Groß-Gerau will Gewerbegebiete fit für die Zukunft machen

Fit gegen den Klimawandel und für die Zukunft sollen Groß-Geraus Gewerbegebiet wie die Odenwaldstraße (oben) und GG08 (rechts) werden. Archivfoto: Frank Möllenberg
© Archivfoto: Frank Möllenberg

Um die Anpassung von Gewerbegebieten an die Herausforderungen des Klimawandels ging es bei einer Bürger-Info in Groß-Gerau. Besucher sprachen auch das Thema Radwege an.

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GROSS-GERAU. Der menschengemachte Klimawandel – er ist nichts, was nur den globalen Süden betrifft. Auch in Groß-Gerau werden die Folgen spürbar sein. Mehr Hitzetage, mehr Starkregen, mehr Dürren: All das ist schon bei der erwarteten Erwärmung um 1,5 Grad bis 2030 zu erwarten. Richtig ungemütlich wird es, wenn die Temperaturen um drei Grad steigen sollten. Hier liegt der globale Kipp-Punkt. Ab dann werden die Folgen des Klimawandels unumkehrbar.

Wer meint, sich noch entspannt zurücklehnen zu können, irrt. Das machte Roman Theuerjahr vom Amt für Stadtplanung und Bauverwaltung am Dienstagabend bei einer Bürger-Info in der Groß-Gerauer Stadthalle deutlich. Die Veranstaltung, zu der Stadtverordnetenvorsteher Christian Wieser (CDU) eingeladen hatte, durfte nicht unter der Bezeichnung Bürgerversammlung firmieren, weil die Einladungsfrist nicht gewahrt worden war. Äußerst informativ verlief der Abend dennoch. Und da die Hessische Gemeindeordnung im Jahr mindestens eine Versammlung zur „Unterrichtung der Bürger über wichtige Angelegenheiten der Gemeinde“ vorschreibt, soll dieser Pflicht mit einer ohnehin geplanten Veranstaltung am 15. September Genüge getan werden.

Vor etwa 30 Zuhörern – darunter die Hälfte Vertreter von politischen Parteien – legte Theuerjahr dar, dass die Menschheit zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Weltklimaberichts im vergangenen Jahr bis zum Erreichen des Kipp-Punkts noch etwa 400 Gigatonnen CO2 emittieren durfte. Klingt viel – doch legt man den jüngsten Ausstoß zugrunde, langt das gerade noch einmal für acht Jahre.

Die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels betragen bis 2050 etwa 800 Milliarden Euro. Eine gewaltige Summe. Aus Sicht Theuerjahrs angesichts dessen, was in der Corona-Pandemie an Mitteln mobilisiert wurde, aber aufzubringen, „wenn der Wille da ist“. Seinen Angaben zufolge handelt es sich bei 21 Prozent dieser Summe um sogenannte Anpassungs- und bei 79 Prozent um Folgekosten. „Jeder Euro, den wir in Maßnahmen zum Klimaschutz investieren, spart uns also vier Euro an Folgekosten ein“, folgerte er. Die Stadt will daher die Gewerbegebiete zukunftsfähig machen und Unternehmen dazu bewegen, Veränderungen anzustoßen. Investitionen etwa in Dach- oder Fassadenbegrünung rechneten sich langfristig, weil zum Beispiel weniger Geld für Energie und Kühlung ausgegeben werden müsse.

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Aktuell verfügt Groß-Gerau über 14 Gewerbegebiete mit einer Gesamtgröße von 195 Hektar. Rund 47 Prozent davon werden für Logistik und Transport genutzt. In einem ersten Schritt nimmt die Stadt nun mit der IHK und der TU Darmstadt das Gewerbegebiet Odenwaldstraße unter die Lupe. Konkrete Maßnahmen könnten Fotovoltaik auf Dächern, Solarthermie, Geothermie, das Nutzen von Abwasserwärme, der Einbau von Wärmepumpen sowie Dach- oder Fassadenbegrünung sein. Auch die Entsiegelung von Flächen oder Zisternen zum Wassersammeln gehören ebenso zum Katalog wie veränderte Mobilitätsformen.

Zum Vorzeigeobjekt soll das geplante Gewerbegebiet Am Hermannsberg West mit einer Fläche von rund fünf Hektar werden. „Hier wird auf Klima und Nachhaltigkeit geachtet“, sagte Theuerjahr. Die Bewältigung des Klimawandels sei eine Aufgabe, die Respekt abfordere. „Aber gemeinsam können wir es schaffen“, schloss er seinen rund einstündigen Vortrag.

Von den Zuhörern beklagte Klaus Becker den sich in Hessen fortsetzenden Flächenverbrauch von fünf Hektar pro Tag, nicht zuletzt für Logistikflächen. „Wir haben ein krasses Wachstum, das keinem nutzt.“ Groß-Geraus Bürgermeister Erhard Walther (CDU) betonte, dass die Stadt sich gegen weitere Logistiker ausgesprochen habe und beim Flächenverbrauch sehr vorsichtig sei. Matthias Drodt hakte unter anderem nach, ob die Stadt an ein Solarförderprogramm für Privatleute denke, wie es andere Kommunen aufgelegt haben oder auflegen wollen. Walther erachtete dies nicht für nötig, sah Eigenverantwortung gefragt. „Das rechnet sich für viele von selbst.“

Ein weiteres Thema, das Klaus Becker ansprach, war die unbefriedigende Situation für Radfahrer, die zum Helvetia Parc wollen. „Wann verbessert sich hier was?“, wollte er wissen. Walther erklärte darauf, dass es Überlegungen gebe, den Weg zu verbreitern, um Platz für Radfahrer zu schaffen. Dann würde man aber auch das Gelände des Obst- und Gartenbauvereins antasten müssen. Einen anderen Vorschlag brachte Matthias Drodt ein. „Man könnte Zu- und Abfahrt zu Einbahnstraßen erklären: Dann gäbe es genug Platz. Walther zeigte sich skeptisch, versprach aber, die Idee mit in die Rad-AG zu nehmen.