Agrimed aus Wallerstädten produziert Kräuter für Medizin und Lebensmittel
Von Susanne Wildmeister
Lokalredakteurin Groß-Gerau Echo, Ried Echo
Agrimed-Betriebsleiter Christian Matthes (rechts) und Mitarbeiter Artur Piskorz begutachten die in Säcken frisch abgefüllte Zitronenmelisse. Sie wurde zuvor in der Kräuteraufbereitungsanlage gesichtet, sortiert, geschnitten und gesiebt. Foto: Vollformat / Alexander Heimann
( Foto: Vollformat / Alexander Heimann)
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WALLERSTÄDTEN - In der Luft liegt ein undefinierbarer Duft. Kümmel und Minze stechen hervor, eine frische Zitrusnote entströmt einem großen Papiersack, der randvoll mit Zitronenmelisse gefüllt ist. „Hier werden die Kräuter gesichtet, sortiert, geschnitten und gesiebt“, erklärt Dr. Christian Matthes, Betriebsleiter und stellvertretender Geschäftsführer von Agrimed beim Rundgang durch die Produktionshalle in unmittelbarer Nachbarschaft der Biogasanlage in Wallerstädten. Von Kamille, Kümmel, Löwenzahn, Petersilie bis zum Rotklee stapeln sich getrocknete Kräuter nebenan im Hochregallager bis unter die Decke.
Bestimmt ist die Ware vor allem für Kunden aus der Pharma- und Lebensmittelindustrie. Rund 80 verschiedene Kräuterarten vertreibt das Unternehmen, 30 Prozent in Bioqualität. Zu den Lieferanten gehören insbesondere die etwa 55 landwirtschaftlichen Betriebe, die sich in der Erzeugerorganisation Agrimed zusammengeschlossen haben, wie Matthes erläutert. Die Eigenproduktion mache etwa 60 Prozent der Geschäftstätigkeit aus, das weltweit ausgerichtete Zukaufgeschäft 40 Prozent.
In der Hauptsache vermarktet das Unternehmen Kräuter, die von den Zulieferbetrieben – zehn davon aus dem Kreis Groß-Gerau – bereits getrocknet mit einer Restfeuchte von maximal zehn Prozent angeliefert werden. Die benachbarte, direkt angeschlossene Kräutertrocknungsanlage des Landwirts Stefan Ruckelshausen, der auch Betriebsleiter der Biogasanlage ist, habe die Wahl des Firmenstandortes Wallerstädten begünstigt. Auch die klimatisch guten Bedingungen für den Kräuteranbau mit Bewässerungsmöglichkeit im Ried hätten dabei eine Rolle gespielt.
DAS UNTERNEHMEN
Agrimed Hessen ist ein wirtschaftlicher Verein. Die Hessische Erzeugerorganisation für Medizinal- und Gewürzpflanzen hat ihren Sitz seit 2012 in der Nachbarschaft der Biogasanlage im Groß-Gerauer Ortsteil Wallerstädten.
Eigentümer sind Landwirte aus rund 55 Erzeugerbetrieben in Hessen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Niedersachsen. Auf rund 1 000 Hektar Anbaufläche werden jedes Jahr rund 80 verschiedene Arznei- und Gewürzpflanzen kultiviert.
Beschäftigt werden bei Agrimed zwölf Mitarbeiter in der Administration sowie bis zu neue polnische Arbeitskräfte in Produktion und Logistik.
Das Unternehmen vermarktet jährlich mehrere tausend Tonnen getrockneter Kräuter für die weitere Verarbeitung zu pflanzlichen Arzneimitteln, als Küchenkräuter und Gewürze sowie als Verfeinerung von Haustierfutter.
Der jährliche Umsatz liegt laut Aussage von Betriebsleiter Dr. Christian Matthes „im oberen einstelligen Millionenbereich“. (fri)
2012 hat Agrimed in Wallerstädten einen Neubau mit Büros, Produktion und Lager errichtet, der ebenfalls an die alternative Energie angeschlossen ist. Zuvor sei die Erzeugerorganisation, deren Anfänge in die 1980er-Jahre zurückreichen eher dezentral mit Büro in Trebur organisiert gewesen.
Für Medizin, Lebensmittel und Haustierfutter
Mehrere tausend Tonnen getrockneter Kräuter werden jährlich von Wallerstädten aus weitervermarktet. Kunden des Unternehmens finden sich vor allem in der Pharmaindustrie. Rund 60 Prozent würden zu pflanzlichen Arzneimitteln weiterverarbeitet, schildert Matthes. 25 Prozent fänden Verwendung als Kräuter und Gewürze in der Lebensmittelbranche und 15 Prozent landeten im Haustierfutter.
Das Geschäft mit den Kräutern floriert. Dabei ist der Konkurrenzdruck insbesondere aus Billiglohnländern beträchtlich. Dennoch habe Agrimed seinen Umsatz in den vergangenen zehn Jahren etwa verdoppeln können, betont Matthes. Hohe Standards und ein nachhaltiges Qualitätssicherungssystem seien wesentliche Faktoren. Eine besondere Herausforderung sei der großflächige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft, wo auch biologisch bewirtschaftete Felder durch das teilweise weiträumige Abdriften von Partikeln betroffen seien. Agrimed achte auf transparente Produktionsprozesse. Einzelne Chargen ließen sich bis aufs Feld zurückverfolgen, Produkte würden unter anderem auf mikrobiologische Verunreinigungen, Toxine und Schwermetalle hin untersucht.
Zunehmend legten Kunden auch Wert auf Label wie Fair Trade oder Bio. Man bewege sich auf einem stabilen und potenziell auf Wachstum ausgerichteten Markt, der ständig auch neue Strömungen hervorbringt. Aktuell noch kein Thema, „aber eine Sache, die man verfolgen muss“, ist für Agrimed der Cannabis-Anbau zur medizinischen Verwendung. Auch die Traditionelle Chinesische Medizin könnte ein interessantes Geschäftsfeld werden.
Die Pfefferminze als einer der Bestseller im Agrimed-Sortiment steht aktuell besonders im Fokus. Gemeinsam mit der Universität Gießen wird mit Fördermitteln des Landes Hessen eine für den Anbau besonders geeignete Sorte ermittelt, die natürlich auch in Geschmack und Geruch punkten muss.