nicht dramatisch hoch“ sein. Trotzdem sollten Kinder und Schwangere möglichst nicht mit dem Wasser in Berührung kommen, so die Einschätzung des Gutachters.
Verunreinigung mit organischen Lösungsmitteln
Das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt und die Untere Wasserbehörde des Kreises haben daher nun darauf hingewiesen, dass in Groß-Gerau eine Verunreinigung des Grundwassers mit organischen Lösungsmitteln aus ehemaligen gewerblichen Nutzungen vorliegt. Hiervon betroffen seien insbesondere die Innenstadtbereiche Adolf-Göbel-Straße, August-Bebel-Straße, Schulstraße, Burggraben und Oppenheimer Straße.
Kein Trinkwasser
- Eine gesteigerte Schutzbedürftigkeit des Grundwassers liegt laut Regierungspräsidium in diesem Bereich von Groß-Gerau nicht vor.
- Grund hierfür ist, dass der Bereich mit der LCKW-Schadstofffahne sich weder in einem Einzugsgebiet von Trinkwassergewinnungsanlagen für die öffentliche Versorgung, noch in einem festgesetzten Trinkwasserschutzgebiet befindet. Auch gibt es keine Planungen für ein solches Schutzgebiet.
Die Behörden erklären, dass kein Grundwasser zu Trinkwasserzwecken genutzt werden sollte. Außerdem raten sie davon ab, Grundwasser für die Bewässerung von Nutzpflanzen wie Salat, Kräutern oder anderen Nahrungsmitteln zu verwenden. Sträucher, Bäume, Rasenflächen und Rabatte könnten dagegen bedenkenlos mit dem Grundwasser bewässert werden. Eine entsprechende Warnung war bereits 2004 in den Amtlichen Bekanntmachungen des Kreises veröffentlicht worden, erregte damals aber keine größere Aufmerksamkeit.
Wie viele – im Prinzip anzeigepflichtige – Brunnen betroffen sind, vermochte die Kreispressestelle auf Anfrage nicht zu sagen. So lange die Belastung vorhanden sei, werde der Kreis in Abstimmung mit dem RP nun regelmäßig darauf hinweisen, so Pressesprecherin Angelica Taubel. Bei der Stadt verweist Bürgermeister Erhard Walther (CDU) auf die Zuständigkeit von Kreis und RP. Groß-Gerau habe aber großes Interesse daran, das Thema zeitnah aufzuarbeiten. Walther betont zudem, dass die Belastungswerte nach der in den 90er-Jahren begonnenen Sanierung drastisch heruntergegangen seien. „Und Grundwasser aus Brunnen hat nun mal keine Trinkwasserqualität.“ Das Trinkwasser selbst sei nicht gefährdet.
Neben der Fagro gelten ein ehemaliges Autohaus in der Frankfurter Straße und eine ehemalige Chemische Reinigung/ehemaliger metallverarbeitender Betrieb in der Schulstraße als Hauptverursacher. Wie das Regierungspräsdium erläutert, laufen mehrere sogenannte Schadstofffahnen zusammen. Durch die jahrzehntelange Grundwasserentnahme durch die frühere Zuckerfabrik sei die Schadstofffahne breit aufgefächert worden. Sie ist heute etwa 1.000 Meter lang, hat eine Breite von etwa 40 bis 280 Meter und reicht von der einstigen Fagro bis zum Real-Markt. Nachgewiesen wurde eine Schadstoffverlagerung bis in eine Tiefe von etwa 30 Meter unter der Geländeoberkante.
Nach Darstellung des RP wurden vor der Sanierung Belastungen des Grundwassers in einer Größenordnung von mehreren 1.000 Mikrogramm pro Liter (μg/l) gemessen. Nach Abschluss der jahrzehntelangen Sanierung seien bereichsweise noch Konzentrationen im zwei- beziehungsweise unteren dreistelligen Bereich hinein nachweisbar gewesen. Eingestellt wurde die Grundwassersanierung 2013. Weiterführende Maßnahmen hätten zum Zeitpunkt der Entscheidung in keinem Verhältnis zum damit zu erzielenden Erfolg gestanden.